Produktives Schreiben: eine neue Perspektive einnehmen

Gehen wir von einem Beispiel aus meiner Praxis aus, der Lektüre des Jugendbuchs „Meine Spur löscht der Fluß“ (1978) von Othmar Franz Lang. Das haben wir in einer 8. Klasse des Gymnasiums gelesen: Ein junger Indianer ist der letzte Überlebende seines Stammes, er wird halbverhungert gefunden und aufgepäppelt. Im Roman wird erzählt, wie er die fremde Welt der Weißen erlebt: ihr Essen, ihre Hygiene, ihre Eisenbahn usw. – das alles erlebt und beschreibt er in den Kategorien seines indianischen Lebens. Damit macht er es dem Leser möglich, seine eigene westliche Kultur als fremd oder als nicht selbstverständlich und gottgegeben zu sehen, weil der Indianerjunge ein sympathischer Kerl ist, mit dem man mitfühlt. Die Aufgabenstellung einer Klassenarbeit vom 16.10.1987 lautete so:

Die Schüler sollen in Anlehnung an O. F. Lang, Meine Spur löscht der Fluß, Eigentümlichkeiten der Industriekultur aus der Perspektive des Indianers Ishi darstellen können.

Du hast die Wahl zwischen folgenden Themen:

– Wie ich zum ersten Mal in einer Schule beim Unterricht war.

– Wie ich beim Friseur war.

– Wie am Museum eine neue Straße gebaut wurde.

Die Themen stammen also aus Feldern, die die Schüler aus eigener Erfahrung kennen; die Aufgabenstellung war natürlich an mehreren Beispielen (Ishi im Schwimmbad usw.) eingeübt worden. – Leider gibt es das bewegende Buch nur noch antiquarisch zu kaufen. Die Fragestellung „Wie sieht unsere Lebensweise in fremder Perspektive oder mit fremder Brille betrachtet aus?“ ist heute aber aktueller denn je; viele Migranten erleben in Deutschland täglich eine Welt, die ihnen in mancherlei Hinsicht fremd und oft unverständlich ist und in die man sich hineinversetzen muss, um ihnen und ihren Problemen gerecht zu werden. Wie man das praktisch im Unterricht umsetzt, überlasse ich gern den jungen Kollegen

Ich nenne noch ein paar Beispiele aus der großen Literatur, wo in der Regel Fremde nach Europa kommen oder ein Europäer in die Fremde reist (Besprechung der Titel in meinem Blog norberto42:

Voltaire: Amabeds Briefe

Voltaire: Das Naturkind

U. Eco: Industrie und sexuelle Repression in einer norditalienischen Gesellschaft (in: Platon im Striptease-Lokal)

Stefan Themerson: Prof. Mmaa’s Vorlesung (dort auch Verweis auf Weckhrlin, Andersen u.a.), wo sogar die Termitensicht auf den Menschen präsentiert wird.

Ich habe den Perspektivenwechsel aber auch benutzt, um schnöde den Gebrauch des Konjunktivs II einzuüben (Kl. 7: Variationen zu „Wär ich ein Baum“ von Erich Kästner, s.)

https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/phantasie-war-ich-ein-baum-kastner/

https://norberto68.wordpress.com/2019/10/14/produktiv-schreiben-in-der-sek-i-erprobte-beispiele/

Zur Theorie des Fremdverstehens siehe diese Artikel aus dem Hogrefe:

Fremdverstehen

[engl. understanding of others], [FSE, SOZ], das Konzept des Fremdverstehens hat maßgeblich Alfred Schütz (1974) in seiner theoretischen Betrachtung von Verstehensprozessen innerhalb alltäglicher Kommunikationssituationen herausgearbeitet (Kommunikation): Innerhalb dieser nimmt ein Kommunikant (ego) stets eine Deutung dessen vor, was ihm von einem anderen Kommunikanten (alter) mitgeteilt wird. Jeder der beiden Kommunikanten kommuniziert dabei auf der Basis des eigenen Wissenshintergrundes (Relevanzsystems), das semantisch-indexikal angelegt ist (Indexikalität): Die zu verstehende Mitteilung, die der eine Gesprächsbeteiligte kommuniziert, kann der andere Gesprächsbeteiligte nur verstehen, indem sie an das eigene Relevanzsystem adaptiert wird. Verstehen ist kognitionspsychol. betrachtet also die Übersetzung des zu Verstehenden in das eigene, semantisch-indexikale Relevanzsystem. Verstehen stellt damit immer das Verstehen von Fremdem dar, denn alles, was außerhalb unseres eigenen Relevanzsystems existiert, ist uns grundsätzlich fremd. Genau diese Tatsache wird jedoch in alltäglichen Kommunikationsprozessen bewusst ausgeblendet: Wie Alfred Schütz (1974) betont hat, wird nur mit der Reziprozität der Perspektiven, welche zwei idealisierende Unterstellungen umfasst, nämlich die Idealisierung der Vertauschbarkeit der Standpunkte und die Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme, Kommunikation praktisch möglich. Alfred Schütz hat in diesem Zusammenhang pointiert, dass Fremdverstehen somit stets eine Selbstauslegung bleibt, da wir eben nur mit unserem Relevanzsystem verstehen können. Verstehen ist damit immer nur als eine relative Annäherung an das Fremdzuverstehende aufgrund von Idealisierungen sowie Annahmen in Hinblick auf eine sozial geteilte Welt und von praktischen Aushandlungen sowie akzeptierten kommunikativen Basisregeln möglich. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/fremdverstehen

