Harald Weinrich: Linguistik der Lüge – Zusammenfassung

Harald Weinrich ist am 26. Februar 2022 gestorben. Im Nachruf der SZ wurde die „Linguistik der Lüge“ hervorgehoben; aus diesem Grund hatte ich beschlossen, sie endlich einmal zu Ende zu lesen.

Augustins Definition der Lüge ist der Ausgangspunkt: mendacium est enuntiatio cum voluntate falsum enuntiandi. Diese Definition schließt wegen des Rückgriffs auf den Willen eine linguistische Behandlung der Lüge aus.

Zur Semantik der Wörter: Die Bedeutung eines Wortes ist weit, vage, sozial bedingt und abstrakt. Die Meinung eines Sprechers ist dagegen eng umgrenzt, präzise, individuell und konkret. „Bedeutung – Meinung“ sind die Grundbegriffe der Semantik. Der Satz ist die Brücke von der variablen Bedeutung zur Meinung, in ihm erfolgt die Determination zum Sinn. Deshalb sind Sätze/Texte immer übersetzbar, auch wenn es nicht für jedes Wort ein genaues Pendant in einer anderen Spreche gibt.

Über das Verhältnis von Wörter – Sachen, Wörter – Begriffe; Wörter sind nicht defizitär gegenüber Begriffen, weil/wenn sie in Texten stehen. Auch Begriffe entstehen in Sätzen (Definitionen), haben also einen Kontext, aber stehen eo ipso nicht in einer Situation.

Wörter, mit denen viel gelogen worden ist, werden verlogen [fragwürdig!]; erst in einem minimalen Kontext können Wörter lügen, z.B. „Boden“ in „Blut und Boden“. Auch Begriffe können lügen, z.B. „Volksdemokratie“ [ebenfalls fragwürdig!].

Zum gelogenen Satz eines Sprechers gehört ein von ihm gedachter wahrer Satz [fragwürdig]. Duplex oratio ist Signum der Lüge. [Der Rekurs auf das Verhältnis Gedachtes – Gesagtes ist fragwürdig; ich halte es für richtig, dass in der Lüge bewusst die Unwahrheit gesagt wird: Rekurs auf einen behaupteten Sachverhalt!]

Mit der Metapher ist eine Täuschung verbunden (Spannung zum Wortfeld), aber keine Lüge. Es wird eine Erwartung enttäuscht; ein Wort ist eine Erwartungsanweisung.

Das definite Verb mit seinen Morphemen macht den Satz, bezieht ihn auf die Sprechsituation. Das Verb enthält ein Assertionsmorphem (Ja/Nein). Person, Tempus und Determination sind die wesentlichen Merkmale des finiten Verbs. Die Logik entsorgt das Tempus zugunsten eines Präsens des immer Gültigen. Bloomfields und Gadamers Theorien – Gadamer bringt mit der Basis „Frage → Antwort (→ Frage → Antwort…)“ die Determination Ja/Nein in die Sprechsituation. Eine Frage enthält gegenüber der Antwort eine partielle Information; die Antwort ergänzt sie, mindestens durch ein Ja/Nein. In einem Satz werden die Bedeutung vollständig auf die Sprechsituation bezogen. – Von hier aus kommt Weinrich zu einer Syntax der Lüge: Die Lüge ist auf ein Ja/Nein bezogen; Beispiel: Hitlers Rede 1938.

In der Ironie bilden Wahrheit und Lüge keinen Gegensatz. Seit Sokrates gibt es die Ironiesignale; das sind sprachliche Zeichen, zumindest im Tonfall des Sprechens – man kann sie aber überhören. Ein gedachter Dritter hört das Gemeinte [?]. Selbstironie ist die reinste Form der Ironie.

Lügen die Dichter? Es gibt eine europäische Lügendichtung, die von Lügensignalen durchsetzt ist. Die Lügenrede und die Signale heben einander auf; eines der beliebten Signale ist die Wahrheitsbeteuerung, sind genaueste Angaben und Augenzeugenschaft usw. Platons Diktum von den lügenden Dichtern wird abgelehnt.

Ich habe in eckigen Klammern vermerkt, wo ich Weinrichs Ausführungen für fragwürdig halte. Weinrich selber hat sich in einer Buchbesprechung ein wenig von der „Linguistik der Lüge“ distanziert.

https://www.sueddeutsche.de/kultur/harald-weinrich-nachruf-literatur-linguistik-college-de-france-1.5540025 (Nachruf SZ)

https://www.welt.de/kultur/article237249931/Nachruf-auf-Harald-Weinrich-Schwarze-Milch-ist-keine-Luege.html (Nachruf Welt)

https://www.scielo.br/j/pg/a/fYYFNGQgGFSqRv4mZWVGtSb/?lang=de&format=pdf (Gespräch mit Weinrich)

https://api.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/12b0b5af-963b-464c-946d-4dceb4b56d0c.pdf (Sprachwissenschaft und Ideologiekritik)

Symbol und Motiv in Kurzgeschichten

Es gilt als Grundsatz, dass in Kurzgeschichten der Erzähler sich mit Erklärungen und seiner Bewertung des Geschehens zurückhält und dass der Leser die Bedeutung des Geschehens anhand von (Metaphern,) Symbolen oder Leitmotiven erschließen muss. Nun besteht das Problem natürlich darin, dass es im Text an den Wörtern keine Kärtchen gibt, auf denen „Metapher“, „Symbol“ oder „Leitmotiv“ stände – dass so etwas vorliegt, muss man als Leser selber sehen oder spüren.

Dabei besteht dann die Gefahr, dass man auf der Suche nach Symbolen oder Motiven zu spinnen beginnt und in jeder Einzelheit eine tiefere Bedeutung zu finden vermeint. Ich habe das exemplarisch für Bölls Erzählung „Wanderer, kommst du nach Spa…“ nachgewiesen (https://norberto42.wordpress.com/2009/09/01/boo-wanderer-kommst-du-nach-spa-analyse/), wo sogar der grünen Wandfarbe eine Hoffnungsbedeutung zuerkannt wurde (siehe am Ende meiner Analyse). Nein, „Bedeutung“ muss in das Ganze des erzählten Geschehens passen und darf nicht isolierten Einzelheiten angehängt werden.

Ich möchte an einigen Beispielen zeigen, wie sich solche „tiefere“ Bedeutung im/aus dem Kontext ergibt:

