Im Folgenden möchte ich die Gedanken des Buches knapp zusammenfassen, damit man sieht, welche Fragen bedacht, welche Begriffe geklärt werden müssten.
1. Grundlagen menschlicher Kommunikation (S. 9-23)
Vorab wird der Begriff des Zeichens (materiale Seite / Seite des Gemeinten) eingeführt: Zeichen kann man nur nach Regeln verwenden, weil sonst „das Gemeinte“ nicht gesichert ist. Die Regeln, nach denen Sprachzeichen verwendet werden, werden durch gemeinsame Praxis begründet und gesichert.
Kommunizieren heißt: sich verständigen. Der technische Kommunikationsbegriff (Informationen zwischen Systemen austauschen bzw. übertragen) ist nicht geeignet, menschliche Kommunikation richtig zu erfassen.
Bedingungen menschlichen Kommunizierens sind folgende:
(1) Es sind mindestens zwei Partner beteiligt.
(2) Einer „handelt“, erzeugt also absichtlich Zeichen (Sprechakt).
(3) Er verwendet dabei Symbole: Ausdrücke einer Sprache.
(4) Der andere versteht den einen; dafür müssen beide die Situation zumindest sehr ähnlich einschätzen, aber B muss die Äußerung nicht genau so verstehen, wie A sie gemeint hat.
2. Gebrauchsweisen sprachlicher Ausdrücke (S. 24-39, von R. Wimmer)
Wimmer diskutiert die Probleme anhand eines Beispiels: Regierungserklärung Brandts 1975 im Bundestag, wo der sich dagegen verwahrt, die Terroristen als Linke zu bezeichnen. Es geht also um die „richtige“ Bedeutung der Bezeichnung „Linke“. Brandt führt vor, dass man den Sprachgebrauch reflektieren und gegebenenfalls rechtfertigen kann. Die Zwischenrufe der CDU zeigen, dass es nicht den einen Beurteilungsmaßstab gibt, der allen Sprechern und Hörern gleichermaßen zur Verfügung stände. – Solche Reflexionen kommen zustande, wenn es Missverständnisse o. Ä. gibt.
Wimmer untersucht dann die Einträge zu „Linke“ in fünf Wörterbüchern. Die Verfasser stützen sich letztlich auf ihre eigene Sprachkompetenz, orientieren sich ingesamt jedoch an der Sitzordnung im französischen Parlament der Restaurationszeit.
Es gibt vier Formen von Worterklärung (wie ein Sprecher bestimmte Ausdrücke gemäß den erlernten Regeln verwendet): Angabe von Oberbegriff und spezifischer Eigenart; Beispielsätze und exemplarische Beschreibung von Verwendungssituationen; Angabe eines ähnlichen Ausdrucks (Synonym); mit dem Finger in einer Situation auf etwas zeigen.
3. Sprachliche Normen (S. 40-59, von R. Wimmer)
Am Beispiel eines Aufrufs, beschränkte Kleinschreibung nicht zu praktizieren und die lateinischen Antiqua nicht zu verwenden, werden die Eigenheiten sprachlicher Normen diskutiert. Unter den sieben Fragen (bis hin zur siebten, ob man sich gegen Normen wehren kann) fehlen zwei wichtige: welchen Sinn Normen haben und ob bzw. wie man sie plausibel begründen kann – das Kapitel atmet den Geist der 70-er Jahre.
R. Wimmer sieht Normen als eine Unterklasse von Regeln an und definiert sie so: Sie schreiben etwas ausdrücklich vor; sie tendieren dazu, ihren Geltungsbereich auszuweiten; sie zielen auf Übereinstimmung verschiedener Regeln ab. Regeln gelten als Muster, die sozialem Handeln zugrunde liegen. Normen zielen auf historische Festschreibung oder gelenkte Veränderung von primären Regeln ab.
