Deutsche Vorsilben und Nachsilben

Eine vollständige Übersicht über die deutschen Vor- und Nachsilben findet man in:

Johann August Eberhards synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache. 16. Auflage, bearbeitet von Otto Lyon. Leipzig 1904, S. XX ff. (bzw. S. XI ff.: Vergleichende Darstellung der deutschen Vor- und Nachsilben):

A. Die Vorsilben oder Präfixe

Ab

Aber

After

Allenfalls

Aller

An

Ant

Auf

Aus

Auseinander

Außer

Be

Bei

Dar

Durch

Ein

Ent

Emp

Er

Erz

Fort

Ge

Gegen

Her

Herab

Heran

Herauf

Heraus

Herbei

Herein

Hernieder

Herum

Herunter

Hervor

Herzu

Hin

Hinter

Los

Miß (= Miss)

Mit

Nach

Neben

Nieder

Nicht

Ober

Ohn und Ohne

Über

Um

Un

Unter

Ur

Ver

Voll

Vor

Vorüber

Weg

Wider

Wieder

Wohl

Zer

Zu

Zusammen

B. Die Nachsilben oder Suffixe

Bar

Chen, Lein

D (s. -end)

De

E

Ei

El

Eln

En

End

Er

Ern

Fach und -faltig, -fältig

Ft

Haft

Halb

Hand

Heit

Ich

Icht

Ig

In

Ing

Ieren

Isch

Ist

Keit (s. -heit)

Lei

Lein (s. -chen)

Lich

Los

Mal

Nis

Sal

Sel

Selig

Sam

Schaft

Ste

T (te)

Te

Tel

Tum

Ung

Wärts

Zehn

Zig

Also dann: Auf ins Studieren der Vor- und Nachsilben!

lattenstramm – ein Neologismus?

Aufgrund einer Frage meiner Tochter Eva, woher der Ausdruck „lattenstramm“ komme, den ich noch nie gehört hatte, habe ich mich ans Suchen gemacht: In deutschen Wörterbüchern habe ich das Wort nicht gefunden. Meine eigenen Überlegungen berühren zwei Punkte:

  1. die Wortbildung

Dazu habe ich nach kurzem Suchen (Aspekt: Steigerung oder Verstärkung) das Beste in Walter Jung: Grammatik der deutschen Sprache, 10. Aufl. 1990, gefunden, und zwar unter „Wortbildung des Adjektivs“ (Die Zusammensetzung, Nr. 1021 ff.): „Das Bestimmungswort kann der Verstärkung dienen, ohne daß es in einem begrifflich durchsichtigen Verhältnis zum Grundwort steht: blitzdumm, hundemüde, kreuzbrav, steinreich, blutarm.“ (Nr. 1025) Als eine ähnliche Bildung sehe ich „lattenstramm“ an.

  1. die Bedeutung

Das Grundwort „stramm“ hat nichts mit Trunkenheit zu tun; laut DWDS hat es fünf Bedeutungsvarianten: etwas, besonders den Körper, fest umschließen; nicht schlaff, nicht locker, straff; kräftig gebaut; energisch, forsch; gehörig, tüchtig. (http://www.dwds.de/?qu=stramm) Von hier, d.h. von der fünften Bedeutung aus kommt man vielleicht weiter, wenn man bedenkt, dass es im Deutschen (mindestens) rund hundert Bezeichnungen für Formen der Trunkenheit gibt (http://www.taz.de/!5038485/), dass den Deutschen also anscheinend die Trunkenheit besonders vertraut ist und dass sie besonders gern an Trunkenheit denken: „stramm = gehörig, tüchtig“ hat dann eben schnell den Unterton „gehörig betrunken“. Diese Bedeutung wird durch das (sinnfreie) Bestimmungs- und Verstärkungswort „latten-“ gesteigert: völlig betrunken, total besoffen.

