Diese Diktate, vor einigen Jahren entstanden und teilweise in meinem Unterricht am Gymnasium erprobt, stehen unter der Idee, dass man sich beim Training der Rechtschreibung nicht an den Regeln der Rechtschreibung, sondern an realen Texten orientieren sollte. – Im Gymnasium NRW wurden in Klasse 7 nicht mehr Diktate als Klassenarbeiten geschrieben, daher fehlen solche hier. – Zur GEBRAUCHSANLEITUNG siehe https://norberto68.wordpress.com/2012/03/08/das-tagliche-ubungsdiktat-idee-gebrauchsanleitung/
Diktate für Kl. 7 (Übungsdiktate für Klasse 8-10 findet man in meinem alten Blog http.//norberto42.kulando.de, dort in der Kategorie „Übungsdiktate“. Da ich tatsächlich die Übungsdiktate (beinahe) täglich in Kl. 5-7 geschrieben habe, habe ich selber ab Kl. 8 auf diese Übung verzichtet.)
Ach, wie reizend! (Sinneswahrnehmungen: Reize)
Balladen;
Die deutsche Flagge;
Jugendliche als Verbrecher?
Reportagen – selber mittendrin;
Gleichberechtigung;
Sind Sekten gefährlich?
Die Bibliothek;
Das Auto als Verkehrsmittel;
Grundsätzliches zur Arbeit in der Schule;
Erwachsen werden;
Die Zeitstufen des Verbs
Ach, wie reizend! (Sinneswahrnehmungen)
1 Woher wissen wir, was in der Welt geschieht? Andere Menschen erzählen uns, was sie erlebt haben; es gibt Zeitungen und Bücher, das Fernsehen und das Internet. Das sind Informationsquellen, hinter denen fremde Menschen stehen.
2 Aber jeder Einzelne kann auch selber etwas von dem wahrnehmen, was in der Welt geschieht: Wir sehen, wer uns entgegenkommt; wir hören, dass im Nachbarhaus ein Hund bellt; wir fühlen, ob ein Stein in der Sonne warm oder kalt ist; wir haben Sinnesorgane.
3 Unsere Sinnesorgane sind die Augen, die Ohren, die Nase, die Zunge und die Haut; mit ihnen nehmen wir unsere Umgebung wahr. Wenn man als Wissenschaftler diese Organe betrachtet, sagt man: Wir empfangen mit ihnen Reize, die wir verarbeiten.
4 Das Wort „Reiz“ ist vom Verb „reizen“ abgeleitet. Was uns reizt, treibt uns zu etwas an; es lockt uns, es regt uns an. Das Verb kann auch ausdrücken, dass uns etwas erregt oder ärgert; das ist der Fall, wenn der Reiz zu stark für uns ist.
5 Wozu sprechen die Wissenschaftler nun von Reizen statt von Wahrnehmungen? Sie machen mit dem neuen Wort deutlich, dass wir zum Beispiel mit den Augen nicht einfach Bilder von der Welt in uns hereinlassen, sondern selber uns Bilder machen.
6 Auf der Netzhaut unserer Augen werden Bilder erzeugt; aber der Sehnerv überträgt nicht sie, sondern elektrische Impulse, die im Gehirn wieder zu einem Bild umgeformt werden. Wir verarbeiten Reize, um festzustellen, was sie für uns bedeuten.
7 Das kann man an einem Beispiel leicht einsehen: Wenn ein Kind abends über eine Straße geht und hört, dass hinter ihm etwas schlurft, muss es wissen, was das bedeutet. Folgt ihm ein Fremder? Nähert sich ein Freund? Bewegt der Wind eine Zeitung?
8 Das Kind wird sich vermutlich umdrehen; wenn ihm klar geworden ist, ob eine Gefahr droht oder nicht, kann es sich entsprechend verhalten. Alle Lebewesen müssen sich über ihre Umwelt informieren, um Gefahren ausweichen und Chancen ergreifen zu können.
9 Die Wissenschaftler betrachten uns also als bloße Lebewesen, wenn sie von einem Reiz und der Reaktion eines Organismus sprechen. Es gibt aber auch noch einige andere Gründe für diesen wissenschaftlichen Sprachgebrauch.
10 Um eine Reaktion auszulösen, muss der Reiz eine bestimmte Stärke besitzen. Ein Reiz ist zu schwach, wenn er eine Reizschwelle nicht überschreitet; er wird dann von unseren Nerven nicht weitergeleitet, obwohl er vorhanden ist.
11 Außerdem muss zwischen zwei Reizen, etwa zwei Tönen, ein bestimmter zeitlicher Abstand bestehen, damit sie als gesonderte Reize erfasst werden; Töne müssen etwa drei Tausendstelsekunden auseinander liegen, damit sie als zwei Töne gehört werden.
12 Diese beiden Beobachtungen machen deutlich, warum man als Wissenschaftler nicht einfach von Wahrnehmungen spricht, sondern von Reiz und Reaktion; der Organismus macht nämlich unmerklich aus den Reizen der Umwelt ein Bild von der Welt.
13 Wie der Organismus das nun macht, wie die Organe gebaut sind, wie Reize weitergeleitet werden, wie sie verarbeitet und aufgrund von Erfahrung oder von angeborenen Verstehensmustern gedeutet werden, das untersuchen die Biologen und Psychologen.
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Ausflug in die Sprachgeschichte:
„Reiz“ ist im 18. Jahrhundert vom Verb „reizen“ abgeleitet worden. Dieses Verb stammt seinerseits von „reißen“ ab, was ursprünglich „einen Einschnitt machen“ bedeutet hat. Althochdeutsch hieß dieses Verb ‚rizan‘, und da die Germanen Runen in Holz ritzten, hat das englische Wort (write) die Bedeutung „schreiben“.
Das Verhältnis zwischen „reißen“ und „reizen“ ist sprachlich das gleiche wie zwischen „trinken“ und „tränken“. Das abgeleitete zweite Verb wird Veranlassungswort (Kausativ) genannt; tränken = jemand zu trinken veranlassen; reizen = jemand zu reißen veranlassen.
Die Verwandtschaft der Verben „reizen“ und „reißen“ wird im normalen Sprachgefühl heute nicht mehr verspürt; nur historische Forschung deckt die Verbindung auf.
Balladen
1 Balladen sind eine bestimmte Art von Gedichten, die sich über Jahrhunderte aus französischen Tanzliedern entwickelt hat; heute versteht man darunter Gedichte, in denen in der Regel spannende Ereignisse erzählt werden.