Am Beispiel von Sprachregelungen aus dem 3. Reich kann Wimmer zeigen, welche Interessen hinter solchen Normierungen stehen. Ein schönes Beispiel eines Normierungsversuchs ist ein Kommentar aus der DDR zur Frage, was Dissidenten sind. Zum Schluss empfiehlt er, den Nutzen von Normen gegen die von ihnen gesetzten Zwänge abzuwägen.
4. Sprachspiele und ihre Geschichte (S. 60-85, von H. J. Heringer)
Heringer führt am Beispiel vieler Polo-Varianten vor, was ein (Polo-)Spiel ist, und zeigt, dass Varianten in verschiedenen Lebensformen wurzeln können, sodass es nicht leicht ist, sie miteinander zu vergleichen. Er überträgt dann den Begriff Spiel auf die Sprache, um daraus entsprechende Leitfragen für das Verständnis von Sprachhandlungen zu gewinnen: Welche, wer, wie, unter welchen Bedingungen, womit tut … und welche Ergebnisse haben die Sprachhandlungen?
Das Sprachspiel „vorwerfen“ konstruiert er so: „A wirft B vor, dass X (immer ein dass-Satz), indem A äußert S.“ Danach untersucht er, wie „vorwerfen“ im Mittelhochdeutschen gebraucht worden ist (wie es zuging und wie man sich verteidigen konnte), und welche Platzhalter es dafür gab („strafen“ und „rüegen“).
Abschließend untersucht er unser „beweisen“ (ein Akt nach Behaupten und Bestreiten) und vergleicht damit das mittelalterliche „bewisen“; er zeigt, wie die Unterschiede in der Fundierung des Handelns in der jeweiligen Lebensform begründet sind, verweigert eine Bewertung unterschiedlicher Lebensformen und fragt, ob wir fremde Lebensformen überhaupt verstehen können.
5. Bedingungen und Annahmen (S. 86-105, von H. J. Heringer)
Am Beispiel von Plakaten des Bundestagswahlkampfs 1976 und der Parole „Freiheit oder Sozialismus“ (1976) analysiert Heringer Bedingungen dafür, dass Kommunikation gelingt. Neben den allgemeinen Bedingungen (die Sprache verstehen usw.) gibt es für den Einzelfall spezifische Bedingungen, die sozusagen implizit mit den Argumenten der Plakate gegeben sind (dass CDU wählt, wer den Sozialismus kennt, usw.). Die Abgrenzung zwischen Bedingungen und Annahmen bleibt unscharf.
Es zeigt sich jedoch, dass dieses Implizite meist weniger aus Fakten als aus Annahmen besteht: A nimmt an, dass für B Freiheit mehr wert ist als Sozialismus, dass sie eine Alternative darstellen oder dass Sozialismus mit der SPD verbunden wird. Wenn der kommunikative Akt gelingt, muss er aber noch nicht zum (Wahl)Erfolg führen.
Am Beispiel ironischer Äußerungen zeigt Heringer, dass die Annahmen der Partner wechselseitig vielfach verschachtelt sein können: A nimmt an, dass B annimmt, dass A annimmt…
Als letzte Bedingung nennt Heringer das gemeinsame Wissen, und zwar das Wissen voneinander, welches man nur in gemeinsamer Kommunikationsgeschichte erwerben kann; dass dieses Wissen falsch oder lückenhaft sein kann, zeigt sich, wenn Missverständnisse auftauchen. Daraus ergeben sich drei Forderungen: Reflektiere, was dein Partner glauben könnte! Sei offen dafür, dass er etwas anderes glaubt als du selbst! Sei bereit, deinen eigenen Glauben in Frage zu stellen!
6. Referieren (S. 106-125, von R. Wimmer)
Am Beispiel von „Der Herr der Ringe“ zeigt Wimmer, wie der Erzähler eine Welt aufbaut, wobei unklar bleibt, ob es sich um eine „fiktive“ handelt. Immer wird mit den gleichen sprachlichen Mitteln auf Gegenstände einer Welt Bezug genommen: Eigennamen; deiktische Ausdrücke; Kennzeichnungen. Deiktische Ausdrücke stellen Beziehungen des Gesagten zur Sprechsituation her (Personen, Ort, Zeit). Kennzeichnungen sind Phrasen aus Substantiv plus Attribut.