Perspektivität, Perspektivismus

[engl. perspective, point of view; lat. perspicere hindurchschauen, deutlich sehen],[HIS, PHI],bez. die Abhängigkeit der Wahrnehmungen und der Urteile von der Position des wahrnehmenden bzw. urteilenden Individuums. Als Begriffe der Erkenntnistheorie gehen Perspektive, Standpunkt und Horizont auf Leibniz zurück. Er erläutert den Gedanken der Perspektive an einem Bsp., «wie eine und dieselbe Stadt, von versch. Seiten betrachtet, jew. ganz anders erscheint». Gustav Theodor Fechners Bsp. ist ein Kreis: «Wenn Jemand innerhalb eines Kreises steht, so liegt dessen konvexe Seite für ihn ganz verborgen; wenn er außerhalb steht, umgekehrt die konkave Seite unter der konvexen Decke. Beide Seiten gehören ebenso untrennbar zus., als die geistige und leibliche Seite des Menschen und diese lassen sich vergleichsweise auch als innere und äußere Seite fassen … Aber der Kreis ist nur ein Bild und es gilt die Frage nach der Sache.»

Im Unterschied zu Spinozas Zwei-Attribute-Lehre (Doppel-Aspekt-Lehre), nach welcher Geist und Materie zwei Seiten ein- und derselben Sache sind (una eademque res) postulierte Leibniz außerdem, dass psych. Vorgänge aus den Motiven und Zwecksetzungen, die körperlichen Vorgänge nach dem Kausalprinzip zu erklären sind. Diese Idee wurde als psychophysischer Parallelismus von Wundt genauer ausgeführt, wobei er keine metaphysische Lehre i. S. zweier Substanzen, Seele und Materie, meint, sondern zwei sich wechselseitig ergänzende Betrachtungsweisen einer lebendigen Einheit nach grundversch. Kategorien (Kategorienlehre) und Methoden.

Perspektive bedeutet, ein Objekt, eine Person, eine Idee von einem best. Standpunkt aus zu betrachten, und der Begriff impliziert, dass auch eine andere oder mehrere Perspektiven möglich sind. Der Begriff wird in der Ps. nicht nur hinsichtlich der visuellen Wahrnehmung (Perspektive) verwendet, sondern in der Persönlichkeits- und Sozialpsychologie, in der Kulturpsychologie, in Piagets genetischer Erkenntnistheorie (Entwicklung, Stufentheorie nach Piaget). Am häufigsten zu finden ist die Perspektive von Innen und Außen, von Erleben und Verhalten (das traditionelle Subjekt-Objekt-Problem, Perspektive der Ersten Person und der Dritten Person in der Theory of Mind). Ausdrücke wie Perspektive und Horizont sind charakteristisch für die von Husserl und Merleau-Ponty entworfene Phänomenologie (s. auch Graumann, 1960).

Perspektivität/Perspektivismus ist die erkenntnistheoret. Grundhaltung und die phil. Überzeugung, dass eine fundamentale Abhängigkeit der Erkenntnis von dem Standpunkt (Bezugssystem) und den Eigenschaften des betrachtenden Individuums besteht. Der perspektivistische Objektivismus setzt eine obj. Wirklichkeit voraus, die aufgrund der unterschiedlichen Standpunkte und Eigenschaften der Betrachter unterschiedlich aufgefasst wird, während der perspektivistische Subjektivismus eine Vielfalt der Wirklichkeiten behauptet (s. Nietzsche und Vaihinger). Der sprachphil. Perspektivismus Wittgensteins verweist auf sie sprachlichen Gepflogenheiten («Sprachspiele»), die das Bezugssystem mitbestimmen. Der Perspektivismus ist dem Pluralismus, Relativismus und auch dem Konstruktivismus verwandt, kann jedoch eine strengere Fassung erhalten, indem die Kategorien (Kategorienlehre) der Bezugssysteme und die indiv. Standpunkte def., die wechselseitige Ergänzung der Perspektive zu einem Gesamtbild verlangt und der zur Erfassung der vollen Wirklichkeit notwendige Perspektivwechsel (Perspektivenübernahme) betont werden. Die Unterscheidung von koexistierenden Bezugssystemen dient der wiss.theoret. Ordnung der komplizierten Bezüge. Die Einheit in der Vielfalt (unitas in multitudine, Leibniz) und unitas multiplex (William Stern) zu erfassen, legt multireferenzielles Denken, die Koordination von kategorial versch. Bezugssystemen und das entspr. multimeth. (Multi-Methodalität) Vorgehen nahe. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/perspektivitaet-perspektivismus