  1. Vielleicht wird meine Überlegung dadurch untermauert, dass „lattenstramm“ einer bestimmten Sprachschicht angehört und anscheinend vor allem von jungen Leuten, auch Studenten („Ajax Lattenstramm“ als lustige Verballhornung von „Ajax Amsterdam“: Vereinsname studentischer Fußballclubs in Göttingen und Passau) und in der BILD (z.B. http://www.bild.de/leute/2007/internetklatsch-gibson-anonyme-alkoholiker-treffen-betrunken-1957316.bild.html) gebraucht wird. Seit wann das Wort gebraucht wird, weiß ich nicht.
  2. Wenn jemand eine bessere Erklärung weiß, bitte ich darum, diese in einem Kommentar darzustellen.

P.S. Zur deutschen Tradition des Saufens seit der Zeit der Germanen:

„Zum Getränk dient eine Flüssigkeit aus Gerste oder Weizen, zu einer gewissen Weinähnlichkeit vergoren: die dem Ufer Nächsten erhandeln auch Wein. Die Speisen sind einfach, wildes Obst, frisches Wildbret oder geronnene Milch: ohne besondere Zubereitung, ohne Gaumenkitzel vertreiben sie den Hunger. Gegen Durst herrscht nicht dieselbe Mäßigung. Wenn man ihrer Trunkenheit freien Lauf lässt, indem man ihnen gewährt, wie viel sie begehren, werden sie nicht weniger leicht durch ihre Laster als durch Waffen besiegt werden.“ (Tacitus: Germania, Kap. 23 http://www.latein-imperium.de/include.php?path=content&contentid=104)

Ich verweise noch auf Heinrich Manns Satire „Der Untertan“, in der von Diederich Heßling erzählt wird, wie er bei den Neuteutonen zum „Mann“ wurde: „Er sah sich in einen großen Kreis von Menschen versetzt, deren keiner ihm etwas tat oder etwas anderes von ihm verlangte, als daß er trinke. Voll Dankbarkeit und Wohlwollen erhob er gegen jeden, der ihn dazu anregte, sein Glas. Das Trinken und Nichttrinken, das Sitzen, Stehen, Sprechen oder Singen hing meistens nicht von ihm selbst ab. Alles ward laut kommandiert, und wenn man es richtig befolgte, lebte man mit sich und der Welt im Frieden. […] Das Bier! Der Alkohol! Da saß man und konnte immer noch mehr davon haben, das Bier war nicht wie kokette Weiber, sondern treu und gemütlich. Beim Bier brauchte man nicht zu handeln, nichts zu wollen und zu erreichen, wie bei den Weibern. Alles kam von selbst. Man schluckte: und da hatte man es schon zu etwas gebracht, fühlte sich auf die Höhen des Lebens befördert und war ein freier Mann, innerlich frei.“ (Ausgabe Fischer Taschenbuch 13640, 1996, S. 31 und 34)

Etwas seriöser wird das Verhältnis der Deutschen zum Bier in Neil MacGregors „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“ (2015, 10. Kapitel) dargestellt. Vgl. auch noch

https://de.wikipedia.org/wiki/Bier_in_Deutschland

http://www.brauer-bund.de/bier-ist-deutschland/tag-des-deutschen-bieres.html („Bier ist Deutschland“)

psychosomatische Klinikbetten – Adjektiv als Attribut

In seinem anregenden Buch „Selbstbestimmen“ (2004) erwähnt Manfred Spitzer „psychosomatische Klinikbetten“ (S. 179). Das ist ein Unding, wie ich kurz zeigen möchte.

Bei den zusammengesetzten Hauptwörtern unterscheidet man das Grundwort und das Bestimmungswort. Bei „Klinikbett“ ist „Bett“ das Grundwort, was nichts anderes besagt, als dass das Klinikbett ein Bett und keine Klinik ist; „Klinik“ ist das Bestimmungswort – es bestimmt, um was für eine Art Bett es sich hier handelt, nämlich um das Bett in einer Klinik. Das alles kann man unter dem Stichwort „Wortbildung“ nachlesen; das Grundwort steht hinten, das Bestimmungswort an erster Stelle (daher: das Klinikbett, analog zu: das Bett; nicht: die Klinikbett).