Kennzeichnungen können referenzorientiert (Akzent auf dem Prädikat des Satzes) und prädikationsorientiert (Akzent auf Nomen und Attribut) gebraucht werden. Eigennamen können in Grenzen situationsunabhängig verwendet werden; das deiktische System hat sein Zentrum in der Person des Sprechers; Kennzeichnungen nehmen eine Zwischenstellung ein. Die Vorstellung eines kommunikationsunabhängigen raum-zeitlichen Koordinatensystems ist verbreitet, aber nicht Vorbedingung für die Strukturierung eines kommunikationsrelevanten Bezugssystems.
Referieren ist etwas, was der Sprecher (nicht die Ausdrücke) tut; er tut es aber nur nebenher, es ist in anderen Akten enthalten. – Zum Schluss behauptet Wimmer, dass es keine extra-kommunikative Handhabe für die referentielle Bestimmung eines Gegenstandes gibt und dass die Realität einer Welt daran hängt, welche Bedeutung sie für jemanden in seiner eigenen Kommunikation hat.
7. Fragen und Antworten (S. 126-145, von G. Öhlschläger)
Am Beispiel einer Interviewfrage von 1955 führt Öhlschläger in die Problematik von Fragen und Antworten ein: „Finden Sie, dass in einem Betrieb alle Arbeiter in der Gewerkschaft sein sollten [, oder muss man es jedem einzelnen überlassen, ob er in der Gewerkschaft sein will oder nicht]?“ Das waren zwei verschiedene Frageformen (im gleichen Interview) mit sehr unterschiedlichen Antworten, v.a. mit erheblicher Verringerung der Zahl der Unentschiedenen – diese Differenz gibt Anlass, die wechselseitigen Bedingungen und Annahmen von A und B, die Form der Fragestellung und die Auswahl einzelner Wörter zu reflektieren.
Als Bedingungen des Fragens werden genannt: A weiß X nicht. / A will X wissen. / A nimmt an, dass es eine Antwort auf seine Frage gibt. / A nimmt an, dass B die Antwort kennen kann. / A will X durch B’s Antwort auf seine Frage erfahren. Öhlschläger unterscheidet bei den denkbaren Antworten die Antworten im engeren Sinn von anderen Reaktionen (Nicht-Antworten); gelungen ist die Frage, wenn sie verstanden wird, erfolgreich ist sie, wenn sie beantwortet wird. Das Äußern von Fragesätzen muss nicht in jedem Fall eine Fragehandlung sein; anderseits müssen nicht alle Fragen mit Hilfe von Fragesätzen gestellt werden. In manchen Situationen trifft auch die Bedingung „A weiß X nicht.“ nicht zu.
Öhlschläger unterscheidet direkte und indirekte Antworten und zeigt, dass die erweiterte Fragestellung (s.o.) hier falsch ist, weil sie keine wirkliche Alternative formuliert. Er weist darauf hin, dass es wichtig ist, ob eine Alternative formuliert worden ist oder nicht. Die Kategorie „Unentschieden“ umfasst verschiedenartige Reaktionen; sie lädt dazu ein, die wechselseitigen Annahmen und Erwartungen zu überprüfen. Öhlschläger nennt als Typen die Entscheidungs-, die Ergänzungs- und die Alternativfrage. Sozialwissenschaftler bevorzugen geschlossene vor offenen Fragen.
Auch wenn das Interview eine spezielle Fragesituation darstellt, könne man die Ergebnisse auf andere Fragesituationen übertragen.