  1. In Borcherts Kurzgeschichte „Das Brot“ begegnen sich die Eheleute „im Hemd“ in der Küche und damit im Licht; dreimal wird „im Hemd“ vom Erzähler erwähnt, was zeigt, dass er darauf Wert legt: Beide erkennen im Licht, wie alt der Partner „im Hemd“ wirklich ist; wenn man im Hemd vor dem anderen steht, kann man nichts mehr durch Kleidung und Frisur beschönigen, dann zeigt sich die Wahrheit des Menschen. – „Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen langsam an ihr hochkroch.“ Diese Kälte ist m.E. nicht nur eine Kälte der Fliesen, sondern auch eine Kälte in der Beziehung der Eheleute, als die Frau entdeckt, dass ihr Mann sie belügt. Der erklärende Satz folgt unmittelbar auf die zweite Erwähnung der kalten Fliesen: „Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht ertragen konnte, dass er log.“ Mit seinem Lügen stellt er die Liebe in Frage; das spürt sie als Kälte, die an ihr emporkriecht. – Für das Verhältnis von Wahrheit und Lüge steht in dieser Erzählung symbolisch vermutlich auch das Licht, das die Frau in der Küche anmacht und schließlich ausmacht, um nicht nach dem Teller – dem Beweis des Lügens – sehen zu müssen. Auch am nächsten Abend, als sie ihrem Mann vier statt der üblichen drei Scheiben Brot anbietet und selber dafür lügt, sie könne das Brot nicht vertragen, rückt sie zuerst von der Lampe weg (damit er nicht ihr Gesicht sieht) und kehrt erst nach einer Weile unter die Lampe zurück; dass dies erwähnt wird, fällt im Zusammenhang von Licht-Dunkel und Wahrheit-Lüge auf. „Licht“ und „im Hemd stehen“ sind dieser Erzählung also Symbole.
  2. In Schnurres Erzählung „Jenö war mein Freund“ ist die Igeljagd und das Braten der Igel am offenen Feuer ein Leitmotiv; es steht für das naturnahe „wilde“ Leben der Zigeuner, von dem der Ich-Erzähler als Junge fasziniert war: „Jenö war mein Freund.“
  3. In Brambachs Erzählung „Känsterle“ hat vielleicht das trübe Licht auf dem Dachboden symbolische Bedeutung: In dieses Trübe wird Herr Känsterle von seiner Frau hineingezwungen, durch das ihm aufgezwungene Amt des Nikolaus. Ob man dem das Glitzern in den Augen Herrn Hansmanns entgegenstellen darf? Vielleicht ist das Glitzern nur das Zeichen des Verstehens und des Einverständnisses, das sich ja auch aus seiner Frage ergibt: „Mein lieber Känsterle, ist das alles?“ Sicher scheint mir der letzte Satz der Erzählung sowohl eine gegenständliche wie auch eine symbolische Bedeutung zu haben: „Ein kalter Wind zieht durch die Stube.“ Die Fenster sind zertrümmert, es zieht durch sie. Aber auch die von Frau Känsterle erbaute und zerstörte heile Familienwelt liegt in Trümmern, weil ihr Mann den Terror der Hausfrau nicht mehr ertragen konnte und zugeschlagen hat. Da weht jetzt auch nur noch ein kalter Wind.

Fazit: In den drei Beispielen haben wir Motive (im Hemd stehen, die Igel) und Symbole (Licht, Kälte, kalter Wind) gefunden, wobei „im Hemd“ auch zu den Symbolen gezählt werden kann. Eine Metapher haben wir bisher nicht gefunden – allerdings ist die Abgrenzung der Metapher vom Symbol auch nicht immer einfach. Vielleicht haben Metaphern aber auch eine zu geringe Reichweite, als dass sie die Bedeutung einer ganzen Erzählung tragen könnten.

Metapher: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/metapher

Symbol: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/symbol

Motiv (Literatur): https://de.wikipedia.org/wiki/Motiv_(Literatur)

Als Leitmotiv bezeichnet man in der Literatur

  • eine einprägsame und im gleichen Wortlaut wiederkehrende Aussage
  • oder eine thematische Einheit,

die der Gliederung des Erzählten und oft der Repräsentation der Handlung bzw. der Entwicklung der Protagonisten eines literarischen Werkes dient.

Ein Beispiel in der Literatur für die Technik des Leitmotivs stellen die Zahnprobleme der Protagonisten als wiederkehrendes Symbol für den Verfall der Familie Buddenbrook im gleichnamigen Roman von Thomas Mann dar. (https://de.wikipedia.org/wiki/Leitmotiv)

Van der Steenhoven unterscheidet „situationelle“ und „textliche“ Leitmotive. Textliche Leitmotive wiederholen Wörter oder größere Texteinheiten, situationelle Leitmotive dagegen Handlungen oder Situationen. […] Ein Beispiel für ein textliches Leitmotiv wäre die Wiederholung der Wendung „Ein weites Feld“ in Theodor Fontanes Roman Effi Briest. […] Zum Begriff des Motivs und der Motivgleichheit siehe hier!

 

Alte Redewendungen – heutige und ursprüngliche Bedeutung

Böses im ________________ führen

sich aus dem _________________ machen

______________ im Sattel sitzen

jemanden im _________________ lassen

die _________________ aufheben

für jemanden eine _________________ brechen

sich aufs hohe _______________ setzen

jemanden in ___________________ bringen

sich die ___________________ verdienen

mit offenem __________________ kämpfen

für jemanden in die ____________________ springen

jemand in die ________________________ weisen

sich für eine Reise ____________________

jemand aus dem _____________________ heben

Das ist ______________- und stichfest.

Du findest hier 15 sprachliche Wendungen, deren Ursprung in der Ritterzeit liegt. Ursprünglich waren sie wörtlich gemeint, heute werden sie nur im übertragenen Sinn gebraucht. Aufgabenstellung:

  1. Setze die folgenden Silben so zusammen, dass sie als Wörter in die Lücken passen (achte auf erforderliche Großschreibung): bre, che, de, fel, fest, har, hieb, ken, lan, nisch, ren, ross, rüs, sat, schil, schran, sier, spo, staub, stich, ta, tel, ten, vi, ze.
  2. Erkläre die heutige Bedeutung der Redewendungen.
  3. Erkläre, was die Redewendungen ursprünglich bedeutet haben (greife evtl. auf ein etymologisches, historisches oder allgemeines Wörterbuch zurück!).

Ulla Hahn: Angeschaut, didaktische Erwägungen

Schönen guten Tag, Herr Tholen,

ich störe Ihren „Ruhestand“ nur ungern.
Aber zu einem Gedicht von Ulla Hahn „Angeschaut“:

Du hast mich angeschaut jetzt
hab ich plötzlich zwei Augen mindestens
einen Mund die schönste Nase
mitten im Gesicht.

Du hast mich angefaßt jetzt
wächst mir Engelsfell wo
du mich beschwertest.

Du hast mich geküßt jetzt
fliegen mir die gebratenen
Tauben Rebhühner und Kapaunen
nur so ausm Maul ach
und du tatest dich gütlich.

Du hast mich vergessen jetzt
steh ich da
frag ich was
fang ich allein
mit all dem Plunder an?

habe ich eine Frage.
Haben Sie eine Ahnung, was ein „Engelsfell“ (V. 6) ist ? Ich jedenfalls
habe das Wort trotz längerer Suche nicht gefunden.

Sie sind meine letzte Rettung !

freundlich grüßend, N.N.

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Lieber Herr N.N.,
es handelt sich zweifellos um eine (neue) Metapher, auch einen Neologismus; zu verstehen ist das Wort in der Analogie zum schönsten Mund und den gebratenen Tauben (Schlaraffenland, Märchen): Alles sind neue Attribute des Ichs, die aus dem Anblick durch den Engel entstanden sind.
Der Ort, wo der Engel auf dem Ich „gesessen“ (beschwertest) oder was auch immer getan hat, ist zum Engelsfell geworden, zur Engelshaut, zu einer ganz besonderen Haut.
Leuchtet das ein?

Viele Grüße, Norbert Tholen

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Schönen guten Abend, Herr Tholen,

vielen Dank für Ihre instruktive Antwort.
Es hat mich etwas (sehr) beruhigt, dass Sie als „Wörterbuchprofi“ auch keine Belegstelle für das Wort „Engelsfell“ gefunden haben.
Auf die Idee mit „gesessen“ bin ich nicht gekommen.
Ich dachte schon an:
„wo / du mich beschwertest“ (Z. 7)
Schwert = Penis (vgl. E. Bornemann: Sex im Volksmund)

Insgesamt finde ich das Gedicht überdeterminiert und sehr anspielungsreich (u.a.  Schlaraffenland, dann „ach“ (-> Goethe, Schiller, Kleist) und auch zu dem „merkwürdigen“ Präteritum im zwölften Vers (s. Anhang) habe ich keine richtige Idee.

Was halten Sie von der Idee meiner jungen KollegInnen, über dieses Gedicht in den Grundkursen der EF (wir müssen an der Schule, an der ich arbeite in den Parallelkursen dieselbe Klausur schreiben lassen) die Lyrikklausur schreiben zu lassen? ich bin etwas ratlos…

einen schönen Abend wünscht Ihnen

N.N.