2 Für Leser sind solche Gedichte interessant, wenn man nicht weiß, wie das erzählte Geschehen ausgeht; meistens gibt es nach der Gefährdung des Helden eine Rettung („Der Knabe im Moor“), aber es gibt auch seinen Untergang („Erlkönig“).
3 Als Helden bezeichnen wir hier die wichtigste Person, auch wenn sie keine Heldentaten vollbringt; mit einem Fachbegriff kann man sie den Protagonisten nennen. Wir kennen bisher zwei Erzählschemata: Gefahr und Rettung; Gefahr und Untergang.
4 Es gibt auch andere Erzählschemata, etwa das von „Verbrechen und Strafe“ („Die Vergeltung“); im ersten Teil der Ballade wird erzählt, wie der Passagier einen Kranken ermordet; im zweiten Teil wird angedeutet, wie er selber zur Vergeltung gehängt wird.
5 In dieser Ballade zweifelt der Passagier, als er mit den Seeräubern aufgehängt werden soll, an der Gerechtigkeit Gottes; denn er ist ja kein Seeräuber. Aber der Leser erkennt, dass Gott doch gerecht ist; denn ein Balken des Galgens ist der, von dem der Kranke fortgerissen worden war: „Batavia 510“.
6 Mit dieser Erzählung soll vermutlich dem Leser beispielhaft gezeigt werden, dass Gott gerecht ist, auch wenn man das nicht immer merkt; der Leser kann also durch den Erzähler in eine bestimmte Richtung gewiesen, sein Verständnis kann gelenkt werden.
7 Das ist auch bei der Ballade „Die Bürgschaft“ von Schiller der Fall. Da gibt es zunächst das Erzählschema von Behinderung und Gelingen: Viele Hindernisse türmen sich auf, aber der unerschrockene Freund kann sie mit Heldenmut und Glück überwinden.
8 Mit seiner freiwilligen Rückkehr vollbringt er aus Freundschaft eine unglaubliche Heldentat; er und sein Freund bekunden „Schmerzen und Freude“; auch die Leute, die das sehen, sind ergriffen; selbst der König ist gerührt, sein böses Herz „bezwungen“.
9 Der König spricht dann klar aus, was auch der Leser erkennen soll: „Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn“; zwischen einer so deutlichen Äußerung und dem verhaltenen Hinweis in „Die Vergeltung“ kann der Versuch, den Leser zu lenken, pendeln.
10 Um die Spannung zu steigern, kann der Erzähler zeigen, wie die Zeit vergeht; so muss der Freund bis zum Abend in Syrakus ankommen – und die Stunden verstreichen, wobei sich immer wieder Hindernisse vor ihm auftun, während die Sonne sinkt.
11 Auch das personale Erzählen – man kann unmerklich am Erleben des Helden teilnehmen – dient wie die Wiedergabe wörtlicher Rede dazu, den Leser das Geschehen miterleben zu lassen, also Spannung zu erzeugen; Vergleiche und Personifizierungen können ebenfalls dazu genutzt werden. [Stilmittel]
12 Ebenso können die Elemente des erzählten Geschehens zur Spannung beitragen: alle Arten von Gefahr, vor allem Lebensgefahr; alle unerklärlichen Vorgänge, dazu geisterhafte Gestalten; was im Dunkeln oder im Gewitter sich ereignet, was man nur hört, ist geheimnisvoll.
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Unterscheide den auktorialen Erzähler vom Ich-Erzähler, dazu personales Erzählen; personales Erzählen: kein Verb des Sagens; ist ein besonderer Stil des Erzählens, welcher subjektives Erleben bezeugt: Fragen, unvollständige Sätze, Verb oft im Infinitv, Modalwörter wie „hoffentlich, endlich, wohl“ oder das Indefinitpronomen „man“;
Formen der Rede- und Gedankenwiedergabe: wörtliche Rede (Verb des Sagens, Doppelpunkt, Anführungszeichen); indirekte Rede (Verb das Sagens plus Konjunktiv).
Die deutsche Flagge
1 Die Flagge der Bundesrepublik Deutschland zeigt die Farben Schwarz, Rot, Gold als Querbalken. Diese Flagge ist im 19. Jahrhundert entstanden, hat aber eine lange Vorgeschichte, die bis in die Zeit des Römischen Reiches zurückgeht.
2 Ein Adler war das Symbol des römischen Weltreiches und seiner Macht. Als Karl der Große, der König des Frankenreiches, im Jahr 800 vom Papst zum Kaiser von Rom gesalbt wurde, übernahm er auch den römischen Adler als Wappentier.
3 Im Lauf der Zeit wurde die Vorstellung von Deutschland mit dem Bild des Adlers verbunden; er wurde schwarz in einem Schild mit der kaiserlichen Farbe Gold dargestellt. Seit dem 14. Jahrhundert wurden die Fänge und der Schnabel rot gemalt.
4 Als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation kurz nach 1800 unterging, verschwand sein Adler und wurde zum Wappentier von Österreich. Erst im Jahr 1919 legte der Reichspräsident Ebert eine schlichte Form des Adlerwappens für Deutschland fest.
5 Diesen dreifarbigen Adler bestätigte Bundespräsident Heuss im Jahr 1950. Er ist schwarz, hat einen roten Schnabel und ebensolche Krallen und steht in einem goldenen beziehungsweise gelben Feld.
6 Die dreifarbigen Flaggen ohne Wappentiere sind im Gefolge der Französischen Revolution als Fahnen für republikanische Staaten aufgekommen. Die deutsche Flagge mit ihren drei Farben ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden.
7 Es gab ab 1816 eine Studentenverbindung, die eine rot-schwarz-rot gestreifte Fahne mit einem goldenen Eichenzweig führte. Diese Fahne erhielt eine symbolische Bedeutung, als die revolutionären Studenten im Jahr 1818 Nationalfarben suchten.
8 Dabei stießen sie auf Schwarz-Rot-Gold, weil sie diese Farben vom Reichsadler kannten und sie für die Farben des alten Reiches hielten. In den folgenden Jahrzehnten verbanden viele freiheitsliebende Bürger ihre Hoffnungen mit diesen Farben.
9 Die Frankfurter Nationalversammlung bestimmte dann im Jahr 1848 Schwarz-Rot-Gelb in waagrechten Bahnen zur Handels- und Nationalflagge. Die Revolution von 1848 scheiterte jedoch und mit ihr verschwand auch ihre Flagge.