8. Handlungsfolgen und Kohärenz von Kommunikationen (S. 146-166, von H. J. Heringer)
Die vielen sprachlichen Einzelhandlungen gibt es in Zusammenhängen. Heringer demonstriert das am Beispiel einer Bundestagsdebatte: Bestimmte Handlungen brauchen Vorläufer und rufen regelhaft Nachfolger hervor (Handlungssequenz), z.B. vorwerfen – bestreiten – beweisen, verteilt auf A – B – A. „Verstehen von Satzfolgen und ihre Projektion auf Sequenzmuster gehen zusammen.“
Im Rahmen der Kohärenz gibt es mehrere Möglichkeiten einer Reaktion: Auf einen Vorwurf kann man durch Bestreiten oder durch einen Angriff auf die implizierte Norm reagieren. Je nach Reaktion kann A dann seinerseits reagieren. So kann B nach einem Vorwurf diesen bestreiten, die Norm angreifen, sich entlasten oder sich entschuldigen, worauf A jeweils wiederum reagieren kann; die vielfältigen Möglichkeiten kann man in einem Baumdiagramm festhalten. Als unspezifische Reaktion bezeichnet Heringer solche, mit denen B nicht auf den Vorwurf eingeht, z.B. durch eine Verständnisfrage, durch Bezweifeln des Rechts von A, so zu handeln, usw.
Welche Handlung vorliegt, ist wesentlich durch den Zusammenhang bestimmt, in dem sie steht. Wenn es zwei Möglichkeiten zu antworten gibt, muss B wählen, kann aber die verworfene Möglichkeit später evtl. nachholen. Einzelne Handlungsweisen sind aber mit anderen unverträglich; man kann sich nicht entschuldigen und dann den Vorwurf bestreiten.
Konkrete Äußerungen, die eine Handlung bedeuten, sind oft nur vor einem Hintergrundwissen verständlich, das beiden gemeinsam sein muss. Kohärent sind also nicht Satzfolgen, sondern „bestimmte Verständnisse oder Verständnismöglichkeiten von Texten“. Das heißt, dass Kohärenz „immer auf dem eigenen Verständnis beruht“. Brüche oder Lücken in der Kohärenz kann ein Sprecher durch sog. Kohärenzmacher überbrücken (z.B. „Da fällt mir ein…“).
9. Kommunikationsprinzipien und der Aufbau von Kommunikation (S. 167-181, von B. Strecker)
Strecker leitet seine Überlegungen mit einem vertrackten jiddischen Witz über einen Lügner ein. – Wenn ein Kind die Sprache erlernt, gibt es noch keine Lüge, sondern nur die Einführung in die Regeln des Sprechens. Erst wenn das Kind zwischen wahr und falsch unterscheiden kann, kann es lernen, das Gegenteil von dem zu behaupten, was es für wahr hält. An der Forderung, nicht zu lügen, hängen das Lügen, das Behaupten, Bestreiten usw. Neben dem Lügen gibt es das Verheimlichen.
Es folgen Überlegungen zum fundamentalsten Prinzip: „Sei kooperativ!“ Es sichert, dass Kommunikation zustande kommt und kohärent bleibt. Was B sagt bzw. tut, muss für A einen Unterschied ausmachen. Weitere Prinzipien (bzw. Ausgestaltungen des fundamentalen) sind: Sei relevant! Sei informativ! Sei aufrichtig! Sprich klar! Sie konstituieren die Möglichkeit von Kommunikation und sind allgemein bekannt, wie viele Sprichwörter zeigen. Die entsprechenden Maximen für den Hörer lauten: Nimm an, dass der Sprecher kooperativ ist! (usw.) Wir alle wissen, dass diese Prinzipien nicht immer beachtet werden, dass sie nur in Grenzen verletzt werden dürfen – man kann sich aber auf ihre Verletzung einstellen (z.B. auf das irrelevante Schwätzen von Politikern).
Verletzungen dieser Prinzipien können zu weiteren Handlungen genutzt werden, also nicht bloß Kommunikation be- oder verhindern (z.B. den anderen schonen; sich vor Zensur schützen, usw.). Es hier geht um den reflektierten Gebrauch dessen, dass jemand etwas anderes tun will, als was er offensichtlich tut. Strecker führt das an fünf einfachen Beispielen vor.
Bruno Strecker war übrigens bis 2011 Leiter des Projekts Grammis, s. http://hypermedia.ids-mannheim.de/pls/public/sysgram.ansicht (wunderbare kostenlose Grammatik usw.).