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Lieber Herr N.N.,

das Präteritum macht mir keine Sorgen, es ist gleich/ähnlich dem Perfekt vorher; der Witz ist vielmehr, dass der verdammte Engel sich selber gütlich tat = die schönen Sachen aufgegessen hat.
Frage ist, ob die schönen Sachen noch immer aus dem Mund fliegen – dann könnte das Ich sie essen; von den anderen Sachen (= Plunder): schönste Nase usw., hat es jedenfalls nichts.
Fazit: Von einem Engel angeschaut werden bringt einem auch nichts.

Ohne Vorbereitung kann man das Gedicht Schülern nicht vorsetzen – zumindest „die Begegnung mit dem Engel“ müsste durch andere Gedichte vorbereitet werden, sonst verstehen die Kinder nur Bahnhof. Das Gedicht steht ja ironisch in einer langen Tradition religiösen und nachreligiösen Sprechens, die Tradition muss also in einigen Wegmarken erforscht werden. – Unter den Stichworten „Engel Gedicht“ finden Sie in der Suchmaschine genügend Engelsgedichte.

Viele Grüße, Norbert Tholen

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Lieber Herr Tholen,

vielen Dank für Ihre sehr schnelle Antwort!
Da sind wir schon zwei.
Leider wird das mir (und den Schülern) nicht helfen. Sie werden über das Gedicht schreiben lassen (Gründe zählen nichts mehr).

nochmals vielen Dank für Ihre Unterstützung

N.N.

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P.S.

Vielleicht sollte man vom jeweils ersten Vers der vier Strophen (also vom Aufbau) ausgehen, dann erschließt sich das Gedicht als ein anklagender Rückblick, Zeugnis einer gescheiterten Liebe.

http://www.lyrikschadchen.de/html/hahn.html (besser als die folgende, aber immer noch nicht wirklich gut: Auch hier ist die kommunikative Situation nur intuitiv-unsauber erfasst: Nicht „Sie haben sich geküsst“, sondern „Du hast mich geküsst“!)

http://www.diesterweg.cidsnet.de/conpresso/_data/Interpretation_Ulla_Hahn__Angeschaut.doc (schwerer methodischer Fehler: Das Perfekt wird nicht wahrgenommen; Esma hat nicht verstanden, dass es sich um den Rückblick auf eine gescheiterte Liebe [kommunikative Situation: Wer spricht zu wem worüber in welcher Situation?] handelt, deshalb ist auch das „jetzt“ nicht verstanden – eine schülerhafte, also bloß am Inhalt orientierte Analyse, eher eine Paraphrase!)

http://www.e-hausaufgaben.de/Thema-99089-Du-hast-mich-angeschaut.php

In Meck-pomm stand das Gedicht im Jahr 2000 im D-Grundkurs zur Wahl (Gedichtvergleich).


Falls Sie meinem Vorschlag folgen, würde mich interessieren, welche Gedichte Sie gewählt haben und wie die Klausur ausgefallen ist.
N.T.

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Schönen guten Tag, Herr Tholen,

ich hätte mich eher an Sie wenden sollen, denn auf Ihre Idee (mit den Engelgedichten) war ich vorher nicht gekommen.
Jetzt ist es zu spät – es gibt keine Stunde mehr vor der Klausur… und meine Interventionsversuche waren – wie gesagt – erfolglos

freundlich grüßend

N.N.

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Nachbesinnung

Bei der Lösung von Schachproblemen habe ich die Erfahrung gemacht, dass man gelegentlich scheitert, weil man die falsche Fragestellung an die Stellung heranträgt, etwa „Wie kann ich matt setzen?“, wenn es richtig wäre zu fragen „Wie kriege ich den Freibauern durch?“ (oder umgekehrt). Dabei sind alle Figuren deutlich zu sehen – aber es kommt auf ihr Zusammenspiel an, das man verstehen muss, um die richtige Frage (nach der optimalen Variation der Figurenstellung) zu finden.

So ähnlich ist es mir mit der Frage nach dem Engelsfell, die zudem mit einem großen Lob verbunden war, ergangen: Ich habe zu stark auf das Engelsfell und die anderen Attribute des Ichs gestarrt, statt gemäß meiner elementarsten Einsicht den Aufbau des Textes zu beachten (Eingangsverse der vier Strophen: Du hast mich angeschaut, Du hast mich angefaßt, Du hast mich geküßt, Du hast mich vergessen). Dann hätte man auf den ersten Blick gesehen, dass „Engel“ hier das gängige Kosewort (abgeblasste Metapher) für eine verehrte Frau ist, dann hätte ich mir den Exkurs in die nachreligiöse Dichtung erspart.

Was ich weiter unterschätzt habe, ist das Grundwort „-fell“, was man normalerweise nur Tieren zuspricht, nicht Engeln. Dieses abwertende Grundwort „Fell“ gehört in die Serie ironischer Zuschreibungen „zwei Augen mindestens […] die schönste Nase mitten im Gesicht [wo dennn sonst!?]“ usw. „Engelsfell“ ist also Indiz dafür, dass die anfängliche Begeisterung des Mannes („mein Engel“) verflogen ist, dass die zärtlich berührte Haut dem Berührer jetzt nur noch „Fell“ ist (nach Auffassung der berührten Sprecherin). Im Wort „Engelsfell“ sind also zwei Zeiten bzw. zwei unterschiedliche Sichtweisen des einst liebenden Mannes und der jetzt enttäuschten Frau verbunden oder vermengt – ziemlich kompliziert, nicht wahr? Aber wir brauchen nicht Ulla Hahn zu fragen, was das Wort bedeutet; das kriegen wir selber heraus, wenn’s auch ein wenig gedauert hat.

P.S. Vgl. jetzt https://norberto42.wordpress.com/2016/01/13/ulla-hahn-angeschaut-analyse/

Sprachbilder – Metaphorik: Links

Bildhafte Sprache, bildhaft sprechen, sprachliche Bilder, Sprachbilder; Metapher, Metaphorik
Wenn man im Internet unter diesen Stichwörtern der Frage der Bildhaftigkeit nachgeht, stößt man auf folgende brauchbare Links:
http://www.uni-essen.de/buenting/04Bildhafte%20Sprache.html – das ist ein Manuskript einer gut verständlichen Vorlesung Professor Büntings (Man wird nicht direkt hingeleitet, sondern muss unter „Praktische Stilistik“ suchen!)
https://www.uni-due.de/buenting/ – das ist die Übersicht über alle Vorlesungen Büntings
http://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/interpretation/index_3.htm (vereinfachter Aufsatz über Bildlichkeit, mit Beispielen)
https://de.wikipedia.org/wiki/Metapher (Artikel „Metapher“)
http://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Uneigentliche_Bilder („uneigentliche Bilder“)
http://www-user.uni-bremen.de/~schoenke/metagloss/mgl.html (Glossar zur Metapherntheorie)
http://www.rhetorik-seminar-online.com/metaphern-beispiele-metaphern-datenbank/ (sehr umfangreiche Sammlung Matthias Pöhms, der offenbar auch Seminare für Manager o.ä. durchführt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Bildhafte_Figur (vollständige Liste, erfordert Eigenarbeit!)
http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-5681/05Theorie.pdf (Metapherntheorie)
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/rt/printerFriendly/621/1345 (Metapherntheorie)
http://www.fachdidaktik-einecke.de/9a_meth-sprachreflexion/metaphern_sprachbilder.htm (pure Erklärung der Bild-Konstitution)
http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2010/598/pdf/Schieder_13102006.pdf (Diss: Metaphern zur Staatlichkeit)
http://metaphorik.de/ (Zeitschrift, viele Artikel!)
https://www.uni-siegen.de/uni/publikationen/extrakte/ausgaben/200906/pdf/extrakte_nr6.pdf (Metaphern: Welterschließung)
http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Sprachbild (Sammlung von Sprachbildern)
http://www.online-marketing-txt.de/html/bildhaft.html (hier sieht man, wozu Bildlichkeit gut ist: selber texten)
http://www.bruehlmeier.info/sprachlicher_vortrag.htm (wozu Bildlichkeit gut ist: Vortrag des Lehrers)
http://www.metaphorik.de/sites/www.metaphorik.de/files/article/gansen-metaphern-ratgeberliteratur.pdf (Metaphern in Ratgeber-Literatur)