10 In der Weimarer Republik wurde Schwarz-Rot-Gold dann als Nationalflagge eingeführt. Im Jahr 1933 wurde diese Flagge sofort von Hitler verboten und durch die Hakenkreuzfahne ersetzt; er konnte keine Fahne mit demokratischer Tradition brauchen.
11 Die alte demokratische Flagge Schwarz-Rot-Gold wurde 1949 als Bundesflagge eingeführt; die DDR übernahm sie auch, verzierte sie jedoch 1959 mit Hammer und Zirkel als Zeichen des Sozialismus. Heute ist unsere Flagge so wie 1949; das Gold wird oft durch Gelb ersetzt.
12 Seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 ist die Flagge der Bundesrepublik Deutschland wieder Schwarz-Rot-Gold ohne weitere Zugaben. Das Gold wird dabei durch Gelb ersetzt, wie es bei Wappen seit je üblich ist.
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* Als eine falsche Auffassung ist die Meinung anzusehen, die drei Farben der Flagge seien aus den Farben des Freikorps Lützow hervorgegangen. Das war eine Gruppe von Freiwilligen, die 1813 bis 1815 gegen Napoleon und die Franzosen kämpfte.
Jugendliche als Verbrecher?
1 Dass Jugendliche Gesetze übertreten, dass sie vom geforderten normalen Verhalten abweichen, dass sie sich im Straßenverkehr rücksichtslos bewegen oder andere belästigen, fasst man unter dem Begriff der Jugendkriminalität zusammen.
2 Jugend ist die Zeit im Leben, in der man sich auf das Leben als Frau oder Mann vorbereitet. Die Erwachsenen möchten, dass die Jugendlichen so leben, wie sie selber es für gut und richtig halten; die Jugendlichen sollen sich ihnen anpassen.
3 Die Jugendlichen möchten schon wie Erwachsene auftreten, auch wenn sie noch nicht 18 Jahre alt sind oder weniger Geld haben; sie möchten sich vor allem nichts vorschreiben lassen, sondern ihren eigenen Lebensstil finden.
4 So ist es also in einer Hinsicht verständlich, dass Jugendliche sich anders verhalten, als es von ihnen erwartet wird. Sie experimentieren mit ihrem Leben und übertreten dabei manchmal Grenzen, die man besser einhalten sollte.
5 Viele Jugendliche kommen nur einmal in ihrem Leben mit den Gesetzen in Konflikt; die Jugendrichter pflegen sie deshalb auch nicht hart zu bestrafen, wenn jene einsehen, dass sie etwas falsch gemacht haben.
6 Einige Jugendliche begehen aber nicht nur eine, sondern viele Straftaten: Sie stehlen in Geschäften Waren, berauben andere oder schlagen sie zusammen, wenn sie sich provoziert fühlen. Häufig werden Gewalttaten von mehreren gemeinsam verübt.
7 Wenn Menschen in Gruppen auftreten, handeln sie oft anders, als wenn man sie allein trifft; das gilt übrigens für Erwachsene im gleichen Maß wie für Jugendliche: Man fühlt sich stärker, zeigt weniger Hemmungen und ist nicht (allein) verantwortlich.
8 Insgesamt muss man feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten von Jugendlichen zunehmend mehr Straftaten als früher begangen worden sind. Das Bild der Jugendlichen wird aber auch dadurch geprägt, dass die Medien gern über Straftaten berichten.
9 Wenn man zu verstehen versucht, warum die Jugendlichen heute mehr Straftaten als früher begehen, muss man viele Aspekte berücksichtigen; außerdem ist es so, dass man nie genau weiß, ob man die richtige Erklärung gefunden hat.
10 Für den einzelnen Jugendlichen gilt Folgendes: Wenn er als Kind wenig beachtet oder misshandelt worden ist, wird er leichter mit dem Gesetz in Konflikt kommen, als wenn er aus einer Familie stammt, in der alle sich verstehen.
11 Das Gleiche gilt für einen Jugendlichen, der in der Schule keine Erfolge erringt, oder für jemand, der keine Lehrstelle findet oder keinen Arbeitsplatz bekommt. Kinder armer Leute sind eher gefährdet also solche von wohlhabenden Eltern.
12 Damit ist auch schon klar, dass Kinder von Ausländern stärker gefährdet sind, die Gesetze zu übertreten, als Kinder von Deutschen; sie haben in der Schule und dann auf dem Arbeitsmarkt meistens schlechtere Chancen als ihre Altersgenossen.
13 Der letzte Gesichtspunkt zeigt besonders deutlich, wie gesellschaftliche Gründe für Jugendkriminalität zu beachten sind; es gibt soziale Entwicklungen, die über den Einzelnen einfach hinweggehen, aber ihn mit ihren Auswirkungen treffen.
14 Zu solchen gesellschaftlichen Veränderungen gehört auch, dass die Erwachsenen heute selber Probleme damit haben, welche Normen und Werte sie anerkennen wollen; sie leben jedenfalls anders als ihre Eltern und Großeltern.
15 Dass die Menschen häufiger umziehen, statt zeitlebens im Heimatort zu bleiben, oder dass immer mehr Menschen in Großstädten oder in Wohnfabriken leben, wirkt sich ebenfalls negativ aus: Man kennt die Nachbarn kaum und fühlt sich ihnen nicht verbunden.
16 Vielleicht sollte man auch bedenken, dass in den Medien gern rücksichtsloses Prügeln und Töten gezeigt und ein wildes Leben verherrlicht wird. Wer kann dann Lust bekommen, normal zu leben und seine Pflichten im Alltag zu erfüllen?
Reportagen – selber mittendrin
1 Wenn man Zeitung liest oder Fernsehen guckt, schaut man auf bedrucktes Papier oder auf eine Glasscheibe; das vergisst man zwar, aber man weiß es eigentlich doch. Die Medien sind etwas, das zwischen uns und der Wirklichkeit steht.
2 Es gibt verschiedene Möglichkeiten, uns den Eindruck zu vermitteln, wir nähmen selber direkt am Geschehen teil: Wenn bunte Bilder flott aufgemacht sind, wenn Szenen schnell und hart geschnitten sind, ist man selber mittendrin.
3 Eine Form, in der besonders lebendig berichtet wird, ist die Reportage. Bereits ihre Überschrift ist ein bisschen undeutlich und zwingt oder lockt uns, genauer hinzuschauen: „Die Freiheit riecht nach Currywurst“ – wie geht das zu?
