Neologismus „unterfallen“ – Geburt eines neuen Wortes

Bei der Lektüre einer juristischen Arbeit ist mir mehrmals das Wort „unterfallen“ begegnet – etwa: Ein Tatbestand unterfällt einem Gesetz. Da mir dieses Wort unbekannt war, habe ich in den greifbaren Wörterbüchern nachgeschlagen. Nur der Wortschatz der Uni Leipzig und zwei weitere Wörterbücher führen „unterfallen“ auf; Duden und viele andere Wörterbücher (pons, Wahrig usw.) kennen es (noch) nicht, vgl. die Liste der Wörterbücher am linken Rand. Man kann hier vermutlich die Geburt eines neuen Wortes miterleben, das anscheinend bei den Juristen das Licht der Welt erblickt, wenn nicht sogar von ihnen gezeugt wurde. Die Belege bei Wortschatz Uni Leipzig, dwds und owid lassen aber auch eine nichtjuristische Herkunft zu.

Es wäre zu prüfen, ob diese Bildung (fällt … unter … + Akkusativ -> unterfällt + Dativ: Zusammenziehung von Verb und Präposition zu einem Kompositum) auch bei anderen Verben zu beobachten ist.

P.S. Gestern ist mir an anderer Stelle aufgefallen, wie sich die deutsche Sprache langsam ändert: Ich hatte ein Exposé einer meiner Töchter zu korrigieren, die Internationale BWL studiert und bereits ein paar Jahre als Unternehmensberaterin gearbeitet hat, demgemäß in ihrer Fachsprache ein halb englisches Deutsch spricht. Sie verwendete als Pluralform von „Journal“ nur „Journals“, was ich zu „Journale“ korrigiert habe; dann habe ich sicherheitshalber nachgeschlagen – das DWDS kennt auch den Plural „Journals“. „Duden. Die deutsche Rechtschreibung“ (2006, vorletzte Auflage) hat als einzige Form „Journale“, während Duden-online zwei Bedeutungen von „Journal“ unterscheidet: 1) Journal = (englischsprachige) naturwissenschaftliche Fachzeitschrift, mit der Pluralform „Journals“; 2) Journal = (Tages)Zeitung, bebilderte Zeitschrift, Tagebuch, mit der Pluralform „Journale“. Alle anderen Wörterbücher haben nur „Journale“ als Pluralform. – Korrektur an Duden-online: Auch die BWLer sprechen von „Journals“, nicht nur Naturwissenschaftler.

google-Suche am 15.02.2012: „die Journale“ 42.300, „die Journals“ 24.100. Fazit: Man kann je nach Zusammenhang und Aussprache auch „Journals“ stehen lassen – das nennt man Sprachwandel. Man muss „die Journals“ wie „the journals“ aussprechen, also englisch – ein Vorschlag meiner Tochter (und von Duden-online). Ich kenne „die Journals“ nur als Leser, nicht als Hörer, und das erst seit wenigen Tagen, und hatte eben nicht die englische Aussprache „drauf“; DWDS kennt als Aussprache dagegen nur die französische und führt mit seiner zweiten Pluralform „Journals“ in den Irrtum, in dem ich mich befunden hatte.

Vgl. auch den Artikel zum Neologismus „resultieren in …„!

Wortschatz Uni Leipzig – internationales Wörterbuch

Der „Wortschatz Uni Leipzig“ ist nicht nur als deutsches Wörterbuch konzipiert, sondern hat auch ein internationales Wb-Angebot, allerdings unter einer anderen Adresse: http://corpora.informatik.uni-leipzig.de/?dict=de

Dort muss man allerdings die Zielsprache anklicken, damit man auf die jeweils gewünschte Sprache zugreifen kann.

Was ich bis heute auch nicht wusste: Wenn man das „originale“ deutschsprachige Portal (http://wortschatz.uni-leipzig.de/) benutzt, muss man „Beachte Groß/Kleinschreibung“ anklicken, sonst wird sowohl (zuerst) das Ergebnis von Groß- wie von Kleinschreibung angezeigt, falls das im Deutschen möglich ist.