Sozialwissenschaft:
http://www.hs-zigr.de/~schmitt/ghwgmeta/grabovsk.htm (Metaphernanalyse nach Lakoff und Johnson)
http://www.qualitative-research.net/fqs/beirat/schmitt-1-d.htm (Fragmente eines kommentierten Lexikons der Alltagspsychologie)
http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-03/2-03schmitt-d.htm (Methode und Subjektivität in der Systematischen Metaphernanalyse

Im Blog also42 gibt es eine Kategorie „Bilderwelt“, u.a. mit Analysen zu einzelnen Metaphern: https://also42.wordpress.com/category/bilderwelt/

08/2015

Wortbedeutung

Die Lehre von der Wortbedeutung (Semantik) wird hier theoretisch sowie vor allem in einer Reihe von Arbeitsblättern (Beispiele!) entfaltet (Unterrichtsreihe). Sie ist etwa für die Klasse 7 konzipiert; hier wird ein differenzierter Sprachgebrauch eingeübt – ein Vorübung auch fürs Analysieren und Argumentieren:

Zur Lehre von der Wortbedeutung

Weinrich: Semantik der Metapher

H. Weinrich: Semantik der Metapher (altes TTS, S. 371 f.), Kurzfassung:

1. Der Bedeutungsumfang eines Wortes ist normalerweise weit. (Wörter bezeichnen Klassen von…, sie sind keine Namen für einzelne Dinge.)
[Halber Einwand: Es gibt Prototypen von…; so ist z.B. für viele Deutsche eine Meise oder eine Amsel das, was man sich bei „ein Vogel“ vorstellt; trotzdem ist „Vogel“ kein Name eines Vogels, sondern bezeichnet die Klasse der Vögel oder eben der Amseln.]
2. Wörter determinieren einander (im Satz, im Text) und reduzieren dadurch ihren Bedeutungsumfang.
* determinatio est negatio.
3. Eine Metapher ist immer ein Stück Text; Beispiel dafür ist „Windrose“: Wind -> Rose.
[Einwand: Das ist nur für neue Metaphern richtig; „Windrose“ ist längst ein Wort geworden, steht im Wörterbuch!]
* Der ganze Satz (bzw. der Satz) ist Metapher, nicht ein Wort (Bsp.: „In ihrem Seelchen wuchsen Mimosen“).
4.Die Bedeutung eines Wortes ist eine (durch den Sprachgebrauch bekannte) Determinationserwartung; durch die Determination wird die Erwartung eingeschränkt (und so bestätigt).
* In einer (neuen) Metapher wird die Erwartung nicht erfüllt (Konterdetermination), d.h. man muss sie aus dem Kontext erschließen.

Auswertung für das Verstehen:
Bedeutung gibt es nur im Kontext (Prinzip, den Kontext zu beachten).
Bedeutung wird überprüft durch eine Ersatzprobe bzw. durch Suche des Antonyms.
Bei einem Gedicht sucht man nur die Bedeutung der Worte, aber keinen „tieferen Sinn“!

Nicht nur Schüler lieben den „tiefen“ Sinn, auch die Autoren von Analysen sind nicht gegen das Spinnen gefeit. So habe ich im Zusammenhang mit Celans „Todesfuge“ die Vermutung gefunden, „Fuge“ spiele auch auf lat. fuga, die Flucht, an (P. H. Neumann, in: Geschichte im Gedicht, es 721, S. 233); und der wirklich belesene Dieter Hoffmann sieht in den Rüden des Aufsehers und in ihrem Herrn mythische Größen (Arbeitsbuch Deutschsprachige Lyrik seit 1945, 1998). Aber ein Fuge ist schlicht ein Musikstück und ein Rüde ein Hetzhund, wie man in einem guten Wörterbuch lesen kann (Bünting; Paul) – das genügt, um die Wörter zu verstehen; tiefsinnig zu fabulieren ist nicht erforderlich.
Jan Knopf hat in seinem alten Brecht-Handbuch (Lyrik, Prosa, Schriften, 1984) Jürgen Link nachgewiesen, dass er bei der Auslegung von Brechts Gedicht „Der Rauch“ gesponnen hat (S. 193 ff.): „Während das Gedicht die Elemente in Zusammenhänge stellt und sie so bewußt macht, reißt die symbolische Deutung diese Zusammenhänge auseinander und kommt so zu beliebigen Ergebnissen.“ (S. 196) Recht hat er – und wenn Link das assoziative Verfahren (Was fällt mir dazu ein?) jetzt „Konnotation“ nennt und sich auf Gesellschaftliches bezieht, wird sein Spinnen „modern“, bleibt jedoch Spinnen.

Ersatzprobe / Bedeutung

Wenn man in einem Satz ein Wort durch ein anderes oder eine Wendung durch eine andere ersetzt, um damit etwas herauszufinden, macht man eine Ersatzprobe.
Ersatzproben kann man zu den verschiedensten Zwecken benutzen. Wir haben sie im Zusammenhang mit der Untersuchung der Modalität genutzt, um die Bedeutung von Modalverben zu ermitteln; denn wie du weißt, kann ein und dasselbe Modalverb verschiedene Bedeutungen annehmen, je nach der Situation, in der es verwendet wird, und dem Tonfall, in dem man spricht. Ich zeige das an einem Beispiel:
(1) Die Mutter sagt zu ihrer Tochter: „Du darfst heute bis 22 Uhr ausgehen.“
(2) Bei einer Radarkontrolle sagt ein Polizist zu einem Kollegen, als sie in Waat ein Auto mit 93 km/h geblitzt haben: „Wie der rast, – das darf doch nicht wahr sein!“
Wenn man die Bedeutung des Modalverbs „dürfen“ jeweils ermitteln will, muss man es durch eine gleichbedeutende Wendung ersetzen, also eine Ersatzprobe machen:
(1‘) Die Mutter sagt zu ihrer Tochter: „Ich erlaube dir, heute bis 22 Uhr auszugehen.“
(2‘) Bei einer Radarkontrolle sagt ein Polizist zu einem Kollegen, als sie in Waat ein Auto mit 93 km/h geblitzt haben: „Wie der rast, – das ist wirklich unverschämt!“ Du siehst: Der „Ersatz“ ist kursiv geschrieben; in (1`) ist noch zum Infinitiv „zu“ hinzugefügt in (2) ist nicht nur das Verb „dürfen“ ausgetauscht worden, sondern eine ganze Wendung – „darf doch nicht wahr sein“ ist offensichtlich eine feste Redewendung, die als ganze ersetzt werden muss. In (1) muss auch das Subjekt „du“ mitverändert werden – ahnst du, warum das so ist?
Um die ganze Sache noch einmal am Beispiel des Verbs „drohen“ durchzuspielen, das eine „normale“ wie auch eine modifizierende Bedeutung annehmen kann:
(3) Die Eltern drohten, sie würden dem Kind kein Taschengeld geben, wenn es nicht sein Zimmer aufräumte.
(3‘) Die Eltern kündigten an, sie würden dem Kind zur Strafe kein Taschengeld geben, wenn es nicht sein Zimmer aufräumte.
Hier bedeutet „drohen“ so viel wie „eine Strafe ankündigen“, falls etwas von dem Bedrohten nicht getan wird.
(4) Das Haus droht in Kürze einzustürzen.
(4‘) Es besteht die Gefahr, dass das Haus in Kürze einstürzt.
Du siehst hoffentlich, dass hier aus dem „drohen“ der neue Hauptsatz geworden ist, dem der alte Infinitiv + „zu“ als dass-Satz mit dem alten Subjekt folgt. „Es besteht die Gefahr“: Damit schätzt der Sprecher die Situation oder den Zustand des Hauses ein; deshalb ist hier „drohen“ als ein modifizierendes Verb anzusehen. Eigentümlich ist hier auch, dass das Subjekt kein Mensch ist, sondern ein Ding oder Gegenstand; ein solches kann aber natürlich nichts ankündigen – der Sprecher kann nur etwas erwarten oder sehen, dass „sich“ da etwas nach seiner Erfahrung „ankündigt“.
Die Ersatzprobe ist ein Verfahren, das man für viele Zwecke benutzen kann; daher ist es wichtig, dass du dieses Verfahren gut beherrschst. – Bei einer Ersatzprobe lotet man die Bandbreite der Bedeutung eines Wortes (die Synonyme) aus; die ganze Bandbreite sollte eigentlich im Wörterbuch verzeichnet sein: Deshalb ist es eine Kunst, mit dem Wörterbuch richtig umzugehen und sich anregen zu lassen, die jeweils passende Bedeutung herauszufinden (statt den Artikel des Wörterbuchs ohne Verstand abzuschreiben).