Perspektivenübernahme

[engl. perspective adoption/taking], [EW], Fähigkeit, den Standpunkt einer anderen Person, der sich vom eigenen unterscheiden kann, bewusst einzunehmen, ohne den eigenen zu verlieren. Kognitive Voraussetzung für die Perspektivenübernahme ist die Fähigkeit zur Dezentrierung. Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme bei Wahrnehmungsinhalten, wie sie im Drei-Berge-Versuch von Piaget gemessen wird, entwickelt sich i. d. R. im sechsten Lebensjahr; weniger komplexe Formen der Perspektivenübernahme – auch bzgl. Meinungen, Emotionen und Bedürfnissen – können aber schon bei 3- bis 4-jährigen Kindern beobachtet werden. Mit dem Auftreten der Perspektivenübernahme verschwindet der Egozentrismus des Kindes. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/perspektivenuebernahme

Vgl. auch

https://de.wikipedia.org/wiki/Perspektivismus (Perspektivismus)

https://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Erzaehlperspektive (Erzählperspektive)

Produktiv schreiben in der Sek. I – erprobte Beispiele

Ich habe in Kl. 5-10 des Gymnasiums regelmäßig Unterrichtsreihen durchgeführt, in denen die Schüler produktiv schreiben sollten – wenn man so will auch: kreativ, obwohl sie sich im Schreiben an Schemata anlehnen konnten. Alle Reihen endeten in einer Klassenarbeit, deren beste Ergebnisse man in einem Reader veröffentlichen kann. Ich gebe eine kurze Übersicht über die Abfolge der Aufgaben:

Klasse 5: einen Märchenanfang ausgestalten (weitererzählen), siehe https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/marchenanfange-fortsetzen-marchen-schreiben-mit-beispiel/; der vorgegebene Text reichte bis zur ersten Aufgabe, die der „Held“ zu bewältigen hat.

Klasse 6: Aus einer anderen Perspektive erzählen; in einem Übungsdiktat ist festgehalten, was dabei zu beachten ist:

Aus einer anderen Perspektive erzählen
1 Wir leben als Menschen nicht nur neben anderen, sondern auch mit ihnen. Wir können uns in ihre Lage versetzen und die Welt mit ihren Augen sehen; wir können ihren Standpunkt einnehmen.
2 Deshalb können wir auch Erzählungen so umformen, dass wir die Perspektive verändern, in der die Ereignisse gesehen werden. Meistens verändern wir sie so, dass der Standpunkt des unbeteiligten Erzählers aufgegeben wird.
3 Stattdessen nehmen wir den Standpunkt einer am Geschehen beteiligten Person ein. Wir müssen uns dann etwa fragen, wie der Bauer den Betrug erlebt; wir können uns das leicht vorstellen, weil wir solche Vorfälle kennen.
4 Der Bauer ist klüger als seine Frau und merkt sogleich, dass diese vom Studenten betrogen worden ist; er schimpft sie aus und will das ergaunerte Gut dem frechen Studenten wieder abnehmen.
5 Dabei fällt er selber auf den listigen Betrüger herein, den er für einen Arbeiter gehalten hat; er erkennt auch dessen zweiten Betrug, gesteht aber vor seiner Frau nicht ein, dass er selber vom Studenten ausgetrickst worden ist.
6 Wir können uns leicht in die Situation eines Menschen versetzen, der nicht dumm ist, aber von einem klügeren hereingelegt wird. Was erfährt und erlebt der Bauer? Wie erlebt er das alles? Das können wir aus seiner Sicht erzählen.
[zum Schwank: Von einem armen Studenten, der aus dem Paradies kam]
7 Der vorgegebene Text muss gekürzt werden, wenn der Ich-Erzähler etwas nicht weiß oder bemerkt; wenn er aber etwas Wichtiges, Bedrohliches oder Aufregendes erlebt, kann der Text auch erweitert oder gedehnt werden.
8 Was die erzählende Person selber sagt, fühlt, denkt und erlebt, wird in der 1. Person formuliert: „ich“ und „wir“ sind die Personalpronomen der 1. Person; die Pronomen „mein“ und „unser“ zeigen den Besitz an.
9 Von Bedeutung ist, wem und bei welcher Gelegenheit der Bauer die Geschichte erzählt. Einem guten Freund wird er seine Dummheit vielleicht eingestehen, vor anderen sie wohl eher entschuldigen: Wie schlecht doch heutzutage die Studenten sind!
10 Irgendwann, nicht unbedingt zu Beginn muss angedeutet werden, wann das Geschehen sich ereignet hat. Wenn man bedenkt, wem der Bauer seine Geschichte bei welcher Gelegenheit erzählt, wird man leicht den Anfang finden.