4 Diese Schlagzeile hat eine kleine Überschrift: „Imbissbuden in Brandenburg, ein deutsches Milieu: Fritten, die Vertrauen schaffen“. Jetzt ahnt man, worum es geht: Im Bundesland Brandenburg gibt es Frittenbuden wie überall, dazu kommt Vertrauen.
5 Der Untertitel deutet ein Problem an: „Sie lieben es billig, fett und schnell, doch Bonn will den Kunden der Bratstationen an den ostdeutschen Autobahnen ihr Seelenfutter wegnehmen.“ Die Politiker in Bonn wollen also etwas ändern, was den Leuten lieb ist.
6 Was mindestens so stark wie die Überschrift auffällt, ist ein großes Foto: Im Vordergrund ein Mann, im Hintergrund Tische mit Gästen und einige Lastzüge. Man versteht das Bild nicht aus sich, sondern nur aus dem Zusammenhang mit dem Artikel.
7 Aus der Bildunterschrift erfährt man, dass hier Dieter Neumann von „Neumanns Schlemmerwagen“ bei Kilometer 113 an der Autobahn Berlin-Dresden zu sehen ist. Aber wieso ist er eine interessante Persönlichkeit? Wer kennt Dieter Neumann?
8 Damit sind wir auf ein wichtiges Prinzip der Reportage gestoßen: Es werden ganz normale unbekannte Menschen vorgestellt, deren Leben für ein Problem aufschlussreich oder typisch ist. An konkreten Menschen werden allgemeine Probleme anschaulich.
9 „Früh um sieben. Es herrscht dieses diffuse Morgenlicht, das die Gegenstände aus dem Schwarz herauslöst, ihnen aber noch keine Farbe gibt. Man erkennt den Transporter kaum. Eine Gestalt hantiert an ihm herum; ein Mann augenscheinlich.“
10 Mit diesen Sätzen beginnt die Reportage über die Brandenburger Frittenbuden. Es wird ein Eindruck geschildert, den der Reporter gehabt hat und den man selber hätte haben können, wenn man dabei gewesen wäre; solche Eindrücke vermittelt eine Reportage.
11 Es werden dann weitere Menschen ohne lange Einführung vorgestellt: Frau Uschi ist Neumanns Assistentin, Hans-Reinhard Reuter der Chef des brandenburgischen Autobahnamtes; der Ralf, Herr Berg und ein Pressesprecher tauchen ebenfalls auf.
12 Wichtig ist, dass diese Menschen selber zu Wort kommen. Die wörtliche Rede ist ein wesentlicher Bestandteil von Reportagen; meistens sind es nur kurze Äußerungen, die mitgeteilt werden, Anklagen oder grundsätzliche Aussagen.
13 Manchmal werden auch geschliffene Einsichten übermittelt. Herr Neumann erklärt dem Reporter, was es heißt, selbständig [= selbstständig] zu arbeiten: „Ganz klar: selbst arbeiten und ständig arbeiten.“ Damit hat er seine Situation im Wortspiel witzig beschrieben.
14 In der Form von Episoden werden die Lebensgeschichte von Herrn Neumann, die Pläne der Politiker und die Hintergründe des Problems vorgestellt: Warum will man Frittenbuden auf Parkplätzen an der Autobahn in Ostdeutschland verbieten?
15 Und es wird auch klargemacht, was es für alle Beteiligten bedeutet, für die Fernfahrer und die Budenbesitzer, wenn die Politiker ihre Pläne verwirklichen. Der Leser versteht es, weil er am Leben und Erleben normaler Menschen hat teilnehmen kann.
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Was lässt die Überschrift einer Reportage erwarten?
1 M – eine Stadt jagt den Betrüger
2 Dribbeln um den Stammeskrieg
3 Der Wechsel vom Polo zum Pony
4 Die Verschwörung der Verzweifelten
Ordne diesen Überschriften folgende (Ober- bzw.) Untertitel zu:
a Welche Lehren einer der umstrittensten Konzernchefs Deutschlands aus vier Jahren voller Affären, Anfeindungen und Prozessen gezogen hat
b Ein deutscher Trainer aus Dortmund führt Kenias Fußball-Nationalmannschaft – mit der Autorität der weißen Haut leistet er unverhoffte Entwicklungshilfe
c Belgrad: Die Studenten wollen jetzt Milosevic stürzen
d Wie sich der bürgerliche Widerstand gegen die Nuklear-Lagerstätte organisiert, und warum auch die friedlichsten Gegner an die Grenzen der Geduld geraten
Gleichberechtigung
1 Dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, erscheint uns selbstverständlich; trotzdem lachen wir über Blondinenwitze und die Redewendung „Frau am Steuer“ besagt, dass man von einer Frau kein vernünftiges Autofahren erwarten kann.
2 Seit über 100 Jahren wird dafür gekämpft, dass die Frauen den Männern gleichberechtigt sind. Im Jahr 1891 traten die Sozialdemokraten als erste dafür ein, dass auch die Frauen das Wahlrecht erhielten; 1918 wurde dieses Recht in Deutschland eingeführt.
3 Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es in Artikel 3: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Niemand darf wegen seines Geschlechts (…) benachteiligt oder bevorzugt werden.“
4 In der Wirklichkeit sieht es auch heute noch anders aus. 1995 verdienten männliche Angestellte monatlich im Durchschnitt 6200 D-Mark, weibliche dagegen 4200; Rentner bekamen 1996 durchschnittlich im Monat etwa 1800 Mark, Rentnerinnen nur 1000 Mark.
5 Für solche Unterschiede gibt es viele Gründe: Frauen arbeiten weniger Stunden pro Woche im Beruf; sie sind in Leistungsgruppen eingestellt, wo weniger bezahlt wird; sie üben Tätigkeiten aus, bei denen es keine Zuschläge gibt.
6 Dadurch dass sie sich stärker um die Erziehung der Kinder kümmern, können sie auch nicht in gleicher Weise die Karriere im Blick haben wie Männer. Bei Ministern, Chefärzten oder Professoren gibt es deshalb wesentlich mehr Männer als Frauen.
7 Diese Unterschiede sind in der Geschichte Europas entstanden, das heißt, von Menschen gemacht worden: Da nur Frauen Kinder bekommen, wurde ihnen die Erziehung und die Hausarbeit aufgetragen; in der Öffentlichkeit hatten sie nichts zu sagen.
8 Bereits die kleinen Jungen wurden anders als die Mädchen erzogen: Sie durften wilder sein, brauchten kaum im Haushalt zu helfen und spielten mit Waffen und Baukästen; Mädchen spielten mit Puppen und lasen Mädchenbücher.