Ich setze mit einem weiteren kleinen Aufsatz über „Bedeutung“ fort:

Als ich noch sehr klein war, vielleicht in der 1. oder 2. Klasse, las ich im Englischbuch meiner großen Schwester, dass „Vater“ englisch „father“ heißt. Aha, dachte ich: V = f, t = th; a, e, r bleiben erhalten – Englisch ist ganz einfach, man muss nur ein paar Buchstaben ändern, sonst ist alles gleich: Bedeutung lag für mich in der Buchstabenfolge.

Als ich das Gymnasium besuchte, lernte ich zunächst Latein. Ich lernte: „ponere = setzen, stellen, legen“. Da dachte ich, die Römer wären verrückt gewesen; konnten sie nicht eine einzige ordentliche Bedeutung für „ponere“ haben? Woher sollte man denn wissen, was gemeint ist? Dementsprechend haben wir auch übersetzt, es war im Wesentlichen grausam: Bedeutung lag für mich im Wort.

Heute weiß ich, dass Wörter nicht aus sich „eine Bedeutung haben“, sondern in Redewendnungen vorkommen. Solche Redewendungen muss man kennen, um zu wissen, was Wörter im jeweiligen Zusammenhang bedeuten können; Wörterbücher beruhen auf der Sammlung von Belegstellen (Beispielen, Redewendungen); aus denen werden dann „Bedeutungen“ eines Wortes extrahiert. Daraus ergibt sich, dass der eine Forscher nur eine Bedeutung angibt (Bünting zu „prangen“ [an exponierter, auffälliger Stelle hängen]), das Duden-Wörterbuch zwei [1. in auffälliger Weise vorhanden, sichtbar sein; 2. in voller Schönheit glänzen, auffallen] und das DWDS deren drei [1. Schönheit, Glanz, Prunk zeigen; 2. an einer bestimmten Stelle groß und auffällig angebracht sein; 3. mit etwas prahlen, angeben (veraltend)]. [Die Frage ist, wozu man das Wörterbuch braucht, wie umfangreich es sein darf, wie viele Belege der Forscher auswertet, wie exakt er die Bedeungsfülle ermitteln will, in welchen Schaubildern er die Bedeutungsfülle darstellen kann, wie sorgfältig ein Forscher arbeitet usw. – ein Blick in verschiedene, auch digitale Wörterbücher ist hilfreich!]

Wörter verbinden
Entscheidendes Merkmal im Gebrauch von Wörtern ist ihre Fähigkeit, Verbindungen einzugehen („Fügung“ bzw. „Valenz“), und das nach seriellen Mustern. Hier ist die Unterscheidung: syntagmatisch – paradigmatisch (s.u.) von Bedeutung.
Damit kommen wir zum Satz als kommunikativer Minimaleinheit (Jung/Starke: Deutsche Grammatik, 10. neubearbeitete Aufl., 1990, 42 ff.):
– Der Satz als Sinneinheit kann durch ein Wort („das“) vertreten werden.
– Der Satz ist eine durch Stimmführung bewirkte Klangeinheit.
– Der Satz ist eine durch das Verb gegründete, grammatisch gegliederte Einheit.
Neben der Valenz (http://mmtux.idf.uni-heidelberg.de/ProGram/Valenz/RK_valenz.html) der flektierbaren (!) Verben verdienen Präpositionen, Konjunktionen und Pronomen besondere Beachtung wegen ihrer Fähigkeit, syntaktische Beziehungen herzustellen; auch der innere Ausbau einer Nominalgruppe durch Attribute muss genannt werden. Die Unterscheidung von Thema-Rhema, aus der Texttheorie stammend, kann auch zur Gliederung des Satzes verwendet werden. Vereinfacht: Das Subjekt in der Spitzenstellung wäre Thema, die „eigentliche“ Satzaussage das Rhema.
Die Duden-Grammatik fasst den Zusammenhang zwischen Textelementen unter dem Stichwort der Kohärenz zusammen (6. Auflage, 1998, S. 845 ff.) und zählt verschiedene sprachliche Mittel der Kohäsion auf (S. 850 ff.). Die können wir nicht verstehen, wenn wir nicht beachten, dass in der Kommunikation gesprochen wird und dass damit der Textbegriff herangezogen werden muss; die Duden-Grammatik nennt sechs Textfunktionen (S. 841 f.).
Der Satz ist eine Einheit in der Kommunikation. Die kommunikativen Grundfunktionen sind Aussagen, Fragen, Wünschen/Befehlen (und Bewerten). Dazu gehören bestimmte Satztypen.

Was ist ein Wort? (die kleinste klar abgrenzbare bedeutungstragende „Einheit“)
Sprache als System: Die Grundbegriffe sind „Wort“ und „Satz“.
Sprache in der Verwendung: Die Grundbegriffe sind „Äußerung“ und „Text“.
(Duden: Grammatik, 6. A., S. 833)

Die Unterscheidung syntagmatisch – paradigmatisch geht auf Saussure zurück:
a) Syntagmatisch heißt die Beziehung eines Sprachelements zu den Elementen seiner Umgebung (Redewendung, Satz, also horizontal):
Der – Mann – baut – ein – Haus.
b) Paradigmatische Beziehungen bestehen zwischen Elementen, die die gleiche Stelle innerhalb des Syntagmas einnehmen können und sich dort gegenseitig ausschließen:
Der >
Dieser >
Ein >
Jeder > Mann – baut – ein – Haus. Entsprechend:
Der Mann [> Maurer > Kölner > Gastwirt] baut ein Haus.
…baut [> baute > kauft > erbt] ein Haus.
…ein [- unser – jedes – kein] Haus. (usw.)

Letzte theoretische Einsicht: Man kann die Bedeutung eines Wortes auch erfassen, indem man sein Antonym (Gegenwort) an dieser Stelle bestimmt. So kann zu „anfangen“ etwa „nicht anfangen“, „weitermachen“ oder „aufhören“ Antonym sein; der kompetente Sprecher/Hörer hört solche Feinheiten im Kontext, also in einer Situation. – Sowohl das Anfangen wie das Nichtanfangen kann man dann wieder näher bestimmen (aus Vorsicht, aus Faulheit, aus Geduld…).