So, nun gehen wir zum Anfang zurück: Psychosomatische Klinikbetten müssten demnach psychosomatische Betten sein; so etwas gibt es aber nicht, es ist ein Unding. Manfred Spitzer meint vielmehr Betten in psychosomatischen Kliniken – doch die gibt es im strengen Sinn auch nicht, es gibt Kliniken für psychosomatische Erkrankungen, die man abgekürzt „psychosomatische Kliniken“ nennen kann.

Allgemein und regelhaft formuliert: Wenn man zusammengesetzten Hauptwörtern ein Adjektiv als Attribut zuordnet, muss man darauf achten, dass es sich wesentlich auf dessen Grundwort bezieht, sonst entsteht semantischer Kartoffelsalat. Spitzer müsste von Betten in psychosomatischen Kliniken oder von Betten in Kliniken für psychosomatische Krankheiten sprechen: Er müsste das zusammengesetzte Hauptwort auflösen, damit die Beziehung psychosomatisch-Klinik zum Tragen kommt.

http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/sysgram.ansicht?v_typ=d&v_id=484 (Wortbildung)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch/kapitel/33-wortschatz-und-wortbildung (Wortbildung)

https://de.wikipedia.org/wiki/Wortbildung (Wortbildung)

Wortbildung (Unterrichtsreihe)

Diese Unterrichtseinheit ist ein wesentlicher Teil meines Versuchs, den Schülern beizubringen, wie man deutsche Texte richtig schreibt. Daneben gibt es die Übungsdiktate. Die Unterrichtseinheit steht unter „Semantik“, weil Wortbildung mit der Differenzierung oder Neuschaffung von Bedeutungen zusammenhängt.

Die Unterrichtseinheit gehört bei mir in die Klasse 6 (Gymnasium). Sie stützt sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Schülerduden Grammatik (4. Auflage 1998, S.282 ff.; inzwischen gibt es die 5. Auflage, aber in der steht nichts wesentlich Neues) und im Schülerduden „Rechtschreibung und Wortkunde“ (7. Auflage 2005, S. 527 ff.), ein bisschen auch auf den Artikel „Wortfamilien“ in H. Maiworm – W. Menzel: Unser Wortschatz (2. Auflage, S. 319 ff. – noch aus den Beständen meiner älteren Tochter). Ich denke, dass das Verständnis dafür, wie Wörter miteinander verwandt sind, sowohl dem Sinnverständnis wie dem Gefühl für Rechtschreibung dient.
Ich lege hier jetzt einfach meine gespeicherten Arbeitsblätter vor.

————————————————————————————-

Wortbildung: durch Zusammensetzung

1. Wörter werden so, wie sie sind, zusammengesetzt:
Zimmerpflanze (Zimmer + Pflanze);
steinhart (Stein + hart); sammle acht weitere Beispiele.
2. Wenn das Bestimmungswort ein Verb ist, wird von ihm nur der Wortstamm genommen:
Stechmücke (stech- von „stechen“ + Mücke);
kochfest (koch- von „kochen“ + fest); sammle acht weitere Beispiele.
3. Wenn das Bestimmungswort ein Nomen ist, wird ihm oft eine Endung angehängt, die man Fugenelement nennt:
Mittagsschlaf (Mittag/s + Schlaf);
Bilderrahmen (Bild/er + Rahmen); suche weitere acht Beispiele.
4. Auch mit zusammengesetzten Wörtern kann man weitere Wörter durch Zusammensetzung bilden:
Armbanduhr (Armband + Uhr);
Schnellkochtopf (schnell + Kochtopf); suche weitere acht Beispiele.
5. Wie bestimmt das Bestimmungswort das Grundwort?
a) Es kann den Ort angeben:
Mondlandung: Land auf dem Mond; suche weitere vier Beispiele.
b) Es kann die Zeit angeben:
Tageszeitung: Zeitung, die jeden (Werk)Tag erscheint; suche weitere vier Beispiele.
c) Es kann den Stoff, das Material bezeichnen:
Tonvase: Vase aus Ton; suche weitere vier Beispiele.
d) Es kann den Handelnden, den Urheber bezeichnen:
Vogelgezwitscher: Gezwitscher der Vögel; suche weitere vier Beispiele.
e) Es kann den Besitzer bezeichnen:
Anwaltsbüro: Büro, das einem Anwalt gehört; suche weitere vier Beispiele.
f) Es kann die betroffene Sache bezeichnen:
säurefest: fest gegen Säure; suche vier weitere Beispiele.
g) Es kann einen Vergleich festhalten:
wieselflink: so flink wie ein Wiesel; suche weitere vier Beispiele.
h) Es kann etwas Geschätztes oder Gemessenes bezeichnen:
Kinderschar: eine Schar von Kindern; suche vier weitere Beispiele.
i) Es kann ein Maß bezeichnen:
stundenlang: viele Stunden lang; suche vier weitere Beispiele.
j) Es kann auch eine Bedingung, einen Zweck oder einen Grund nennen:
Notbremse: Bremse, die man nur im Notfall ziehen darf;
Waschmaschine: Maschine zum Waschen;
Freudentränen: Tränen, die man aus Freude vergießt.
Suche jeweils vier weitere Beispiele.
6. Zusammengesetzte Wörter können sich verselbständigen und als ein einziges Wort gelten: Junggeselle, Schornstein…