9 In der Ausbildung wurden die Unterschiede festgeschrieben: Jungen hatten eine bessere Schul- und Berufsausbildung. Noch um 1900 gab es kaum Studentinnen, und diese wenigen wurden von vielen Professoren im Allgemeinen nicht ernst genommen.
10 Im Jahr 1994 wurde folgende Bestimmung ins Grundgesetz aufgenommen: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
11 Zu diesem Zweck wurden in den Ländern und Kommunen Stellen eingerichtet, deren Inhaberinnen sich um die Gleichstellung der Frauen zu kümmern haben; wenn heute Arbeitsplätze angeboten werden, dürfen Frauen nicht benachteiligt sein.
12 Solche und andere Maßnahmen nützen aber nicht viel, wenn nicht grundlegende Bedingungen erfüllt sind: Es muss Kindergarten- und Hortplätze für alle Kinder geben; nach einer Erziehungspause muss man wieder Arbeit finden.
13 Männer und Frauen müssen gemeinsam im Haushalt arbeiten; damit dies möglich ist, müssen sie vielleicht verschiedene Arbeitszeiten haben oder Stellen, an denen sie in Teilzeit arbeiten können. In einer Erziehungspause müsste man sich weiterbilden können.
14 Es genügt also nicht, Gesetze zu machen, in denen die Gleichberechtigung gefordert oder festgelegt wird; in der Gesellschaft müssen wir und die anderen überlegen, wie die Geschlechter zusammen leben und arbeiten können.
Sind Sekten gefährlich?
1 Seit den siebziger Jahren gibt es Unruhe in den Religionen der Welt. Es sind neue Sekten aufgetaucht; vor allem junge Menschen wollten im Bereich dessen, was man Religion nennt, neue Erfahrungen machen und Geborgenheit erleben.
2 Wenn Menschen sich bunt kleiden oder keinen Wert auf eigenen Besitz legen, machen sie sich bei den Normalbürgern verdächtig. „Wie kann man bloß die ganze Freizeit damit verbringen, für seine Weltanschauung zu werben?“, fragen diese.
3 Wenn gar das eigene Kind oder der beste Freund sich von einem abwendet und eine neue Lebensform sucht, erschrickt man; man ist besorgt oder sogar entsetzt. Wie kann ein so netter Mensch auf einmal so komisch werden, denkt man.
4 Man kann sich nur vorstellen, er wäre verführt oder unter Druck gesetzt worden. Daraus ergibt sich dann leicht die Forderung: So etwas müsste man verbieten! Und das meinen auch die Vertreter bestehender Religionen, die auf einmal Konkurrenz bekommen.
5 Das Wort „Sekte“ ist vermutlich im Mittelalter vom lateinischen Wort secta, was etwa „befolgter Grundsatz“ heisst, abgeleitet worden. Die Fremdwörter „konsequent“ (= streng, folgerichtig) oder „Sequenz“ (= eine Abfolge) sind damit verwandt.
6 Das Wort „Sekte“ dient dazu, eine kleine religiöse Gemeinschaft zu bezeichnen; so wird aus der Sicht der großen Gemeinschaft gesprochen, von der sich die kleine absondert. In dem Sinn hat jede Religion einmal als Sekte angefangen.
7 Im Grundgesetz bestimmt der Artikel 4:
„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausuebung wird gewährleistet.“
8 Mit dem Artikel 4 wird also die religiöse Selbstbestimmung des Menschen garantiert. Zu dieser gehört die innere Freiheit, etwas zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, diesen Glauben zu bekennen und dafür zu werben.
9 Die Gewissensfreiheit garantiert das Recht, bei den eigenen Handlungen der inneren Überzeugung zu folgen. Wenn andere Menschen davon berührt werden, darf man seine Überzeugung nur begrenzt ausleben; anderen gegenüber muss man tolerant sein.
10 Auf die letzten Fragen, die ein Mensch sich stellen kann, gibt es nämlich keine beweisbaren Antworten: Wozu lebe ich? Kann ich mit mir selber zufrieden sein? Habe ich auf der Erde eine Aufgabe zu erfüllen? Kann ich einmal getrost sterben?
11 Wenn junge Menschen erwachsen werden und zu sich selber finden, versuchen sie auch solche Fragen zu beantworten. Dabei ist es immer möglich, dass sie sich anders als ihre Eltern oder ihre bisherigen Freunde entscheiden.
12 In Religionen und Sekten geht es auch um Macht und um Geld. Aus ihrer innersten Überzeugung heraus sind Menschen bereit, sich oder ihren Besitz ganz für eine Sache einzusetzen. Man sollte also allen Religionsverwaltern gegenüber vorsichtig sein.
13 Normalerweise ist es besser mit anderen statt über andere zu sprechen; das gilt auch für die Mitglieder sogenannter Sekten. In der Praxis zeigt sich aber, dass man weder mit frisch Bekehrten noch mit gerade Ausgestiegenen ruhig sprechen kann.
14 Für ein offenes Gespräch muss jeder bereit sein, den anderen für einen normalen Menschen zu halten; was dieser meint oder erreichen möchte, ist noch etwas Menschliches,- auch wenn man einen Weg dahin für einen Irrweg hält.
Die Bibliothek
1 Viele Bibliotheken bestehen aus drei Teilen, aus der Erwachsenenbücherei, der Jugendbücherei und dem Präsenzbestand; der enthält die Bücher, die man nicht ausleihen kann, etwa große Lexika. Sie sind oft mit einem farbigen Streifen markiert.
2 Die Jugendbücherei besteht normalerweise aus zwei Teilen; sie enthält Sachbücher und Unterhaltungsliteratur. Nach welchem System die Bücher geordnet sind, ist eigentlich gleichgültig; es gibt ein Zehner- und ein Buchstabensystem.
3 Das Buchstabensystem deutscher Bibliotheken ist auf den ersten Blick verwirrend, wenn man es nicht kennt. Im Prinzip wird allen Büchern mit einer Kombination von drei Buchstaben ein Platz zugewiesen, wobei der erste Buchstabe der wichtigste ist.
4 Mit dem ersten Buchstaben, einem Großbuchstaben, wird ein Sachgebiet bezeichnet: C ist die Erd- und Länderkunde, E Geschichte, F das Recht, M Psychologie, T Mathematik und so weiter. Für diese willkürliche Benennung gibt es eine Tabelle.
5 Mit dem zweiten Buchstaben wird das Gebiet jetzt näher eingegrenzt, mit dem dritten Buchstaben werden noch kleinere Bereiche bezeichnet. In dem so markierten Gebiet werden die Bücher alphabetisch nach den Autoren oder nach Nummern eingeordnet.