Praktische Bedeutung: Im Verständnis eines jeden Textes ist es falsch, einem einzelnen (isolierten!) Wort eine bestimmte Bedeutung beizumessen; bei Gedichten ist es also sinnlos, einfach „Frühling“ mit Jugend gleichzusetzen usw. – ich erinnere an die Lektüre des Goethegedichtes „Dauer im Wechsel“ und die Jagd nach metaphorischer Bedeutung; für ein metaphorisches Verständnis muss es Gründe geben, man darf es nicht einfach bei jedem Gedicht praktizieren! Richtig ist es, die Wörter im Zusammenhang zu lesen, wie ich es in dem AB „Gedichtanalyse – erste Hinweise“ (s. Methodisches – Studio D) gefordert habe. Das gilt auch für die Lyrik 1945 – 1960, dort sogar noch stärker, weil diese Gedichte grammatische und semantische „Lücken“ aufweisen, also weithin unbestimmt sind.

Einen Überblick über die verschiedenen in der Linguistik verwendeten Proben gibt Peter Hellwig in seinem Aufsatz über die Methoden der Linguistik: www.cl.uni-heidelberg.de/kurs/ws06/ecl/etc/methoden.pdf

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Bildhafte Sprache in Gedichten – Unterrichtsreihe in Klasse 6

Gerade in Gedichten wird bildhaft gesprochen. Sprachliche „Bilder“ sind oft schön und eindringlich, machen eine Aussage plausibel, sind häufig nicht eindeutig und laden unsichere Schüler und Lehrer zu fragwürdigen „Interpretationen“ ein. Deshalb sollte man das Verständnis sprachlicher Bilder beizeiten einüben (vgl. auch die Tags „bildhaftes Denken, bildhafte Sprache, bildhaftes Sprechen“ sowie die Kategorie „Methodisches“ am rechten Rand!) – diesem Ziel dient die folgende Unterrichtsreihe, die für Kl. 6 des Gymnasiums entworfen und von mir auch mehrfach erprobt wurde. Zur Auswahl der Gedichte ist zu sagen, dass sie nach meiner Einschätzung für Kinder verständlich sind, was man von den wenigen Gedichten im Deutschbuch 6 (Cornelsen) nicht unbedingt sagen kann – dort ist wieder ein für 6er-Schüler verfrühter Zug zur Klassik (Claudius, Goethe) spürbar.

Wilhelm Busch: Der volle Sack

In diesem Gedicht wird erzählt, wie der Sack und die Ähren zueinander sprechen; sie sind also personifiziert. Wenn man sich anhört, wie sie miteinander sprechen, erkennt man darin leicht eine Situation wieder, wie sie oft unter Menschen besteht: Da ist jemand, der sich aufplustert und seine „Verdienste“ über den grünen Klee lobt; die anderen, die vermeintlich Kleinen aber sind es, die die Arbeit tun. Nachdem der dicke Sack gefordert hat, man solle ihn tüchtig verehren, wird sein Selbstlob mit einem einzigen Satz entlarvt: Ohne die Ähren und ihre Leistung wäre er nur „ein leerer Schlauch“. – Beachte auch den Kontrast „dicker Sack – leerer Schlauch“ und die beiden Gegenüberstellungen „ich – ihr“ (Sicht des Sacks) und „du – wir“ (Sicht der Ähren). Das Gespräch zwischen Sack und Ähren ist also ein Bild, in dem wir etwas wiedererkennen, was oft zwischen Menschen vorkommt; die Wahl eines Sacks durch den Dichter macht plausibel, dass der scheinbar „dicke“ Sack aus eigener Kraft nichts ist, platt ist, nur „ein leerer Schlauch“ – deshalb kann sinnvoll ein Sack personifiziert werden; zu ihm passen dann als „Gehilfen“ die Körner bzw. Ähren, die ihn erst füllen.

Beim Takt ist interessant, dass der Jambus durch die Betonung des „ich“ durch den Sack-Sprecher gestört wird, wodurch das Selbstlob in dem betonten „ich“ erst recht zur Geltung kommt; auch die letzte Strophe ist interessant: In V. 17 fehlen zwei Silben, wodurch der Vers langsam gesprochen wird, was das sanfte Sprechen der Ähren unterstreicht. Sie stellen dem Vergleich der Leistungen („ich – ihr“), wie der Sack sie sieht, ihre eigene Sicht entgegen: „du – wir“.

F. Jammes: Ich liebe den Esel

Hier sieht man sehr schön, wie ein Esel so sehr in die Nähe der Menschen gerückt wird, dass man den großen Wenn-Satz (V. 1 – 10) eigentlich so fortsetzen muss: „dann liebe ich den Esel“ (vgl. die Überschrift!). Dieser Esel ist uns Menschen nahe, weil er über sich nachdenkt (V. 7 und V. 3); weil er in Aussehen und Auftreten etwas Zartes hat (V. 1, 4, 5, 8 – vgl. auch die Wiederholung in V. 11 f.!); weil er durch die Arbeit so belastet ist, dass man ihn bedauern muss (V. 9 f.).

Wir haben „nur“ eine Übersetzung vor uns, was man berücksichtigen sollte, wenn man etwas zur Form des Gedichtes sagt. Es sind im Paarreim durchweg zwei Verse aneinander gebunden, die zusammen einen Satz oder eine Einheit bilden – nach V. 1, 3, 5 usw. macht man also eine klitzekleine Pause, nach V. 2, 4 , 6 usw. eine größere; es liegt kein Metrum vor – vielleicht sollte man zwei bis drei Hebungen (betonte Silben) pro Vers finden.

Chr. Morgenstern: Der Schaukelstuhl auf der verlassenen Terrasse

In diesem Gedicht wird ein Schaukelstuhl personifiziert: Er kann sprechen und er hat Gefühle (einsam, V. 1); so kann er uns sein Leid klagen, was einigermaßen komisch und beinahe lustig wirkt, weil wir ja wissen, dass ein Schaukelstuhl nicht leiden kann. Auch die neuen Wörter „nackeln“ und „rackeln“ (Neologismen, analog zu „wackeln“ gebildet) wirken lustig, ähnlich wie die Abwandlung von „kühl“ zu „kuhl“ (des Reimes wegen). Die Kinder fanden auch die Wiederholung „im Winde“ lustig, während meine Phantasie eher fragt, was da sonst wohl noch wackeln mag… Da haben Jungen und Mädchen übrigens teilweise verschiedene Phantasien. – Fazit: Die Personifizierung des Schaukelstuhls dient dem Autor dazu, ein lustiges Gedicht zu fabrizieren, während der Sprecher Schaukelstuhl uns sein Leid klagt.

K. Frank: Fliege möglichst nicht ohne Netz

Die Pointe des Gedichtes besteht darin, dass zwei bekannte Sprichwörter abgewandelt werden: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Dieses Sprichwort wird wörtlich statt, wie üblich, metaphorisch verstanden und in sein Gegenteil verkehrt, was den Leser zumindest überrascht; das zweite lautet: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Dieses Sprichwort wird umformuliert, aber dann erweitert: „wenn möglich mit Netz“. Im Zusammenhang mit der Beschreibung der akrobatischen Flieger ist diese Wendung ganz wörtlich zu verstehen; wenn sie in ein allgemein gültiges Sprichwort übernommen wird, wird sie wieder metaphorisch, weil sie ja auf viele Situationen passen muss. – Das Spiel mit der Metaphorik von Sprichwörtern dient dem Sprecher dazu, vor allzu leichtfertigen Kunststücken zu warnen.