Hierzu eignen sich vor allem Schwänke oder Hebels Kalendergeschichten; so kann Hebels Erzählung „Der kluge Richter“ aus der Perspektive des Begünstigten erzählt werden: „Wie ein kluger Richter meinen guten Ruf gerettet hat.“ Man kann/sollte auch die Erzählsituation vorgeben: Ein Mann erzählt in geselliger Runde: „Wie ein kluger Richter…“ Oder zu „Der geheilte Patient“: Der Opa erwählt seinen Enkelkindern: „Wie ein kluger Arzt mich vor langer Zeit von meinen Macken befreit hat.“ Man muss dabei die Perspektive des Opas wie auch die Erwartungen und Kenntnisse (Perspektive) der Kinder berücksichtigen. Eine große Aufgabe!

Ebenfalls in Klasse 6 vielleicht auch: eine Erzählung in einen Bericht umformen. Schön und ergreifend war die Lektüre von O. F. Langs Roman „Meine Spur löscht der Fluß“ – danach konnte ein normales Ereignis in der Perspektive und Sprache eines frisch in die „Zivilisation“ verschlagenen „Indianers“ erzählt werden.

Klasse 7: Im Anschluss an Kästners Gedicht „Wär‘ ich ein Baum“ haben wir versucht, die Menschenwelt mit den Augen eines Tiers oder eines Gegenstandes („Wenn ich ein Buch wäre“, „Wenn ich eine Uhr wäre“ …) zu beschreiben; sehr anspruchsvoll, vgl. https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/phantasie-war-ich-ein-baum-kastner/ (vgl. auch das Stichwort Nature Writing).

Klasse 8 (- 10): Nach der Analyse einiger Kurzgeschichten kann man den vorgegebenen Anfang einer Kurzgeschichte zu Ende schreiben lassen, vgl. https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/anfange-von-kurzgeschichten-fortsetzen/; Vorsicht: die Schüler neigen zu happy-end-Schlüssen!

Kl. 8: Im Zusammenhang mit einer analytischen Reihe über Formen des Bewertens habe ich gern eine Figur in einem vorgegebenen Text umwerten lassen, also etwa aus einer in einem Zeitungsartikel verrissenen Sängerin einen großen Star oder aus einem tollen Offizier (Landserheft) einen miesen Typen machen lassen. Die Anleitung zur analytischen Arbeit finden Sie unter „Aufsatzunterricht“, dort C: Etwas bewerten, darin „Kriterien und Methoden des Bewertens“ und „aufwerten – abwerten: sprachliche Mittel“.

Klasse 9: Satiren schreiben, das war eine meiner Lieblingsreihen, mit wunderbaren Ergebnissen, s. https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/satiren-schreiben-mit-beispielen/ (vgl. auch noch https://norberto68.wordpress.com/2013/09/15/satire-beispiel-worterbuch-des-fmg/).

Klasse 10: eine Typisierung verfassen; auch diese Reihe führte zu schönen Ergebnissen, vgl. die Darstellung in https://norberto68.wordpress.com/2011/02/21/typisierung-mit-beispielen/. Als Leser der Schülerarbeiten erfreut man sich an der kritischen Sicht seiner Zöglinge – alle Reihen in Kl. 7-10 haben ja einen kritischen Touch, und bereits die Erzählung in der „Indianersprache“ in Klasse 6 arbeitet mit der Technik der Verfremdung.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur Mut! Ich habe die besten Erfahrungen mit diesen Reihen gemacht.

Perspektive: bewerten, Brief schreiben, erzählen

„Perspektive“ zu kennen und zu würdigen ist unerlässlich, wenn man die Welt der Menschen, ja der Lebewesen überhaupt verstehen will. Ich erkläre an einem Beispiel, wieso das der Fall ist.

