- Aufgabe: Analyse zweier Gedichte, Gedichtvergleich, Berücksichtigung des literaturgeschichtlichen Hintergrundes: Die Aufgabenstellung ist normal. Beide Gedichte sind schwach und nur deshalb ausgewählt, weil sie kaum irgendwo gelesen werden (negative Auswahl infolge der Prüfungslogik).
Zur Lösungserwartung
a) Zu Zech: Dämmerung
Einen Gegensatz zwischen den dämonisierten Industrieanlagen und den entindividualisierten Menschen kann ich nicht erkennen.
Die Korrespondenz zwischen der Form des Sonetts und der negativen Dynamik der Produktionsprozesse und des Schichtwechsels ist ein Phantasieprodukt, in sich schon nicht verständlich. Das Komma hinter „konnotierten“ ist ein Z-Fehler.
Bei der Deutung sind die ersten drei genannten Aspekte nur ein einziger, in verschiedenen Wendungen ausgedrückt. Einen natürlichen Tagesablauf gibt es nicht; und falls ja, entspricht das Schichtende am Abend durchaus dem „natürlichen“ Tagesablauf.
b) Zu Eichendorff: Abschied
Das bekanntere Gedicht „Abschied“ beginnt so: „O Täler weit, o Höhen…“
Dass das Gedicht einen Abschied darstelle, ist trotz des Titels eine verwegene Deutung: Wer verabschiedet sich denn wovon?
Bei der Auswertung der Gestaltungsmittel fehlt die Auswertung der Kadenzen: Das Sprechen und Hören gehört nicht zu den Stärken des traditionellen Deutschunterrichts, deshalb kriegen auch die Lösungserwarter kaum etwas von den Pausen mit.
Die offensichtliche Rahmung als Ausdruck der Aufforderung, sich ins Zur-Ruhe-Kommen einzufügen, zu verstehen sei, verstehe ich nicht – das ist in der Tat nur die abschließende Aufforderung.
Richtig wird die Ambivalenz festgestellt – dem widerspricht dann unter 7. beim Gedichtvergleich die „Darstellung einer harmonischen Landschaft“ (vgl. auch „Schauernd“, V. 9)!
Bei der Deutung (6) halte ich es für problematisch, einen Wunsch nach Harmonie mit der Natur erkennen zu wollen. Von einer Reflexion des eigenen Lebens kann keine Rede sein. Einkehr als „Abschied“ von der Welt ist reine Phantasie – hier wird literaturgeschichtliches Wissen an ein Gedicht herangetragen und hineingezwängt!
Beim Gedichtvergleich ist der letzte Aspekt (Einklang mit der Natur – Abkoppelung von den natürlichen Zyklen) auch etwas gewaltsam im Sinn der Aufgabenstellung „Gedichtvergleich“ konstruiert: Unterschiede, kommt herbei!
Vorstellung der „Ruhe im Tod“: hier genau so falsch wie oben.
„vermeintliche Schlichtheit“ des Eichendorff-Gedichtes: Nein, das ist schlicht, ein schwaches Abfallprodukt aus Eichendorffs Serienproduktion.
P.S. Das Zech-Gedicht wurde übrigens schon während der Arbeitszeit in meinem Blog angeklickt, 160mal bis 12.45 Uhr. Bis heute wurde die Seite 2815mal besucht, da sie die einzige (kurze) Analyse im Netz ist.
- Aufgabe: Analyse eines Romanauszugs; Einordnung in den Gesamttext (Bedeutung Menuchims am Anfang und Ende des Romans für die Familie); diese „in Beziehung setzen“ zu Kafkas Gregor Samsa (gleicher Aspekt: Bedeutung für die Familie); die unterschiedliche erzählerische Gestaltung der beiden Figuren berücksichtigen.
Die Aufgabenstellung ist inzwischen normal: ein bisschen Textanalyse von 36 Zeilen Romantext, der Rest ist reine Wiederholung des im Unterricht bereits Erarbeiteten – allenfalls der Vergleich der Bedeutung Menuchims und Gregors ist ein geringer intellektueller Aufwand: Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Zur Lösungserwartung:
a) Zu Roth: Hiob
Nach der Darstellung des Inhalts (wahrlich nicht schwer!) geht es um die sprachlichen Mittel und ihre Bedeutung:
- Auktoriale Erzählperspektive als Verdeutlichung des Fehlens menschlicher Anteilnahme??