Das Metrum dieses Gedichtes ist ganz eigenwillig: Jeweils die 2. und 5. von normalerweise sechs Silben sind betont, etwa so: „Zwei Fänger, vier Flieger, / das geht kunterbunter…“ (eine lustige Steigerung von „kunterbunt“). Wenn man hier nicht ein ganz neues Versmaß vorfinden will, nimmt man am einfachsten an, dass nach einem Auftakt („Zwei“) Daktylen folgen (Walzer- oder 3/4-Takt), wobei der zweite jeweils in den neuen Vers hineinreicht; so wird das Gedicht flott und flüssig gesprochen, was zu den Luftsprüngen der Flying Flamingos gut passt. – Es liegen auch mehrere Zeilensprünge (Enjambements) vor; davon spricht man, wenn ein Satz nicht am Versende endet, sondern in den nächsten Vers hineinreicht (etwa V. 1-2, V. 19-20 u.a.; in V. 16-17 wird sogar das Strophenende übersprungen!).

Aufbau des Gedichts: Das Gedicht besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (Str. 1 und 2) beschreibt der Sprecher die kunstvollen Aktionen der Flying Flamingos; im zweiten Teil (ab Str. 3) spricht er ein „du“ direkt an. Dabei unterstellt er (fragt er?) dem Du zunächst, dass dieses Du auch so fliegen können möchte wie die Flamingos (Anrede „du“); danach gibt er dem Du einige Mahnungen mit auf den Weg, bei so waghalsigen Aktionen vorsichtig zu sein. Dieser Teil des zweiten Teils wird durch die abgrenzende Partikel „doch“ eingeleitet und steht unter dem Stichwort „einige Sprüche“ (V.13).

Georg Britting: Hinterm Zaun

In diesem Gedicht überlagern sich zwei Bilder: das, was der Sprecher sieht (die vom Wind bewegten Bäume im Frühling), und das Bild der Esel, mit deren wildem Aufbäumen er die Bewegung der Bäume vergleicht. [Achtung: Er vergleicht nicht die Bäume mit Eseln, sondern die Bewegung der Bäume mit der einer erregten Eselschar!] Man kann in zwei Listen die einzelnen Wörter und Wendungen auf die beiden Bilder aufteilen [oder sie mit verschiedenen Farben unterstreichen] und dann sehen, wie der Sprecher mitten im Satz, sogar mitten in einem einzigen Satzglied von einem Bild ins andere springt; das verwirrt einen zunächst, bis man diese Technik versteht.

Wir finden also zunächst einen Vergleich vor (V. 3: wie Esel…), der bereits vorher metaphorisch in eine „Gleichheit“ (oder Einheit der beiden Bilder) überspielt wird, vgl. V. 1 f.: „Die mageren Fühlingsbäume / schütteln sich schnaubend…“ Dadurch bewirkt der Sprecher, dass die Dynamik der wilden Esel in die Bewegung der Bäume übergeht; man sieht förmlich, wie wild die Esel-Bäume sich schütteln und losstürmen wollen. Durch die Personifizierung des Windes (bewirft, V. 9; wirft Hände voll Hagel, V. 10) wird das ganze Bild noch bewegter.

Dem entspricht nun auch der Kreuzreim mit den Enjambements und der unregelmäßigen Betonung, welche das Wilde an der Bewegung der Esel gut zum Ausdruck bringt; sowohl der Kreuzreim wie die Enjambements beschleunigen das Sprechen.

Joachin Ringelnatz: Ein männlicher Briefmark

Hier wird eine Briefmarke personifiziert, sogar bis in die Wortform „der Briefmark“ hinein: Er erlebt etwas Schönes: Er wird geküsst (beleckt, befeuchtet), will seinerseits die Prinzessin küssen, muss aber „verreisen“ (Brief wird abgeschickt). Fazit: Er liebt vergebens – das ist die Tragik des Lebens. Das Gedicht ist lustig, weil jeder weiß, dass Briefmarken nichts erleben können; vielleicht werden auch die unrealistische Liebeshoffnung oder der deswegen überzogene Liebeskummer verspottet. Die Personifizierung dient dazu, eine neue Perspektive auf vermeintlichen Liebeskummer zu eröffnen, also ein lustiges Gedicht zu verfassen.

Vielleicht sollte man kurz auf die Anzahl der Hebungen hinweisen: durchweg drei pro Vers, nur zweimal vier, allesamt unregelmäßig (also ohne festes Versmaß: Nähe zum volkstümlichen Dichten!?).

An diesem Gedicht sieht man sehr schön den Unterschied zwischen dem Sprecher in einem Gedicht und dem Autor: Der Sprecher setzt als normal voraus, dass Briefmarken sich verlieben können; der Autor J. Ringelnatz wusste natürlich, dass es so etwas nicht gibt! Dem entspricht die Differenz zwischen der Sicht des Sprechers und der Sicht des Lesers; der Leser weiß ebenfalls, dass der Sprecher etwas „sieht“, was es so nicht gibt. Solche vom Autor bewusst hergestellten Differenzen zwischen den Perspektiven des Sprechers und des Lesers sind oft ganz reizvoll, wie ja auch im Kölner Karneval die Reden der Doofen meistens am schönsten sind.

Wilhelm Busch: Die Affen

Etwas komplizierter ist die Technik, mit welcher der Leserblick gelenkt wird, in diesem Gedicht; hier vertritt der Knabe eine naive Sicht, in der ganz erstaunt gefragt wird: „Sind Affen denn auch Leute?“ Das bejaht der Vater (der Ältere, Wissende) im Grunde („beinah“). Damit sagt der Autor seinem Leser, dass wir Menschen oft „beinah“ Affen sind. – Im Gedicht „Ich liebe den Esel“ ist dieser in die Nähe der Menschen gerückt und so liebenswürdig geworden; im Gedicht Buschs wird der Mensch in die Nähe der Affen gerückt (auf ihre Stufe herabgesetzt) und so kritisiert, weil sein Handeln den beschriebenen Aktionen der Affen (V. 6 ff.) gleicht.

Diese Nähe wird durch einen Vergleich in V. 8 und viele Personifizierungen hergestellt. Die wichtigsten sind V. 15 f.: Sie essen mit der Hand und tun alles mit Verstand. Andere Personifizierungen schließen sich an diese beiden an (V. 6-8, V. 13 und V. 17). Die Personifizierung der Affen dient hier also dazu, bestimmte Verhaltensweisen von uns Menschen zu kritisieren bzw. zu bewerten.

Franz Fühmann: Lob des Ungehorsams

Franz Fühmann hat mittels der Überschrift seinen Erzähler angewiesen, etwas zum Lob des Ungehorsams zu erzählen; dieser greift auf das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein zurück und verändert es: Ursprünglich hatte die Geiß ihre Kinder vor dem Wolf gewarnt (Füße, Stimme); Fühmanns Erzähler kennt dagegen das Verbot der Mutter, in den Uhrenkasten zu schauen. Das Gedicht ist so aufgebaut, dass den sechs artigen Geißlein das eine unartige gegenübergestellt wird; es macht zwar die Uhr kaputt, gewinnt aber Erkenntnis davon, wie es im Uhrenkasten aussieht. Als „der böse Wolf“ kommt, nützt den artigen Zicklein nichts, dass sie brav waren; das unartige kann sich jedoch dank seiner Kenntnis des Uhrenkastens retten: Da war die Mutter Geiß froh, obwohl sie normalerweise bestimmt die artigen Geißlein gelobt hätte; der Ungehorsam verdient (manchmal – bitte genau hinhören!) ein Lob, wenn man dadurch etwas erkannt hat, was einem in Schwierigkeiten weiterhilft.