Hinweis: Wortfamilien kann man im canoo-Wörterbuch (begrenzt!) aufrufen; man braucht bei einem Stichwort (z.B. „lehren“) nur „Wortbildung“ anzuklicken (http://www.canoo.net/services/Controller?input=lehren).

————————————————————————————-
Wortbildung: durch Ableitung

Neue Wörter können auch von bestehenden Wörtern abgeleitet werden, ohne dass sie mit einem ganzen Wort verbunden werden. Dafür gibt es vier verschiedene Möglichkeiten:
1. Einem Wort wird vorn ein neues Element vorangestellt, das Präfix:
sicher -> unsicher (Präfix un-); fesseln -> entfesseln (Präfix ent-)
2. Einem Wort wird am Ende ein neues Element angehängt, das Suffix:
grün -> grünlich (Suffix -lich); Kind -> Kindchen (Suffix -chen)
3. Das Wort wird in seinem Inneren verändert:
brechen -> Bruch; reiten -> Ritt.
a) Man spricht vom Ablaut, wenn der Vokal des Wortstamms wechselt:
brechen -> Bruch (Wechsel e -> u).
b) Man spricht von Umlaut, wenn der Vokal des Wortstamms sich ändert: Busch -> Gebüsch (Umlaut u -> ü, außerdem Präxix Ge-).
4. Das Wort wird in seiner Wortart, aber nicht in seiner Form verändert: versuchen -> Versuch.
Der Wortstamm „versuch“ (Endung war -en) ist erhalten geblieben.
— Wie du am Beispiel „Busch -> Gebüsch“ siehst, können auch mehrere Verfahren der Ableitung miteinander kombiniert werden.

Aufgaben:
1. Gerade Verben werden durch Präfixe verändert.
Im Deutschen gibt es dabei u.a. die Präfixe be-, ent-, er-, ge-, miss-, ver-, zer- (neben ab-, an-, auf- usw.). Suche für jedes Präfix fünf Beispiele.
Hat das jeweilige Präfix eine bestimmte Bedeutung? Oder ändert sich seine Bedeutung von Verb zu Verb?
2. Auch für Nomen gibt es wichtige Präfixe: Ge-, Miss-, Un-, Ur-.
Suche für jedes Präfix fünf Beispiele.
Hat das jeweilige Präfix eine bestimmte Bedeutung? Oder ändert sich seine Bedeutung von Nomen zu Nomen?
3. Suche jeweils fünf Beispiele für Nomen mit den Suffixen -chen, -lein, -in, -er, wo das Ausgangswort ein Nomen war.
4. Suche jeweils fünf Beispiele für Nomen mit den Suffixen -ung, -er, wo das Ausgangswort ein Verb war.
5. Suche jeweils fünf Beispiele für Nomen mit den Suffixen -heit, -keit, -igkeit, -e, wo das Ausgangswort ein Adjektiv war.
6. Wir könnten noch viele andere Ableitungen durch Suffix nennen. Bleiben wir bei zwei wichtigen Suffixen, mit denen immer Adjektive gebildet werden, nämlich -bar und -los.
Suche jeweils fünf Adjektive mit diesen Suffixen.
Überlege dann, was das Suffix jeweils bedeutet.
7. Für Verben ist -ieren ein typisches Präfix.
Suche möglichst viele (zehn) Beispiele dafür.
Was fällt dir auf?
————————————————————————————