In einer von den Brüdern Grimm gesammelten Geschichte [ich gebe zu, ich habe mich mit der Herkunft dieser Erzählung nicht befasst] mit dem Titel „Der alte Großvater und der Enkel“ (http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/enkel.htm) wird vom Geschick eines alten Mannes erzählt: Der Großvater klackert also bei Tisch. Was er sich dazu denkt, kann man nur vermuten; man kann es auch die Schüler vermuten lassen: „Ich kann doch nichts dafür, ich bin so schwach.“ Man kann die Schüler auch vermuten lassen, was die Schwiegertochter dazu denkt, die ja den Schmutz beseitigen muss: „Er könnte sich etwas besser benehmen, er macht mir nur Arbeit.“ Bei der Schwiegertochter sagt der Erzähler sogleich, wie sie zusammen mit ihrem Mann das Klackern empfindet: Sie ekeln sich davor.
Die Geschichte ist eine der ganz großen Erzählungen der Weltliteratur, obwohl sie in meiner Ausgabe (it 113, S. 73 f.) nur 21 Zeilen umfasst – also bitte unbedingt lesen, wenn man sie nicht kennt! Sie endet jedenfalls so, dass Sohn und Schwiegertochter den Alten aussperren und ihm eine unzerbrechliche Holzschüssel „für ein paar Heller“ kaufen; damit ist das Problem der Verschmutzung für sie erledigt. Sie gewinnen erst eine neue Sicht des Vorgangs – eine Sicht auch auf den alten Mann, ja eine Einsicht in seine Sicht des Vorgangs, als ihr kleiner Sohn einen Holztrog bastelt; „daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin“ – aus Holztrögen fressen sonst die Tiere. Die Eltern können in dieser noch fiktiven, also erst vorgestellten Situation [für Philosophen: Stichwort „Imagination“!] begreifen, was ihre Lösung des Schmutzproblems für den betroffenen Großvater bedeutet; sie haben seine Perspektive eingenommen und als potenziell selbst Betroffene bewertet. Sie haben die Perspektive gewechselt.

Was ist die Perspektive? Sie ist eine Sicht oder Sichtweise, welche durch den Standpunkt und die Blickrichtung bestimmt wird; vom eigenen Standpunkt her hat sie ihr Recht, aber – menschlich gesehen – eben auch ihr Unrecht, sofern sie die Perspektive des anderen nicht beachtet. Moralisch-menschlich wird das in der Goldenen Regel erfasst; strategisch (im Schach, im Krieg wie in der Politik) wird man dafür oft mit einer Niederlage bestraft. Das meint Hondrich so ähnlich, wenn er vom „Lehrmeister Krieg“ spricht.
Perspektiven zu erkennen, zu würdigen, zu wechseln, dazu gibt es im Deutschunterricht viele Übungen.

Ich stelle hier drei Aspekte vor, in denen im Deutschuntericht die Perspektive die leitende Kategorie ist:
bewerten, einen Brief schreiben, erzählen

1. Bewerten – aus einer anderen Perspektive
Dass Perspektive ein Zentralbegriff des Deutschunterrichtes ist, sollte klar sein; ebenso ist klar, dass Bewerten an eine Perspektive gebunden ist (wer es noch nicht weiß, sollte Nietzsche lesen).
In der Praxis zeigt sich, dass es selbst Schülern in Klasse 8 oder 9 nicht leicht fällt, den gleichen Sachverhalt in einer anderen Perspektive zu denken bzw. zu sagen!

Perspektive und Bewertung
Je nachdem, ob ich mich selber sehe oder ob ein anderer mich anschaut, kommt ein anderes Bild zustande, wird derselbe Mensch oder dieselbe Eigenschaft anders gesehen und bewertet:

Ich (1. Person) bin……………………….Er (oder: Sie, 3. Person) ist
— phantasiebegabt;……………………… — ein Spinner;
bin betroffen, ja empört;……………… — ?
bin äußerst sensibel;…………………… — ?
bin ganz schlank;………………………… — ?
habe eine starke Figur;……………….. — ?
liebe gutes Essen;………………………. — ?
sage zu einem Schnaps nicht Nein; — ?
habe beim Schreiben Ideen;………… — er schweift dauernd ab;
verliere meine Karriere nicht aus dem Auge; — ?
habe einen gesunden Schlaf;……….. — ?

Ich bin sparsam                                    — er ist ein Geizkragen;
Ich _____________________________ — er ist starrsinnig;
Ich _____________________________ — er hat keine eigene Meinung;
Ich _____________________________ — er ist ein Modeaffe;
Ich _____________________________ — sie ist eine Quasselstrippe;
Ich _____________________________ — sie ist ein taktloser Mensch;
Ich _____________________________ — sie ist völlig unmusikalisch;
Ich _____________________________ — sie hat seit zehn Jahren kein Buch mehr angefasst;
Ich _____________________________ — er ist ein faules Schwein;
Ich _____________________________ — er ist völlig unzuverlässig;
Ich _____________________________ — er redet mal so, mal so;
Ich _____________________________ — er kennt nur sich selber;
Ich _____________________________ — er „knatscht“ den ganzen Tag;

Suche weitere Beispiele! (Quelle: altes LDB 10, S. 182 f. – dessen Quelle ist Bertrand Russell; es gibt mit gleicher Idee das Gedicht Kurt Tucholskys: Konjugation in deutscher Sprache, 1928.)


2. Einen Brief schreiben

Einen Brief schreiben, das übe ich bereits in Klasse 5. Die Kinder sollen lernen, eigene Wünsche vorzutragen, aber auch die Anliegen und die Perspektive des Empfängers zu bedenken. Praktisch läuft das oft darauf hinaus, dass die Schüler ihre Klassenlehrerin aus der Grundschulzeit zum Tag der offenen Tür am Gymnasium einladen.