10. Erfolgsorientiertes Kommunizieren (S. 182-212, von B. Strecker)
Als Grundlage nimmt Strecker das Gedächtnisprotokoll eines „Einstellungsgepsrächs“, das Lehramtskandidaten zu Zeiten des Radikalenerlasses über sich ergehen lassen mussten. Ein solches Einstellungsgespräch ist ein (Sprach)Spiel: die Realisierung von Handlungsmöglichkeiten, die wir uns durch Spielregeln in einen systematischen Zusammenhang gebracht denken. Welche Situation liegt vor? Wann gewinnt man beim Kommunizieren? Geht es dabei fair zu?
Die Analyse des konkreten Gesprächs können wir uns hier sparen. Der Regierungsdirekor hat das Sagen, das muss man wissen; die Frage ist, ob man ihn belügen darf, ob man sich zu seinen Überzeugungen bekennen soll und wie offensiv man auftreten soll.
Für ein normales Gespräch nennt Strecker strategische Leitlinien: Sei bemüht, für aufrichtig zu gelten! Unterstelle dem Partner nur beste Absichten! Sage nie, dass er Unrecht hat! Baue ihm Brücken für einen möglichen Rückzug! Gib ihm die Chance, sein Können zu zeigen! Vermeide Spott! usw. Das sind Maximen des Kooperierens. Wenn es um das Gespräch mit einem Konkurrenten geht, sehen die Maximen anders aus: Zeige, dass du überlegen bist! Schiebe dem Partner die Beweislast zu! Zeige Initiative! Behaupte nie mehr als notwendig! Verunsichere den Partner durch Zweifel! Diskreditiere die Quellen des anderen! usw.
Die Maximen eines auf Konkurrenz beruhenden Gesprächs sind moralisch oft fragwürdig. Man muss immer die besondere Situation berücksichtigen, um die besten Maximen zu finden, die den größten Erfolg versprechen.
11. Folgerungen (S. 213-233, von B. Strecker)
Die Gedanken des Kapitels beruhen darauf, dass wir vieles nicht sehen, sondern aufgrund von dessen Spuren erschließen, dass wir das Unzugängliche im Zugänglichen aufspüren. Strecker untersucht das Urteil des Gerichts im Prozess gegen Vera Brühne hinsichtlich des Tatzeitpunktes.
Dabei geht er davon aus, dass wir aufgrund semantischer Beziehungen Schlüsse ziehen: Wer zu einem bestimmten Zeitpunkt tot ist, kann nicht telefonieren, usw. Er unterscheidet nun zwischen möglichen, plausiblen und zwingend notwendigen Schlüssen bzw. Zusammenhängen und bezweifelt in einer akribischen Untersuchung, dass der Indizienbeweis des Gerichts für den Tatzeitpunkt zwingend ist.
Zum Schluss spricht er über die Bedeutung von Zweifeln: Dass wir nicht jeden Zweifel ernstnehmen, bezeugt, dass wir vernünftig sind; aber was vernünftig ist, ist nicht zwingend festzulegen. Ein Gericht trifft mit seinem Urteil „auch Entscheidungen über die semantischen Verhältnisse in unserer Sprache“ (oder bezeugt es, welche Verhältnisse es für gegeben hält?).
12. Unverträglichkeit (S. 234-250, von H. J. Heringer)
Am Beispiel eines Gesprächs mit einem Geisteskranken zeigt Heringer, dass diese Kommunikation offenbar nicht gelingt. Er berichtet, dass Geisteskranke als unzugänglich gelten, dass ihre Äußerungen unverständlich und nicht kohärent seien. Er unterstellt jedoch, dass sie nach einer anderen Regel statt regellos sprechen könnten. Die Rekonstruktion der Aussagen Peters unter Annahme anderer Regeln gelingt Heringer aber nicht.