Wortbildung: Kurzformen

Zum Schluss soll noch über Wörter gesprochen werden, die wir im Alltag als Abkürzungen bezeichnen:
1. echte Abkürzungen
Diese erkennt man daran, dass sie mit einem ‚Punkt‘ versehen werden, also etwa S. (Seite), Nr. (Nummer), m.E. (meines Erachtens) usw. (und so weiter). Es handelt sich hier nicht um neue Wörter, sondern um eine Vereinfachung des Schreibens; die Menschen sind ein bisschen faul und wollen möglichst wenig schreiben. Wenn wir Abkürzungen lesen, sprechen wir das ganze Wort oder alle Wörter aus.
Hierhin gehören auch international gebrauchte Abkürzungen für Maßeinheiten, bei denen man auf den ‚Punkt‘ verzichtet: m (Meter), g (Gramm), l (Liter) usw.
2. Initial- oder Buchstabenwörter
Das sind Wörter, bei denen von mehreren Wörtern nur die Initialen (Anfangsbuchstaben) übrig geblieben sind. Jeder Buchstabe wird mit seinem ‚Namen‘ gesprochen, es gibt keinen ‚Punkt‘ zur Abkürzung:
UKW (Ultrakurzwelle), GmbH, IQ (Intelligenzquotient) usw.;
U-Boot, IQ-Test, Kfz-Mechaniker usw.
3. Kürzel
Das sind Wörter, bei denen ein Teil einfach weggelassen wird, weil man ihn sowieso kennt; auch hier zeigt sich eine gewisse Faulheit:
Akku (Akkumulator), Uni (Universität), Limo (Limonade) usw.
Biogemüse (biologisch angebautes Gemüse), Ökosystem (ökologisches System), Schokocreme (Schokoloadencreme) usw.
Manche Wörter, die einmal Initialwörter waren, können zu Kürzeln werden und werden dann wie ein ‚richtiges‘ Kürzel gesprochen: TÜV, Ufo usw.
Dazu gehören auch für Wörter, die eine Doppelung von Kürzeln darstellen, wie etwa Kripo (Kriminalpolizei), Schuko-Stecker (Schutzkontakt-Stecker) usw.

So, damit haben einen Überblick über die Art, wie Wörter gebildet werden, gewonnen.
Vielleicht sollten wir zur Übung noch ein paar Wörter in ihre Urbestandteile zerlegen:
Lebensrettungsgesellschaft
Unschuldsvermutung
Fußballanhänger
Torschussmöglichkeit
Unsicherheitsfaktor
Bilderrahmen
todkrank
hundeelend
Wortbildung
—————————————————————————
Wortbildung mitttels Suffix -bar

Wir untersuchen eine Reihe von Adjektiven, die auf ´-bar´ enden: dankbar, denkbar, fühlbar, furchtbar, kostbar, sichtbar, spürbar, wunderbar. Wir bilden zuerst eine Redewendung mit jedem Adjektiv und umschreiben seine Bedeutung (in der Wortfamilie bleiben!):
(1) ein dankbares Kind; dankbar ist, wer seinen Dank abstattet.
(2) ____________________________________________
(3) ____________________________________________
(4) ____________________________________________
(5) ________________________________________usw.