Vorüberlegungen
Drei Fragen muss man geklärt haben, ehe man zu schreiben beginnt:
1. Was will ich?
2. Was will der andere (was interessiert ihn)?
3. In welchem Verhältnis stehen wir zueinander?
Wenn diese drei Fragen beantwortet sind, kann man überlegen, wie man den Brief aufbaut: Wie fange ich an? Wie sage ich das, was ich eigentlich will? Wie höre ich auf?
Folgende Einzelheiten könnte man dazu bedenken:
A) Wie fange ich an?
– Ich stelle mich vor (mit Datum, Adresse).
– Welche Anrede nehme ich (wie herzlich)?
– Warum habe ich mich an den Adressaten erinnert?
– Warum schreibe ich jetzt? Wann hatten wir zuletzt Kontakt?
– Muss ich mich nach ihm erkundigen?
– Musste ich etwas für ihn erledigen oder besorgen?
– Ist für ihn wichtig, wie es mir geht?
– Sind meine Pläne für ihn interessant?
B) Wie sage ich das, was ich eigentlich will?
– Wie offen bzw. wie direkt kann ich sprechen?
– In welcher Reihenfolge trage ich meine Gedanken vor?
– Was muss im Einzelnen erklärt oder begründet werden?
– Mit welchen Einwänden oder Bedenken sollte ich rechnen?
– Welche Worte (höflich – grob) wähle ich?
(Beachte diese Frage, wenn du den Brief überarbeitest!
Manchmal ist es auch besser, wenn man etwas verschweigt oder
auf sich beruhen lässt – man muss nicht alles aussprechen!)
C) Wie höre ich auf?
– Soll ich von meinen Plänen oder von Bekannten sprechen?
– Besteht Aussicht auf ein Treffen, das ich nennen kann?
– Welche guten Wünsche sollte ich äußern?
– Wie herzlich soll oder darf ich grüßen?
Unterschrift

Drei Dinge sind noch zu ergänzen:
* Hier ist der Gesprächspartner immer „der andere“ genannt, auch wenn man an Tante Ilse schreibt oder an die Großeltern.
* Der Hauptteil kommt hier in unseren Überlegungen knapp weg, aber nicht weil er unwichtig wäre, sondern weil man oft nicht genug beachtet, wie wichtig die Einleitung und der Schluss sind; die hier genannten Fragen müssen nicht alle beantwortet werden – sie sind als ein Katalog gedacht, anhand dessen man prüfen kann, ob man nichts Wichtiges vergessen hat. (Wer kennt weitere Fragen für den Katalog?)
* Was hier vom Briefschreiben gesagt ist, gilt grundsätzlich auch vom Telefonieren und für jede Art von Kontakt – also dann, wenn man in ein Gespräch eintritt (oberste Regel):
-> Denke nicht nur daran, was du selber erreichen möchtest, sondern beachte auch den anderen: was er weiß, was ihn interessiert, wie er dein Auftreten empfindet!
Eine Seite mit Links zum Thema ist hier!

Einen Brief schreiben – Übungsdiktat
1 Wenn man einen Brief schreibt, ist das so ähnlich, wie wenn man zu jemand spricht; aber man ist nicht unmittelbar mit ihm zusammen. Was dieser Unterschied für das Briefeschreiben bedeutet, wollen wir untersuchen.
2 Am besten überlegt man, was man eigentlich will, ehe man zu schreiben beginnt. Man darf aber nicht übersehen, dass vielleicht auch der andere etwas von einem wissen oder bekommen möchte; wer nur sich selber sieht, ist dumm.
3 Wahrscheinlich sieht der andere dich auch anders als du selber – denke an den Unterschied zwischen der 1. und der 3. Person! Erinnerst du dich an Bemerkungen, die anzeigen, was der andere von dir hält?
4 Da man mit dem anderen nicht zusammen ist, muss man „das Gespräch“ herstellen. Falls man nicht an Freunde schreibt, stellt man sich vor, indem man Namen und Adresse nennt und das Datum angibt; danach folgt die Anrede.
5 Nun kann das Gespräch beginnen. Zur Einleitung schreibt man am besten etwas Erfreuliches oder etwas, was den anderen vermutlich interessiert; so zeigt man ihm, dass man an seinem Leben Anteil nimmt.
6 Im Hauptteil des Briefes stellt man dar, was man eigentlich will: was man mitteilen will, um welche Auskunft oder welche Gefälligkeit man bittet. Da der andere nicht fragen kann, muss man sich klar ausdrücken.
7 Damit ist aber nicht gemeint, dass man einfach direkt auf sein Ziel losgeht; oft muss man den anderen für die eigenen Pläne zu gewinnen suchen, Bedenken des Adressaten ausräumen oder zeigen, dass der eigene Wunsch begründet ist.
8 Zur Form des guten Gesprächs gehört auch, dass es ruhig ausklingt und nicht zusammenbricht. Man kann zum Schluss von etwas sprechen, was beide angeht; zumindest sollte man den anderen grüßen, ehe man den Brief unterschreibt.
9 Heute telefoniert man oft, statt einen Brief zu schreiben. Am Telefon fasst man sich normalerweise kurz; aber die Regeln, wie man dort mit dem Zuhörer umgehen soll, sind im Prinzip die gleichen wie beim Schreiben.