Er führt dann den Begriff der Unverträglichkeit ein: Zwei Aussagen sind unverträglich, wenn nicht beide zugleich wahr, aber beide falsch sein können (anders bei Widerspruch). [Hier gibt es bei Heringer einen Widerspruch in der Definition der Unverträglichkeit, was die Möglichkeit betrifft, dass beide Sätze falsch sein können, S. 244 und 245. Es wird mir auch nicht klar, welchen Nutzen dieser Begriff hat, erst recht nicht im Zusammenhang mit dem Geisteskranken.]
13. Argumentieren (S. 251-274, von G. Öhlschläger)
Grundlage ist eine Pro-und-Contra-Diskussion von 1975 zur Frage, ob das Rauchen am Arbeitsplatz verboten werden soll. Öhlschläger erläutert kurz die Struktur der TV-Sendung und behandelt dann die Frage, was ein Argument ist. Damit ein Argument vorliegt, muss eine Folgerungsbeziehung zwischen zwei Sätzen bestehen, wodurch der zweite als Schluss gerechtfertigt wird.
Öhlschläger unterscheidet begründen, schließen und argumentieren. Er führt den Begriff der Präsupposition oder Schlusspräsupposition ein, die als allgemeinerer Satz den Übergang vom Argument zur Konklusion rechtfertigt.
Von Argumentationsketten spricht er, wenn eine Argumentation im Argument oder in der Präsupposition noch einmal verstärkt wird, was durch eine weitere (allgemeinere) Präsupposition oder durch eine Argumentation erfolgen kann.
Öhlschläger unterscheidet den Sprechakt Argumentationshandlung von der konkreten Argumentation und vermeidet den Begriff der Prämissen, weil dieser Begriff nicht zwischen Argument und Präsupposition unterscheidet.
Vor allem die grafischen Darstellungen sind klar, während es für den Leser nicht einfach ist zu folgen, wenn der Autor bloß mit Zahlen für die 70 Beispielsätze operiert.
14. Das Warum-Spiel (S. 275-295, von H. J. Heringer)
Die Satzfolge „S1 weil S2“ gilt auch für die Handlungen des Erklärens und Begründens. Heringer sagt, dass man Ereignisse erklärt und Handlungen begründet (also verständlich macht, dass einer so handelt).
Er stellt dann das Warum-Spiel vor, in dem man jede Antwort durch ein „warum“ hinterfragt, wobei es die Möglichkeit gibt, durch „stimmt nicht“ die Kette zu unterbrechen bzw. durch „stimmt“ wieder anzuknüpfen. Er verteidigt ausdrücklich die Verwendung dieses Spiels als Erkenntnismittel zur handlungstheoretischen Klärung der Grundlagen – das waren die goldenen 70-er Jahre. Das Spiel konnte erst mit Kinder der 3. Grundschulklasse gespielt werden; einige Verläufe werden dokumentiert.
Heringer zeigt, dass gelegentlich warum/wieso und weil/damit verwechselt wurde. Er weist auf die Asymmetriebedingung hin: Wenn „S1 weil S2“ gilt, kann nicht „S2 weil S1“ gelten – das führte zum double bind. Heringer berichtet, dass die Kinder selten den „stimmt nicht“-Einwand benutzt haben.
Er begründet die Bedeutung des Warum-Spiels für die Kinder damit, dass sie so lernten, die Regeln hinter Begründungszusammenhängen zu hinterfragen (die 70-er, ich erinnere mich an Hans Glinz in Aachen). Als Lernziele des Einsatzes solcher Spiele nennt er: Begründungen geben und verstehen; Begründungen bestreiten oder bezweifeln; stereotype Begründungen erkennen; die Assymmetrie von „weil“ beherzigen und Schleifen vermeiden.
15. Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit (S. 296-308, von H. J. Heringer)
Heringer führt anhand vieler Beispiele und Bilder darin ein, wie wir mit Unbestimmtheit umgehen (und daraus lernen sollen, dass u.U. etwas anderes gemeint sein kann, als wir verstehen). Unbestimmtheit ergebe sich daraus, dass ein Symbol eine Geschichte hat; Willkürlichkeit ergebe sich daraus, dass kein Symbol naturgegeben ist. Er unterscheidet Offenheit, Neutralität und Mehrdeutigkeit.