6 Unter U stehen also etwa die Naturwissenschaften; Uh ist die Zoologie (Tierkunde); Uhn heisst „Spezielle Zoologie“. Nun nimmt man noch Ziffern zu Hilfe: Unter Uhn 2 werden die Wirbeltiere, unter Uhn 21 die Fische behandelt.
7 In Wirklichkeit ist das System etwas komplizierter. Man kann nämlich ein Buch über das Grundgesetz etwa unter „Geschichte“ einordnen, und zwar unter „Geschichte Deutschlands“; man könnte es genauso gut unter „Recht“ einstellen.
8 Es gibt in einer Bibliothek meistens zwei Kataloge, den alphabetischen der Autoren und den systematischen. Mit dem systematischen Katalog kann man das Problem lösen, dass man ein Buch verschiedenen Sachgruppen zuordnen kann.
9 Die überraschend einfache Lösung sieht so aus: Das fragliche Buch wird mehr oder weniger zufällig in eine der beiden Sachgruppen eingereiht („Geschichte“); in der anderen erhält es aber auch ein Kärtchen mit dem Verweis auf Autor, Titel und Standort.
10 Von den Autoren wird zuerst der Familien-, dann der Vorname genannt, dann der Buchtitel (also: Kästner, Erich: Das doppelte Lottchen). Es folgt ein Hinweis, in welcher Büchergruppe das Buch eingeordnet ist.
11 Manche Bibliotheken besitzen noch einen Schlagwortkatalog; den braucht man, wenn zu einem bestimmten Begriff oder Problem Literatur sucht, also etwa über „Umwelt“; dann sind dort die Bücher genannt, welche die Bibliothek zu diesem Thema hat.
12 Wahrscheinlich gibt es ein Merkblatt, worin alles Wichtige über eure Bibliothek erklärt wird. Das solltest du genau lesen; wenn du noch Fragen dazu hast, hilft dir vermutlich die Dame oder der Herr von der Auskunftsstelle.
13 Was man über die Öffnungszeiten, den Leserausweis und die Leihfrist wissen muss, steht im Merkblatt. Man kann die Ausleihfrist auch (bitte rechtzeitig!) verlängern lassen; wer das vergisst, muss eine Mahngebühr bezahlen.
14 Wer ein Buch beschädigt oder verliert, muss den Schaden selbstverständlich ersetzen. – Eine Bibliothek ist so etwas wie ein Werkzeug; man muss lernen damit umzugehen. Wenn man mit einem System umgehen kann, begreift man auch leicht andere.
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Dieses Diktat stammt noch aus der guten alten Zeit, wo die Buchbestände nicht im Computer erfasst waren und keine modernen Medien ausgeliehen wurden. Was ist jetzt anders als in diesem Diktat?
Das Auto als Verkehrsmittel
1 Mit seinem vollständigen Namen heißt das Auto Automobil. Das ist ein Kunstwort aus den Bestandteilen „auto“, was „selbst“ heißt, und „mobil“, was „beweglich“ bedeutet. Das Auto ist eine Maschine, die sich selbst bewegt, sagt der Name.
2 In Wirklichkeit bedeutet das Auto aber viel mehr. Wer ein Auto hat, braucht sich nicht um die Fahrpläne und -zeiten der Bahnen und Busse zu kümmern; er braucht auch nicht auf das Wetter zu achten wie die Radfahrer und Fußgänger.
3 Da man den Führerschein mit 18 erwerben kann, muss praktisch jeder ihn auch mit 18 haben – sonst wäre man ja nicht richtig erwachsen! Und wenn man ihn hat, braucht man auch ein Auto, schon deshalb, weil man dann von den Eltern unabhängig ist.
4 Nicht nur Menschen werden mit dem Auto transportiert; es gibt mehrere hunderttausend Lastwagen, die täglich Rohstoffe und Waren durch Deutschland ans Ziel bringen. Manche Firmen kalkulieren die Anlieferung so genau, dass sie kaum noch Lager brauchen.
5 Für die Volkswirtschaft ist auch die Produktion von Autos enorm wichtig. In Deutschland ist die Autobranche der größte Wirtschaftszweig; er setzt weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr um, indirekt hängt jeder siebte Arbeitsplatz vom Auto ab.
6 Welche Probleme später aufträten, konnte niemand ahnen, als Carl Benz 1885 seinen ersten Motorwagen und Gottlieb Daimler 1886 eine Motorkutsche vorführten. Was für den einzelnen eine Erleichterung bedeutet, kann für alle eine Belastung sein.
7 Inzwischen gibt es so viele Autos in Deutschland – über 40 Millionen -, dass sie sich gegenseitig oft im Weg sind. Das wirkt sich beim Fahren als Stau aus und beim Abstellen als Suche nach einem Parkplatz.
8 Davon abgesehen produzieren die vielen Autos nicht nur Lärm, sondern auch Abgase, vor allem Kohlendioxid; dieses Gas trägt dazu bei, dass sich die Atmosphäre wie ein Treibhaus aufheizt, was für das Klima unvorhersehbare Folgen hat.
9 Von den vielen Mitteln, mit denen man die Probleme des wachsenden Autoverkehrs zu lösen versucht, soll zunächst der Öffentliche Nahverkehr genannt werden: Wenn die Leute mit Bus oder Bahn fahren, brauchen sie kein Auto.
10 Um den Öffentlichen Nahverkehr attraktiv zu machen, muss man ihm Vorteile gegenüber dem Autofahren verschaffen: Er muss billig sein, man darf auf die Fahrzeuge nicht lange warten, vor allem sollten sie mindestens so schnell wie das Auto sein.
11 Ein anderes Mittel, um die Verkehrsströme besser zu lenken, sind große Verkehrsleitsysteme; wenn man weiß, wie viele Autos durch welche Straßen fahren, könnte man einen Teil von ihnen durch Straßen lenken, die wenig befahren sind.
12 Damit das klappt, brauchen die Autos ein Empfangsgerät für die Informationen der Leitzentrale; wenn nun aber zu viele Fahrer den Empfehlungen der Leitzentrale folgen, könnte es eintreten, dass gerade die empfohlenen Straßen verstopft werden.
13 In Heidelberg hat man seit 1990 versucht, die Fußgänger, die Rad- und Autofahrer gemeinsam überlegen zu lassen, wie man in der Stadt die Verkehrsprobleme lösen kann. Im Verkehrsforum haben die Bürger für die meisten Fragen eine Lösung gefunden.