Jetzt kommt die große Überraschung:
Du kannst feststellen, dass bei einer Reihe von Adjektiven das Suffix ‚-bar‘ bedeutet: „man kann … (etwas tun)”, nämlich bei
_______________________________________________
Jetzt untersuchen wir, von welchen Wörtern die Adjektive abgeleitet werden:
(1) _____________ + bar -> dankbar
(2) _____________ + bar -> denkbar
(3) _____________ + bar -> fühlbar usw.
Wir können als Regel formulieren:
Wenn aus dem Wortstamm (wessen?) __________________ mit dem Suffix -bar ein Adjektiv gebildet wird, bedeutet dieses: Man kann es tun.
Welches Wort wird eigentlich als ein eigenständiges, nicht mehr
abgeleitetes Wort empfunden? ____________________
Die anderen Adjektive auf -bar sind von _________________
abgeleitet; hier bedeutet -bar so viel wie __________________.
—————————————————————————
Wortbildung mittels Suffix -nis

Es gibt eine Reihe Nomina, die auf dem Suffix -nis enden. Im Plural wird das Schluss-s verdoppelt: Zeugnis, Zeugnisse. Erkläre die Bedeutung von zehn Nomina, indem du sie auf das Wort zurückführst, von dem sie abgeleitet sind:

Ärgernis
Bedrängnis ist eine Situation, in der man …
Bedürfnis

Befugnis

Begegnis (so bei Heine)
Begräbnis ist der Vorgang, dass jemand …

Behältnis ist ein Gegenstand, in dem …

Bekenntnis
Besäufnis

Beschwernis ist der Umstand, dass …
Betrübnis ist ein Zustand, in dem man …
Bewandtnis
Bündnis ist eine Abmachung, dass man …
Empfängnis
Ereignis
Ergebnis
Erkenntnis
Erlaubnis
Erlebnis

Erzeugnis

Fährnis

Fäulnis

Finsternis
Gedächtnis
Gefängnis
Geheimnis

Gelöbnis
Geschehnis
Geständnis
Hemmnis
Hindernis
Kümmernis

Störnis (so bei Heine)

Trübnis

Verbergnis (so bei Kunert)

Verdammnis
Verderbnis
Verhältnis
Verlöbnis
Vermächtnis
Versäumnis
Verzeichnis, Vorkommnis, Wildnis, Zerwürfnis, Zeugnis

Wichtige Kategorien für die Bedeutung/Erklärung sind:
Geschehen – Vorgang – Handlung; Person – Gerät – Einrichtung; Eigenschaft – Zustand; Tätigkeit; Absicht – Zweck – Ergebnis; Ursache – Bedingung; Grund – Folge – Wirkung; Bereich – Ort – Zeitpunkt – Dauer.
—————————————————————————
Übungsarbeit zur 1. Klassenarbeit Deutsch

Regeln der Wortbildung; Bedeutung umschreiben – 1 Schulstunde
Aufgabenstellung:
1. Wortfamilie „fahren“:
vorfahren, mitfahren
Fahrer, Beifahrer, Fahrrad
Fähre, Gefährte
Fuhre, Fuhrmann, Fuhrmannsschnaps
Gib die Bedeutung dieser Wörter aus der Wortfamilie „fahren“ an, indem du sie auf „fahren“ oder ein bereits erklärtes Wort der Wortfamilie zurückführst!
2. Suche fünf Verben mit dem Präfix ´ent-´.
Bilde mit jedem der Verben eine Redewendung oder einen Satz!
Gib eine eigentümliche Bedeutung des Präfixes ´ent-´ an!
3. Es gibt Adjektive mit dem Suffix ´-lich´:
bedrohlich, bekömmlich, bläulich, erfreulich, grünlich, kränklich, lächerlich, süßlich, zärtlich.
Teile diese Adjektive nach der Wortart, wovon sie abgeleitet sind, in zwei Gruppen!
Gib an, was das gemeinsame Bedeutungsmerkmal jeder Gruppe ist!
Welches Wort passt eigentlich nicht mehr in seine Gruppe, weil es inzwischen selbständig geworden ist?
4. Gib an, aus welchen Teilen folgende Wörter bestehen:
Aktenordner, Heckenschere, Klassenlehrer, Oberregierungsrat.
5. Man kann die Bedeutung eines Wortes angeben, indem man sie durch ein Wort mit ähnlicher Bedeutung umschreibt.
(1) abschlagen: Wenn ich einen Ast abschlage, dann hacke ich ihn mit einem Beil vom Baum.
Erkläre auf diese Weise die Bedeutung der Wörter
ankommen, aufsagen, beschleunigen, herausfischen.
Achte darauf, wie viel Zeit du brauchst und welche Aufgabenstellung du nicht richtig verstehst!
————————————————————————–
1. Klassenarbeit Deutsch – 6 c,                        21.09. 98