* Ein Brief an eine F i r m a oder ein A m t ist an eine Institution gerichtet; auch dort sollte man höflich schreiben, weil der Leser ein Mensch ist, mit dem man gut auszukommen suchen sollte.

Klassenarbeit
Einen Brief schreiben; in Literatur produktiv eingreifen; Bedeutung der Perspektive (1./3. Person) kennen – eine Schulstunde

1. Aufgabe zu „Die Freunde“ von Wilhelm Busch:
Am Tag des Diebstahls gehen den beteiligten Personen allerlei Gedanken durch den Kopf.
Bilde jeweils zu den folgenden Gedanken einer Person eine passende Aussage der genannten anderen Person (in der Ich-Perspektive) und schreibe sie hier auf:
(1) Ferdinand denkt (zu Vers 8-10): „Käthchen nutzt uns aus.“
Käthchen denkt: ____________________________________________________
____________________________________________________________________
____________________________________________________________________
(2) Ferdinand denkt (V. 18-22: „Fritz hat mich im Stich gelassen.“)
Fritz denkt: _______________________________________________________
____________________________________________________________________
____________________________________________________________________
(3) Schramm denkt (zu Vers 26-28): „Da habe ich den Dieb gerecht bestraft.“
Ferdinand denkt:
___________________________________________________
____________________________________________________________________
____________________________________________________________________
(4) Ferdinand denkt (zu V. 33 f.): „Fritz ist ein mieser Verräter.“
Käthchen denkt: ____________________________________________________
____________________________________________________________________
____________________________________________________________________
2. Aufgabe:
In den Oktoberferien ist Fritz verreist; er hat über die Birnengeschichte noch einmal nachgedacht und möchte die alte Freundschaft mit Ferdinand wiederherstellen. Am 14. Oktober, dem vorletzten Ferientag, schreibt Fritz aus Trier einen Brief an Ferdinand.
Schreibe diesen Brief!
(Überlege, ob du dir vorher einige Stichworte notieren willst!)
Viel Erfolg!

3. Aus einer anderen Perspektive erzählen
Perspektive ist ein Zentralbegriff der Literaturwissenschaft; Perspektiven in ihrer Eigenart zu erfassen ist eine Leistung, die man auch im praktischen Leben erbringen muss. Die Aufgabe, eine vorgegebene Erzählung aus einer anderen Perspektive neu zu erzählen, setzt voraus, dass die Erzählung ebenso wie die neue Perspektive erfasst ist: eine große Leistung. Ich arbeite mit dieser Aufgabenstellung am Ende von Kl. 6 oder in Klasse 7.
Aus einer anderen Perspektive erzählen
Wie man aus einer anderen Perspektive erzählen kann, wurde im Anschluss an die Erzählung „Neben dem blauen Seepferdchen“ (Unterwegs 7) untersucht.
Der Junge (oder das blinde Mädchen) als der neue Erzähler (mit Ich-Perspektive)
1. weiß nicht alles, was bisher geschehen ist (d.h. die Vorgeschichte), und ist infolgedessen über manche Ereignisse überrascht [Ob das Mädchen wohl seine Schwester war?], vielleicht weiß er aber mehr als andere Figuren; manche Dinge versteht er aufgrund seiner Vorkenntnisse nicht (warum das blinde Mädchen an der Hand zum Nichtschwimmerbecken geführt wird);
2. nimmt wegen seiner Interessen nicht alles wahr, was gerade geschieht;
3. erlebt (empfindet) das, was er vom Geschehen wahrnimmt, auf seine Weise:
— er freut sich über bestimmte Dinge, ist stolz auf seine Leistungen usw.;
— er ärgert sich über einiges, ist davon betroffen, gekränkt…
— manche Dinge sind ihm gleichgültig, die für andere wichtig sind (tauchen);
4. er hofft und befürchtet von dem, was auf ihn zukommt, vielleicht etwas anderes als andere Figuren; der Junge verspricht sich von seinem Tauchvorhaben, dass er damit auf das Mädchen Eindruck macht.
5. Von großer Bedeutung ist sodann die Situation, in der jemand etwas erzählt. „Der geheilte Patient“ (Hebel) wird seine Enkelkinder lustig belehren, wie viel er gefressen hat, ehe er durch vernünftige Lebensweise gesund geworden ist; an seinem 80. Geburtstag kann er mit dieser Geschichte seinen Freunden erklären, wie er durch den klugen Arzt und dessen medizinischen „Trick“ zur Vernunft gebracht worden ist; jetzt hat er Distanz von seiner früheren Dummheit. – Er selber wird eine andere Sprache als der Arzt in dessen Antwortbrief sprechen.
Die Erzählsituation wird in einer Rahmenerzählung entfaltet; diese kann, aber muss nicht in der Ich-Perspektive des neuen Erzählers dargestellt werden.
6. Grundsätzlich spricht jemand ausführlich von dem, was für ihn wichtig ist, aber wenig davon, was ihn nicht interessiert (Begriff der Zeitstruktur!).
7. Wörtliche Rede, die man aus der Vorlage übernimmt, muss wörtlich übernommen werden; durch jede Änderung signalisiert man, dass die neue Figur etwas anderes gehört hat als der alte Erzähler. – Man kann sinngemäß auch neue wörtliche Rede einfügen.