Dem Kontext stellt er dessen Fehlen (Nullkontext) gegenüber und behauptet, dass jeder seinen Grundkontext sozusagen mit sich herumträgt.
Wie es sich gehört, endet das Kapitel offen: mit einem Märchen vom Zauberschloss, dass sich zum Schluss in Luft auflöste und verschwand.
————————————————————————————————————————————————————— Hier endet das Referat!
Es gibt im Netz viele gute Einführungen in die Semantik (o.ä.), die man unter verschiedenen Stichworten aufrufen und mittels derer man die insgesamt eher einfache Einführung vom Heringer & Co. von 1977 vertiefen kann:
Einführung Semantik
http://www.uni-koeln.de/ew-fak/Deutsch/materialien/mbm/ss2003/ps_sw_pp/ps_sw_07_semantik.pdf (Mini-Einführung)
http://www.fb10.uni-bremen.de/khwagner/semantik/begleitmaterial.aspx
http://www.fb10.uni-bremen.de/khwagner/semantik/pdf/Felder.pdf
http://ling.uni-konstanz.de/pages/allgemein/study/pauseSemantik/pauseSem02skript.pdf
http://web.uni-frankfurt.de/fb10/zimmermann/WS00.01.pdf
http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/mkracht/html/semantik.pdf (mathemat.)
http://www.uni-leipzig.de/~doelling/veranstaltungen/formsem1.pdf (Grundannahmen)
http://www.uni-koeln.de/phil-fak/idsl/dozenten/lohnstein/semantik/gs_semantik.htm
http://homepage.mac.com/farwer/nkl0506/Folien_attachments/V2-NJ_LJ.pdf (intuitionist. Logik)
http://www.germsem.uni-kiel.de/hundt/material/2007-sose/VL7_SEMAN.ppt (nur Folien)
http://www.bubenhofer.com/korpuslinguistik/kurs/index.php?id=uebersicht.html (Grundlagen und Werkzeuge)
http://www.coli.uni-saarland.de/~saurer/lehre/einfsem/EinfSem-Skript.pdf
http://www.keydana.de/download.php (dort u.a. 12 slides Einführung in die Semantik)
spezieller: Einführung Satzsemantik
http://www.germanistik.uni-wuerzburg.de/fileadmin/05010400/Studium/Seminar_2/Skript_Kapitel2.pdf (Einführung)
http://web.uni-frankfurt.de/fb10/zimmermann/HandoutLviv.pdf
http://www.linguistik.hu-berlin.de/institut/professuren/sprachwissenschaft/lehre/archiv/ws2005/gk_ss/Semantik_01_Einfuehrung.pdf
http://www.sfs.uni-tuebingen.de/~astechow/Lehre/Semantikeinfuehrung/Masterdokument/Kap1_11.pdf
http://www.sfs.uni-tuebingen.de/~astechow/Aufsaetze/SchritteI.pdf
http://www.sfs.uni-tuebingen.de/~astechow/Aufsaetze/SchritteII.pdf
http://www.sfs.uni-tuebingen.de/~astechow/Aufsaetze/SchritteIII.pdf
allgemeiner: Einführung in die Linguistik
http://fak1-alt.kgw.tu-berlin.de/call/linguistiktutorien/index.html
http://www.neurolabor.de/script.htm
http://www.fask.uni-mainz.de/inst/iaspk/Linguistik/Welcome.html
http://ling.uni-konstanz.de/pages/allgemein/introling.html
http://www.cis.uni-muenchen.de/people/schuster/cl1/skript.pdf
http://www.fb10.uni-bremen.de/khwagner/Grundkurs1/
http://www.neurolabor.de/script4-Planung/script-mainframe.htm
http://www.rainerrauch.com/Download/Linguistik.pdf (Methoden!)
Ein weiteres Stichwort wäre Einführung Sprachwissenschaft.