Zur Arbeit in der Schule
1 In der Schule arbeiten heißt: Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben. Das bedeutet zum einen, vorhandene Fähigkeiten zu erweitern, zum anderen, noch nicht vorhandene zu erwerben; es heißt in jedem Fall: sich ändern.
2 Dies erreicht man nur, wenn man selbständig [= selbstständig] und regelmäßig arbeitet; wenn man übt; wenn man eigene Lösungen überarbeitet; wenn man wirklich selber arbeiten will. Der Lehrer sollte einem dabei helfen.
3 Wer etwas nicht versteht, soll fragen. Einen Fehler zu machen ist nicht schlimm, wenn er auf eigenem Nachdenken beruht – er zeigt nur, wie jemand denkt. Wer Unterricht versäumt, muss den Stoff selbständig [selbstständig] nacharbeiten (einschließlich der Hausaufgaben).
4 Nicht der Lehrer oder das Buch hat Recht, sondern das bessere Argument zählt allein. Wir suchen gemeinsam die Lösung der Probleme, die im Unterricht anstehen. Niemand wird ausgelacht, wenn er Fehler macht oder Eigenheiten aufweist.
5 Die Vorstellung, man könne kurz vor der Klassenarbeit noch schnell „Kenntnisse erwerben“, ist deshalb falsch, weil man erfolgreich nur über längere Zeiträume lernt. Das steht in vielen Bücher über die richtige Arbeitsweise.
6 Grundsätzlich soll man alles, was man schreibt, datieren und mit einer Überschrift versehen; stets die Aufgabenstellung aufschreiben; Hausaufgaben ausformulieren und nicht stichwortartig anfertigen; einen breiten Rand für Korrekturen lassen.
7 Wer Hausaufgaben beim besten Willen nicht anfertigen konnte, soll es sagen – nicht die Eltern einspannen oder abschreiben! Man sollte sich angewöhnt haben, ein Wörterbuch zu benutzen; im Fach Deutsch darf es in Klassenarbeiten benutzt werden.
8 Wenn ein neuer Fachlehrer eine Klasse übernimmt, liegt eine neue Lernsituation vor; das heißt, dass die Leistungen eines Schülers anders sein können als bisher; normal wäre es, wenn einige Schüler besser und einige schlechter als bisher würden.
9 Die Leistung eines Schülers zu bewerten ist nicht einfach. Soll seine Leistung einfach mit der der anderen oder einer allgemeinen Norm verglichen werden? Oder soll der Lehrer nur die Fortschritte bewerten, den der jeweilige Schüler gemacht hat?
10 Auch geht die Leistung der ganzen Klasse immer in die Noten ein. In einer guten Klasse fallen gute Leistungen nicht weiter auf; aber unter Blinden ist der Einäugige König, wie es im Sprichwort heißt.
11 Doch selbst im Fach Deutsch ist die Beurteilung nicht so subjektiv, wie man oft meint; denn derselbe Lehrer, der unterrichtet, stellt auch die Aufgaben und bewertet die Ergebnisse (einmal unterstellt, er plane seinen Unterricht).
12 Einige Grundsätze sollten den Umgang miteinander bestimmen: Jeder hat prinzipiell ein Recht auf Respekt, Schüler wie Lehrer; als Schüler kann man also darum bitten, an einem Tag einmal in Ruhe gelassen zu werden, und als Lehrer auch.
13 Wenn man ermahnt wird, soll man nicht palavern, sondern sich entschuldigen. Ermahnungen gelten dann nicht nur für den einen, dessen Name (zufällig) genannt wird; auch stellen sie keinen Vorwurf dar, sondern eine Bitte um Aufmerksamkeit.
14 Wenn wir miteinander Probleme haben, sollten wir sie auch miteinander lösen. Das geht leichter, wenn man sich gegenseitig ruhig anspricht und vielleicht um einen Termin für ein Gespräch bittet: „Wann kann ich Sie einmal sprechen?“
15 Wenn das nicht klappt, solltet ihr zum Klassenlehrer gehen, danach zum Vertrauenslehrer; vielleicht könnte man zu diesem Zeitpunkt auch ein offenes Gespräch in der Klasse führen. Danach erst sollte man die Eltern vorschicken.
16 Anderseits hat ein Lehrer das Recht, die Eltern anzurufen oder anzuschreiben, wenn Gespräche mit euch und dem Klassenlehrer nichts nützen; statt des Vertrauenslehrers gibt es für ihn noch die Klassenkonferenz und wie für euch die Instanz des Schulleiters.
Erwachsen werden
1 Wann ist man erwachsen? Wenn man es ganz wörtlich nimmt, ist man erwachsen, wenn man ausgewachsen ist. Aber dazu gehört mehr, als dass der Körper an Länge nicht mehr zunimmt – doch worin genau besteht dieses Mehr?
2 Mit 12 Jahren darf man im Auto vorne sitzen und im Kino auch einmal einen Krimi sehen; mit 14 Jahren ist man religionsmündig und strafrechtlich bedingt verantwortlich. Dem Jugendlichen wird also Einsicht in das, was er will und tut, zugetraut.
3 Ab 16 muss jeder einen Personalausweis besitzen; man kann ein Testament machen, vor Gericht unter Eid aussagen und aus wichtigen Gründen seinen Namen ändern. Vor allem aber darf man tanzen gehen, rauchen und Alkohol trinken – außer Branntwein.
4 Mit 18 ist man volljährig, sozusagen erwachsen: Man bekommt das Wahlrecht, kann Geschäfte abschließen und heiraten; für die jungen Männer begann früher die Wehrpflicht. Doch auch das Erwachsensein kann noch gesteigert werden.
5 Erst ab 24 kann man den Meistertitel in einem Handwerk führen und selber Lehrlinge ausbilden, ab 27 kann man Beamter auf Lebenszeit werden, ab 40 Bundespräsident; weil das nur wenige wollen, ist dieser Einschnitt aber nicht so wichtig.
6 Wenn man nicht länger ein Kind sein will, denkt man, die Erwachsenen hätten viele Vorrechte; sie brauchten sich nichts mehr sagen zu lassen und hätten es nicht nötig, sich Ausreden und Notlügen auszudenken, wenn sie abends länger ausgehen wollen.