- Kontrastierende Beschreibungen (wessen??) zur Verdeutlichung von ambivalentem Verhalten??
- Konstitution einer moralischen Ebene??
Auch die Vorausdeutung auf Verschiebung der bisherigen Hierarchie unter den Geschwistern: ist Phantasie!
b) Zur Bedeutung der Figuren für die Familie
Das ist i.W. Reproduktion. Beim Unterschied der Rollen der beiden kann ich keine „Gegenläufigkeit“ erkennen; denn nach Gregors Tod wird nicht die „vermeintliche Normalität“ bei Samsas erreicht, sondern eine wirkliche – „vermeintlich“ ist hier moralische Wertung, nicht realistische Beschreibung.
Unter 8 wird eine „reflektierte Schlussfolgerung“ angepriesen, in Wahrheit ein einfacher „Schluss“ des Aufsatzes; ein bisschen Moralin kann hier nicht schaden.
- Aufgabe: Analyse eines Sachtextes unter besonderer Berücksichtigung von…; Anwendung dieses Sachtextes auf den von Wurm erzwungenen Brief Luises („Kabale und Liebe“) und Ferdinands Reaktion darauf (IV,2) – ziemlich gewundene Aufgabenstellung: Vorgeschichte von IV,2; Inhalt und Bedeutung von IV,2; Würdigung der dramatischen Funktion des Briefs unter Berücksichtigung des Sachtextes. – Das ist meiner Meinung die anspruchsvollste Aufgabe der drei.
Zur Lösungserwartung
a) Zum Sachtext (Sabine Doering)
Die Thesen (Inhalt) sind unproblematisch; ich vermisse den Eingangssatz, dass falsche Lektüre Unglück nach sich ziehen kann.
Die Argumentationsstruktur ist problematisch beschrieben; die sog. hermeneutische Prämisse (was ist das?) ist bereits Begründung für Z. 1 f. bzw. Z. 1-3. Mit den Stichwörtern „Fokussierung“ und „abschließende Einordnung“ wird auf die Bestimmung der argumentativen Funktion eines Teils des Textes verzichtet – Z. 30 ff. ist aber auch logisch kaum befriedigend in den vorliegenden Gesamtauszug einzuordnen.
Punkt 5) der Lösungserwartung geht m.E. so nicht aus der Aufgabenstellung hervor: Dass die Erläuterung anhand von Schillers Dramen (statt textimmanent) zu erfolgen habe, steht nicht in der Aufgabe.
b) Zur weiterführenden Aufgabe
Die Vorgeschichte des Briefs: setzt gute Kenntnis von „Kabale und Liebe“ voraus. Dass der Inhalt des Briefs zu benennen ist (Punkt 3), steht nicht in der Aufgabenstellung.
Die inhaltliche Auswertung der Szene IV,2 ist einfach, ebenso die Beschreibung der Bedeutung des Briefs für den Fortgang des Geschehens.
Die Überprüfung des Doering-Textes anhand von IV,2 ist insofern problematisch, als der Brief Luises gar kein echter Brief Luises an Herrn Kalb, sondern v.a. ein Brief Wurms an Ferdinand ist; anhand der Kenntnis eines einzigen Dramas Schillers kann man Doerings Ausführungen nicht wirklich würdigen – die Lösungserwartungen sind ja auch ziemlich verschwurbelt. Was ist hier „gelingende“ Lektüre: die Täuschung Ferdinands oder seine Nichttäuschung aufgrund kritischer Lektüre?
Die theatertechnischen Vorteile, von denen Doering spricht, lassen sich hier aufzeigen; ob Schiller hier aufklärerisch wirken wollte, können Schüler nicht beurteilen. Das Missverhältnis von Verstand und Gefühl ist bei Ferdinand kein Problem speziell bei der Lektüre des Briefs in IV,2, sondern ein Problem seiner Lebensführung. Insofern wird Doerings These sowohl bestätigt wie nicht bestätigt. Das gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass die Brief-Täuschung erst durch die Täuschung im Gespräch mit von Kalb (in IV,3) vollendet wird – der Brief ist also nur ein Vehikel in einem großen Prozess der Täuschung und Selbsttäuschung des überheblichen Ferdinand!
Fazit: Man müsste mehrere Dramen Schillers kennen, um Doerings Ausführungen wirklich würdigen zu können.