Kontrollfragen (Idee von Jan Feiter):
1. Ist der alte Text sachlich richtig erfasst und beachtet?
2. Der neue Ich-Erzähler und seine Perspektive:
a) technisch: Ist das, was er erlebt, zusammenhängend erzählt?
Ist die Ich-Perspektive durchgehalten?
Passen wörtliche und indirekte Rede zu ihm?
b) Entspricht das von ihm „Erlebte“ dem neuen Ich-Erzähler? Ist also „echt“ und glaubhaft erzählt? Sind die richtigen Stellen gestrichen bzw. erweitert?
3. Der kommunikative Aspekt: Es wird etwas einem Zuhörer erzählt.
a) Sind die Situation, in der erzählt wird, und das Verhältnis zum Zuhörer (auch sprachlich) erfasst?
b) Passt die Selbstdarstellung des Erzählers?
c) Wird auch sprachlich intensiv (zum Miterleben!) erzählt?

(Erzählungen, in denen eine große Differenz zwischen den Figuren besteht, eignen sich besonders für diese Aufgabe; dazu gehören Schelmengeschichten. in denen ein Depp ausgenommen wird; dazu gehören auch viele Erzählungen von J.P. Hebel, wenn man das „Merke“ zum Schluss oder zu Beginn streicht.)

Aus einer anderen Perspektive erzählen – Übungsdiktat
1 Wir leben als Menschen nicht nur neben anderen, sondern mit ihnen zusammen; wir können uns sogar in ihre Lage versetzen, um die Welt mit ihren Augen zu sehen, welche nicht immer das Gleiche wie wir erblicken.
2 Deshalb können wir auch Erzählungen umformen, indem wir die Perspektive verändern, in der die Ereignisse gesehen werden. Wir fragen also etwa, wie der Junge die Szene im Schwimmbad erlebt. Was will er dem Mädchen zeigen?
3 Wir wissen von dem Jungen so viel, wie uns der Erzähler von ihm mitgeteilt hat. Auch von dem Mädchen wissen wir einiges; wir können feststellen, dass sie den Angebereien des Jungen zurückhaltend gegenübersteht.
4 Wir müssen uns also zunächst fragen, was die neue Erzählerfigur bemerkt hat, wie sie die Ereignisse versteht und was sie dabei empfindet; das meiste davon kann man dem Text entnehmen, manches muss man (vorsichtig) ergänzen.
5 Von Bedeutung ist zweitens die Erzählsituation. Wenn also der geheilte Patient aus Hebels Erzählung diese Geschichte seinen Enkeln erzählt, will er vermutlich etwas Lustiges darbieten, aber seine Enkel auch über die richtige Lebensweise belehren.
6 Wenn er dagegen die Geschichte anlässlich seines 80. Geburtstages erzählt, will er eher darstellen, wie schnell er die List des Arztes begriffen und dann konsequent sein Leben verändert hat – besser als manche seiner Zuhörer vielleicht?
7 Hier ist auch der Begriff der Distanz zu klären: Wenn ich etwas erzähle, erst recht etwas lange Vergangenes erzähle, kann ich davon Abstand haben; ich erlebe meine Leiden nicht mehr und durchschaue auch meine alten Dummheiten.
8 Die Leiden sind vergangen, meine Dummheiten habe ich überwunden – ich habe davon Abstand, ich bin ein anderer geworden; nur deshalb kann ich sie heiter und entspannt erzählen, nur deshalb kann ich meine Zuhörer auch mit solchen Geschichten unterhalten.
9 Es ist natürlich auch denkbar, dass kurz nach einem Ereignis eine Person diese Distanz noch nicht gefunden hat, sondern eher sich bei jemandem beschweren oder sich über etwas beklagen will; das hängt von der Erzählsituation ab.
10 Was die erzählende Person selber sagt, fühlt, denkt und erlebt, wird in der 1. Person formuliert: „Ich“, „wir“, „mein“ und „unser“ sind die Pronomen der 1. Person; für die Bezeichnung anderer Figuren kann man die Demonstrativpronomina verwenden.