7 Das stimmt so aber nur zum Teil; denn einerseits sagt einem vielleicht der Lebenspartner, was er erwartet, zum anderen muss man sich alles selber sagen: „Denke an den Arzttermin, kaufe noch Brot ein, steh‘ morgen zeitig auf!“
8 Am einfachsten wäre es natürlich, wenn man alle Rechte von Erwachsenen hätte, ohne ihre Pflichten übernehmen zu müssen; wenn man Geld hätte, ohne zu arbeiten, wenn man eine eigene Wohnung besäße, ohne sie sauber halten zu müssen.
9 Viele junge Leute versuchen heute, im Hotel Mama als Halberwachsene zu leben; vielleicht überlegst du selber einmal, was für und was gegen eine solche Lebensweise spricht: Man gehört nirgendwo richtig hin, aber man ist auch ohne größere Verpflichtungen.
10 Wenn man erwachsen wird, muss man sich der Frage stellen: Was kann ich von den anderen erwarten und was können diese von mir erwarten, und zwar auf lange Sicht? Diese lange Sicht, ein umsichtiges und zielstrebiges Handeln macht den Erwachsenen aus.
11 Um das am Beispiel zu zeigen: Was kann ich von den anderen erwarten, wenn ich längere Zeit ernsthaft krank werde? Was billige ich einem anderen zu, wenn er keine Arbeit findet? Welche meiner Eigenheiten soll ein Partner auf Dauer ertragen?
12 Solche Fragen kann man verbindlich nur beantworten, wenn man sich selber gefunden hat beziehungsweise sich für eine Lebensform entschieden hat; sich selber suchen und mit Lebensformen experimentieren, das macht die Jugend aus.
13 Deshalb kann kein Erwachsener einem wirklich erklären, wie das Erwachsensein ist; richtig ausprobieren kann man es nicht, weil eine Probe nicht der Ernstfall ist. Jeder macht seine Erfahrungen und sucht den eigenen Weg.
14 In einer fiktiven Ansprache vor jungen Leuten sagt Erich Kästner: „Jeder Mensch gedenke immer seiner Kindheit!“ Er erklärt, was das heißt: „plötzlich und ohne langes Überlegen wieder wissen, was echt und falsch, was gut und böse ist.“
15 Erst wenn man erwachsen ist, versteht man diesen Rat Kästners ganz. Man hat dann viele Kompromisse gemacht; aus Rücksicht auf den Chef oder die Nachbarn hat man seinen Mund gehalten, und das war gut so – aber manchmal muss man ihn auch aufmachen.
Die Zeitstufen des Verbs
1 Um Verwirrung zu vermeiden, sollte man zunächst einige Begriffe klären. Der Ablauf der Zeit ist das, was man mit der Uhr messen kann; die drei Zeitstufen sind die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.
2 Die drei Zeitstufen gibt es immer nur mit Bezug auf jemand, der „jetzt“ etwas tut und sagt. In der deutschen Grammatik gibt es aber sechs Tempora oder Tempusformen; sie können also nicht einfach den drei Zeitstufen entsprechen.
3 Noch komplizierter wird es dadurch, dass jede einzelne Tempusform mehrere Bedeutungen haben kann; fangen wir mit dem Präsens an. Mit dem Präsens wird das bezeichnet, was gerade zum Zeitpunkt des Sprechens oder Schreibens geschieht.
4 Dabei darf man auch größere Zeiträume als gegenwärtig ansehen:
(a) Elsa ist seit acht Jahren meine Frau.
Auch was allgemein gilt, wird im Präsens ausgedrückt:
(b) Die Erde dreht sich um die Sonne.
5 Ebenso kann eine energische Aufforderung im Präsens stehen:
(c) Du gehst jetzt sofort ins Bett!
Mit einer entsprechenden Zeitangabe wird im Präsens auch Zukünftiges ausgesagt:
(d) Morgen fällt der Unterricht aus.
6 Schließlich wird das Präsens gebraucht, wenn man besonders lebhaft von etwas Vergangenem sprechen will:
(e) Ich ging in aller Seelenruhe durchs Dorf; plötzlich steht ein riesiger Wolfshund vor mir.
Man spricht hier vom historischen oder dramatischen Präsens.
7 Mit dem Präteritum drücken wir aus, dass etwas vergangen ist. Vor allem braucht man es, wenn man Vergangenes zusammenhängend erzählt oder berichtet. In der Alltagssprache werden einzelne vergangene Ereignisse auch im Perfekt wiedergegeben:
(f) Ich habe heute Morgen Brötchen gekauft.
8 Das Perfekt wird mit dem Partizip II und einer Form der Hilfsverben „sein“ oder „haben“ gebildet:
(g) Ich bin schon zum Bäcker gegangen und habe Brötchen gekauft.
Mit dem Perfekt wird signalisiert, dass ein Vorgang abgeschlossen ist.
9 Die vollendete Handlung steht aber im Bezug zur Gegenwart:
(h) Ich habe gute Mitarbeiter gefunden. (Deshalb klappt es gut.)
Im Zusammenhang zweier Sätze drückt das Perfekt die Vorzeitigkeit zu einer Präsensform aus:
(i) Ich sehe noch einmal nach, was Anna geschrieben hat.
10 Das Plusquamperfekt wird seltener gebraucht. Meistens drückt es die Vorzeitigkeit zu einer Präteritum-Form aus:
(j) Als ich die Arbeit abgeschlossen hatte, war ich erleichtert und ging zuerst einmal unter die Dusche.
11 Das Futur I wird mit dem Hilfsverb „werden“ und dem Infinitiv eines Verbs gebildet, um eine Erwartung auszusprechen oder etwas vorherzusagen:
(k) Die Kinder werden sich im Gebirge gut erholen.
Eine feste Zusicherung kann gleichfalls im Futur I stehen:
(l) Dem werde ich etwas anderes sagen!
12 Das Futur II wird mit dem Hilfsverb „werden“ und dem Infinitiv Perfekt eines Verbs gebildet; mit ihm wird eine Vermutung über etwas Vergangenes ausgedrückt:
(m) Er wird wohl nach Haus gegangen sein.
13 Um die Vorzeitigkeit zu etwas Künftigem zu bezeichnen, wird normalerweise das Perfekt gebraucht:
(n) Ich werde dich anrufen, wenn ich die Unterlagen noch einmal geprüft habe (statt: geprüft haben werde).
14 Man könnte die Untersuchung des Tempusgebrauchs noch genauer betreiben. Neben dem Bezug auf die Zeitstufe drücken die Tempora aus, wie energisch jemand etwas meint oder wie sicher der Sprecher bei einer Aussage ist; sie modifizieren einen Satz.
(Dieses Diktat resp. die Behandlung der Tempusformen ist nicht an Klasse 7 gebunden!)