Mit dem Wörterbuch arbeiten (Beispiel: Büchner)

Sie sollen hier lernen, wie man die Bedeutung eines Wortes an seiner Stelle methodisch behutsam ermittelt.

Regel: Man ermittelt die Bedeutung eines Wortes, indem man als kompetenter Sprecher probiert, durch welches andere mit gleicher Bedeutung es an dieser Stelle ersetzt werden kann. (Ersatzprobe)

Hilfsmittel dabei ist das Sprachgefühl dessen, der den Kontext beacht. Das Wörterbuch ist eine Liste mit Bedeutungen, in denen ein Wort (einzeln oder in Redewendungen) im Allgemeinen verwendet werden kann.

Probieren Sie bitte, welches Wörterbuch Ihnen am besten hilft – begnnügen Sie sich nicht mit einem einzigen Wörterbuch! Als online-Wörterbuch gibt es:

Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache im 20. Jahrhundert (http://www.dwds.de/)

Wortschatz Universität Leipzig (http://wortschatz.uni-leipzig.de/)

BERTELSMANN Wörterbuch (Kurzfassung des Wörterbuchs von Wahrig: http://www.wissen.de/wissensserver/search?; nach der Worteingabe noch einmal in „Wörterbuch“ das Wort anklicken)

Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch (http://www.owid.de/)

und andere; ältere Wörterbücher sind die bei http://www.zeno.org sowie

Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache (http://www.textlog.de/johann-eberhard.html, 1910).

Mein Tipp: Halten Sie brauchbare Wörterbücher durch Lesezeichen auf dem Rechner fest!

[Es geht im Folgenden um Wörter aus Büchners „Woyzeck“; gezählt werden die Szenen nach der Ausgabe RUB 18420 von Burghard Dedner.]

1. Aufgabe: Ersetzen Sie „Meinetwegen“ (Ende 6.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: ______________________________________________________

2. Aufgabe: Ersetzen Sie „eins“ (6., im folgenden Satz) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: ______________________________________________

3. Aufgabe: Ersetzen Sie „hirnwütig“ (7.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: _______________________________________________

4. Aufgabe: Ersetzen Sie „gesehn“ (7., im Satz: Ich hab ihn gesehn.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung (evtl. ein ganzen neuen Satz bilden):

_______________________________________________________________________

5. Aufgabe: Ersetzen Sie „Doctor“ (Figurenangabe vor 8.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: ____________________________________

6. Aufgabe: Prüfen Sie, welche Konnotation (gefühlsmäßige Bedeutung) „Doctor“ nach Lektüre der ganzen Szene hat, ob also die normale Bedeutung hier zutrifft: _______________________________________________________________________

7. Aufgabe: Ersetzen Sie „gepisst“ (8., in der Wendung „auf Straß gepisst“) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: __________________________________

8. Aufgabe: Prüfen Sie, ob durch die Wiederholung plus Vergleich (an die Wand gepisst wie ein Hund, 8.) die Konnotation von „gepisst“ sich verändert:

_______________________________________________________________________

9. Aufgabe: Ersetzen Sie „unwissenschaftlich“ (8.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: __________________________________________

10. Aufgabe: Ersetzen Sie „Struktur“ (8.) durch ein Wort oder eine Wendung gleicher Bedeutung: __________________________________________

11. Aufgabe: Achten Sie in Zukunft bewusst darauf, ob Sie die Bedeutung eines Wortes oder einer Wendung methodisch behutsam ermitteln sollten, statt sich bloß aufs eigene Sprachgefühl zu verlassen.

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Das ist ein Arbeitsblatt, eine methodische Übung aus meinem Lehrerheft zu Büchner (Krapp & Gutknecht, 2010).

Der Pons-Verlag bietet übrigens Arbeitsblätter für die Wörterbuch-Arbeit an, u.a. für deutsch: http://www.pons.de/home/specials/unterrichtsmaterial/deutsch/