Regeln der Wortbildung; Bedeutung umschreiben – 1 Schulstunde
Aufgabenstellung:
1. Wortfamilie „mahlen“:
zermahlen
Mühle, Kaffeemühle, Mühlrad
Müller, Müllerin,
Mehl, mehlig, Mehlspeise, Weizenmehl
Gib die Bedeutung dieser Wörter aus der Wortfamilie „mahlen“ an, indem du sie auf „mahlen“ oder ein bereits erklärtes Wort der Wortfamilie zurückführst!
2. Suche fünf Verben mit dem Präfix ´zer-´ (wie „zermahlen“).
Bilde mit jedem der Verben eine Redewendung oder einen Satz!
Gib die eigentümliche Bedeutung des Präfixes ´zer-´ an!
3. Es gibt Nomina mit dem Suffix ´-er´:
Arbeiter, Besucher, Blinker, Bohrer, Lautsprecher, Lehrer, Reiter, Schalter, Sprecher, Tanker.
Teile diese Nomina nach der Bedeutung der Wörter in zwei Gruppen! Gib an, was das gemeinsame Bedeutungsmerkmal jeder Gruppe ist!
4. Gib exakt an, aus welchen Teilen folgende Wörter bestehen:
Bewegungsablauf, Geburtstag, Häuserreihe, Straßenverkehrsamt.
5. Man kann die Bedeutung eines Wortes angeben, indem man sie durch ein Wort mit ähnlicher Bedeutung umschreibt.
(1) abschlagen: Wenn ich einen Ast abschlage, dann hacke ich ihn mit einem Beil vom Baum.
Erkläre auf diese Weise die Bedeutung der Wörter
„besuchen, erledigen, hinauswerfen, sich verletzen“.
Viel Erfolg!

Ich könnte eine weitere Klassenarbeit veröffentlichen, aber mit dem Veröffentlichen riskiert man ja auch, dass sie so im Ernstfall nicht mehr gebraucht werden kann.

Auch die Lehre von den Wortfamilien gehört in die Lehre von der Wortbildung, vgl. den kleinen Aufsatz https://norberto68.wordpress.com/2011/02/22/wortfamilien-beispiel-schliesen/ bzw. den nächsten Eintrag!

Zur Sache vgl.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wortbildung

http://www.schneid9.de/sprache/linguistik/ling09.pdf (übersichtlich!)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch/artikel/wortbildung-grundbegriffe# (nur die Grundbegriffe)

https://grammis.ids-mannheim.de/terminologie/297 (sehr knapp, unbedingt → Weiterführende Texte anklicken!)

https://www.ruhr-uni-bochum.de/germ-ling/gk/05.pdf (knapp, schwierig, für den Lehrer!)

https://rolandschaefer.net/wp-content/uploads/Vorlesung/07.Wortbildung.pdf (R. Schäfer: solide)

https://archive.org/details/einfhrungindied00mhgoog/page/n2/mode/2up?view=theater (alt, viele Anregungen)

https://archive.org/details/neuhochdeutsche01blatgoog/page/624/mode/2up?view=theater (F. Blatz: alt, sehr ausführlich)

https://archive.org/details/neuhochdeutsche01jeitgoog/page/n23/mode/2up?view=theater (alt, viele Anregungen), vgl. auch Bd. 5 der Grammatik von Paul sowie seine „Prinzipien der Sprachgeschichte“!