Bei den Personifikationen kann man zwei Gruppen unterscheiden: eine Uhr haben (V. 3), die sprechende Mutter (V. 5 usw.), ein „böser“ Wolf (V. 17), Tisch, Bett und Stuhl benutzen (V. 19), das sind eindeutig Personifikationen; in diesem Zusammenhang können dann ebenfalls „dürfen“ (V. 2), „wollen“ (V. 7), artige bzw. unfolgsame, unartige Geißlein (V. 6, 11, 22), „wissen“ (V. 24) und „froh sein“ (V. 26) als Personifikationen gelesen werden – in einem weiten Verständnis können ja auch Tiere etwas wissen und wollen… Durch die Personifikation der Geißen wird das Bild einer Familie geschaffen, in dem der von den Erwachsenen geforderte Gehorsam in Frage gestellt wird. Wie der Fall des unfolgsamen Geißleins zeigt, kann auch Ungehorsam gut sein und zu lebensrettendem Wissen verhelfen, selbst wenn dabei eine Uhr kaputt geht: Mutter Geiß war schließlich froh!

Das Gedicht ist ganz streng in zwei Teilen symmetrisch aufgebaut: einleitendes Ereignis / Gegenüberstellung der sechs artigen und des unartigen Geißleins in ihrem Handeln / Ergebnis. Auch die einzelnen Strophen sind in der ersten Hälfte streng parallel erzählt.

Am Rande sei vermerkt, dass die Verarbeitung eines bekannten Märchens, das beinahe jeder wiedererkennt, die Leser lächeln oder schmunzeln lässt: ein kleiner Scherz des Autors.

E. Kästner: Im Auto über Land

Dieses Gedicht haben wir zum Schluss nur noch gestreift, um den Vergleich der Federwolken mit den Tuschzeichen zu würdigen, den Aufbau (zwei Teile) zu beschreiben und die Figur des kindlichen Erzählers mitsamt seiner kessen Erzählweise zu identifizieren.

James Krüss: Affenschule

An diesem Gedicht sollten die Kinder in der Klassenarbeit einige formale Merkmale benennen (Wiederholung des Stoffes aus Kl. 5: Taktschema, Reimform) und den Aufbau (drei Teile) beschreiben. Der Akzent lag auf den beiden Metaphern „Affenschule“ und „ein rechter Affe sein“, die unterschiedlich intensiv zu erklären und zu deuten waren (einschließlich der letzten Strophe). In Zusatzaufgaben konnten die Kinder etwas zum Sprecher und zu den vom Autor angepeilten Lesern sagen.

Auf gerade dieses Gedicht sind die Schüler speziell durch Besprechung von Wilhelm Busch: Die Affen, und Franz Fühmann: Lob des Ungehorsams, ansonsten natürlich durch die ganze Reihe vorbereitet worden. Fairerweise muss ich zugeben, dass viele Schüler am FMG nicht gewagt haben, mit dem Sprecher aus James Krüss‘ Gedicht kritisch zu denken: dass Gehorsam vor dem Oberaffen noch nicht das Prinzip menschlichen Lernens ausmacht; statt den Text genau zu lesen, sagen sie einfach, dass die Affen sich fies benehmen, Menschen dagegen ordentlich gehorchen und deshalb lernen, was sie zum (Über)Leben brauchen… – als ob die Affen das nicht auch täten! Richtig stromlinienförmig haben meine Schüler gelesen; ob das wohl am Unterricht gelegen hat? [Rhetorische Frage!]

Nachtrag Sommer 2011:

Überall, wo hier „Personifizierung“ steht, sollte es besser „Personifikation“ heißen; dieser Fachbegriff ist so fest eingebürgert, dass die von mir vorgenommene Ableitung des Substantivs vom Verb „personifizieren“ zwar verständlich ist, aber im Deutschen wenig gebraucht wird.

Als Reihenfolge der Behandlung schlage ich die folgende vor (gemäß der Steigerung des Schwierigkeitsgrades bzw. der Komplexität der Bilder):

Ringelnatz: Ein männlicher Briefmark

Busch: Der volle Sack

(Fontane: Rangstreitigkeiten)

Jammes: Ich liebe den Esel

Morgenstern: Der Schaukelstuhl auf der verlassenen Terrasse

Fühmann: Lob des Ungehorsams

Busch: Die Affen

Britting: Hinterm Zaun

Kästner: Im Auto über Land

Krüss: Die Affenschule

Das Gedicht von K. Frank kann entfallen; auch Fontane ist nicht unbedingt nötig. Die Texte aller Gedichte (außer Franck) findet man im Internet; manchmal findet man neben der verlinkten Fassung auch noch andere Textgestalten. Textkritik braucht man in der 6. Klasse aber noch nicht zu betreiben, auch wenn aufgeweckte Schüler sicher dafür Verständnis, vielleicht sogar Spaß daran haben. – P.S. Ich habe ein weiteres wunderbares Gedicht gefunden, das viele Personifikationen aufweist, und das ich auch analysiert habe, Theodor Storm: Sturmnacht.

Parallel zum Unterricht wurde täglich ein kleines Übungsdiktat (s. rechts oben die Kategorie!) geschrieben:

Bildhafte Sprache in Gedichten
1 Wer dichtet, spielt mit der Sprache und freut sich, wenn es ihm gelingt, den Klang und die Betonung der Wörter auszunutzen. Oft sucht ein Dichter auch kunstvolle Wendungen und Vergleiche, um etwas eindrucksvoll zu sagen.
2 Wir wollen jetzt verschiedene Formen bildhaften Sprechens kennen lernen [kennenlernen]: den Vergleich, die Metapher, die Personifikation, das Bild. Wir können untersuchen, was mit diesen Formen im Einzelfall ausgedrückt oder angedeutet wird.
3 Wenn man etwas Unbekanntes vorstellt, kann man es mit etwas Bekanntem vergleichen. Oft soll ein Vergleich helfen, dass man sich etwas bildlich vorstellen kann. Wenn aber der Himmel „wie aus blauem Porzellan“ ist, wird er etwas Wunderbares.
4 Wenn man sagt, eine Lehrerin sei für die Klasse eine richtige Mutter, gebraucht man eine Metapher; man meint, sie sei für die Klasse wie eine Mutter. Man kann also die Metapher als verkürzten Vergleich betrachten.
5 Wenn durch eine Metapher ein Gegenstand oder ein Tier in den menschlichen Bereich gerückt wird, spricht man von einer Personifikation: „Das Auto ruht sich aus.“ Dadurch wird der Abstand zwischen Ding und Mensch oder Tier und Mensch verringert.
6 Wenn gesagt wird, dass das Auto sich ausruht, klingt das eher lustig. Ein Eselchen, das nachdenkt, ist uns dadurch vertraut und nahe. Wenn Menschen in die Nähe der Tiere gerückt werden, kann man sie aber auch als unmenschlich kritisieren.
7 Es kommt also darauf an, dass wir spüren, was die bildhafte Ausdrucksweise jeweils leistet. Dazu prüft man, wie die Wendung sich in normaler Sprache anhört: „Das Auto steht da.“ Man macht also eine Ersatzprobe.
8 Oder man sucht zum Vergleich ein anderes Bild: „Die Lehrerin ist ein Engel.“ Was besagt die eine Metapher im Unterschied zur anderen? Oft ist es hilfreich, das Gegenwort (Antonym) zu bestimmen: „Die Lehrerin ist herzlos.“
9 Bildhaft Gesagtes kann eine besondere Stimmung oder Bewertung enthalten; der Gegenstand oder das Geschehen können anschaulich vorgestellt werden. Dies zu bemerken und richtig auszudrücken ist die Leistung, die du erbringen sollst.
10 Man spricht von einem Bild, wenn bestimmte Sachverhalte anschaulich dargestellt werden. Bilder können etwas bloß andeuten, aber auch vollständig beschreiben. Der Begriff des Bildes unscharf; er ist ein Sammelbegriff für verschiedene Stilmittel.