Zentralabitur Deutsch NRW 2015, Gk – 2. Thema

Grundkurs Deutsch, 2. Thema:

  1. a) Die Szene I 5 aus Schillers „Kabale und Liebe“ analysieren, dabei auf Gesprächsverlauf, die Sprache und die Handlungsabsichten der Figuren eingehen. b) Die Funktion der Szene im Drama deuten.
  2. a) In einem Safranski-Zitat wird Sekretär Wurm als Verkörperung des Bösen bezeichnet, der Menschen zu lenken verstehe, weil er das Unfreie in den Personen kenne und wisse, wie diese funktionieren. Diese Sicht im Hinblick auf Wurms Umgang mit dem Präsidenten und mit Luise prüfen, b) abschließend dazu Stellung nehmen.

Kommentar:

Die 1. Aufgabe ist eine Standardaufgabe; da das Drama im Unterricht behandelt ist, könnte sie von vielen Schülern bereits bearbeitet worden sein, ein Unding – vgl. etwa https://norberto42.wordpress.com/2012/03/06/schiller-kabale-und-liebe-analyse-wichtiger-szenen/. Rein vom Schreibumfang her würde die 1. Aufgabe für drei Stunden reichen, wenn man sie ordentlich bearbeitet; ich kenne die Lösungserwartung nicht – sie kann nur auf eine Paraphrase hinauslaufen (42 von 72 Punkten: knapp 60%, also 105 Minuten von 3 Stunden). – Die Handlungsabsichten der Figuren, das ist ein psychologisches Konstrukt, welches selber nicht greifbar ist; greifbar sind die sprachlichen Handlungen der Figuren – diesen Begriff kennen die Aufgabenkonstrukteure aber nicht, obwohl es ihn seit 60 Jahren in der Forschung gibt (vermutlich kennen sie dagegen das Hildebrandslied). Ohne den Begriff des sprachlichen Handelns kann man heute keine adäquate Textanalyse betreiben.

Weil das Drama bereits bekannt ist, muss etwas Weiterführendes her: die 2. Aufgabe (wobei das Weiterführende nicht in der These selbst, sondern bloß in der Formulierung Safranskis liegt). Diese ist leicht zu bearbeiten (dass Safranski recht hat, könnte man an III 1 und III 6 zeigen). Die Leistung der Schüler besteht darin, sich an diese Szenen zu erinnern und ein paar Belege für Safranskis These zu finden. Wozu man abschließend noch einmal Stellung nehmen soll, ist mir schleierhaft – es ist bereits alles gesagt und mehr als genug zu schreiben.

Dass eine möglicherweise im Unterricht bereits untersuchte Szene Thema einer Abiturklausur ist, verdankt sich vermutlich dem Slogan von Frau Kraft, kein Kind zurückzulassen – in der gymnasialen Version: „Jeder soll Abitur machen!“ – warum auch nicht? In der übernächsten Legislaturperiode wird dann vermutlich beschlossen, jeder sollte promovieren: NRW könnte Musterdissertationen anbieten, bei denen man nur noch Namen und Geburtsdatum eintragen sowie die Formel unterschrieben muss, man habe die Unterschrift eigenhändig angefertigt; Analphabeten dürfen mit x x x unterschreiben.

P.S.

In der Lösungserwartung zur abschließenden Stellungnahme sind die Aspekte, mit denen Safranskis Sicht relativiert werden kann, gesucht (= an den Haaren herbeigezogen): Dass Wurm etwa eine bestimmte dramaturgische Funktion hat oder dass es im Hause Miller moralisch streng zugeht, spricht doch nicht gegen Safranksis Sicht!

Streng genommen müsste man bei Safranskis Sicht drei Aspekte unterscheiden:

  • dass Wurm das böse Prinzip verkörpert (darüber könnte man eine Doktorarbeit schreiben),
  • dass er andere Menschen instrumentell zu benutzen weiß,
  • dass diese Fähigkeit auf der Kenntnis des Unfreien in den Personen beruht.

Das ergäbe dann eine differenzierte Diskussion; wenn man jedoch wie die Lösungserwartung Safranskis Sicht pauschal als Einheit begreift, kann man sie kaum ablehnen. Man hat für die Lösungserwartung lediglich nach dem Schema pro/contra (vergeblich, aber „mit Erfolg“) relativierende Aspekte gesucht.

Standbilder bauen – kann man so ein Drama verstehen?

„Kabale und Liebe“

Eine Pantomime in Regieanweisungen von Friedrich Schiller

Unter diesem Titel hat Gustav Seibt eine Reihe (längst nicht alle!) Regieanweisungen des Stücks zusammengestellt und so daraus das „Drehbuch“ einer Pantomime entwickelt (SZ, 10. November 2009). In den überaus zahlreichen Regieanweisungen seines Stücks gibt Schiller vor, wie die Figuren auftreten und sprechen oder wie sie sich bewegen; was sie sagen, fehlt also völlig – das wird in diesem Stück jedoch teilweise in der Expressivität des Agierens ausgeglichen („Sturm und Drang“). – Was Seibt herausdestilliert hat, liest sich so:

3. Akt

Präsident: verdrüßlich. Wurm: munter. Hofmarschall: eilfertig. Luise: sehr ernsthaft. Ferdinand: das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend. Wurm: kommt näher. Luise: Sie dreht sich um, wird den Sekretär gewahr und tritt erschrocken zurück. Wurm lacht überlaut. Luise: schreibt mit zitternder Hand. Blickt ihn starr und durchdringend an. Groß und schrecklich. Wurm: zieht sie fort.

Wer das Drama kennt, sieht sofort, dass erstens viele wichtige Regieanweisungen (und damit Handlungen der Figuren) fehlen. Zweitens wird die thematische Problematik überhaupt nicht erfasst: wie Luise in einem Konflikt zwischen Pflicht und Neigung steht; wie bürgerliche Ehe und romantische Liebe kollidieren; wie „die Liebe“ zum Medium der Selbstfindung junger Menschen und damit ihrer Ablösung von der Herkunftsfamilie wird.

Das sollte man alles bedenken, wenn man fragt:

  1. Wie erfasst man überhaupt die Bedeutung eines Dramas?
  2. Was können Standbilder dabei leisten?

Ein Standbild ist ja, wenn man so will, die Ausarbeitung einer Regieanweisung in einer Momentaufnahme des szenischen Geschehens. Aber erst die gesamte Abfolge solcher Momente macht das szenische Spiel aus. Und dem szenischen Spiel fehlen immer noch die Worte, fehlt der Text. Ein Standbild ist also die Reduktion eines einzigen Aspekts (des szenischen Spiels) auf einen einzigen Moment, nicht mehr und nicht weniger.

Aristoteles war ein Philosoph der guten alten Zeit. Nach seinem Verständnis genügte es, wenn man den Text einer Tragödie kannte und verstand – er begründete so die Theorie, das Lesedrama sei das Ganze. Das ist sicher verengt, und im Zeitalter leichter Reproduzierbarkeit von Aufführungen auch, anders als zu Aristoteles’ Zeiten, nicht mehr theoretisch plausibel; ob Standbilder heute noch erforderlich sind, um die Aristotelischen Einseitigkeiten zu korrigieren?

Zweite Frage an die Standbild-Theoretiker: Alles, was unter den Stichworten „Werktreue“ und Inszenierung diskutiert wird (Welcher Text wird gesprochen? Wie sind die Figuren konzipiert? In welchen Kostümen treten sie in welchen Räumen auf?), bleibt beim Bau von Standbildern unbedacht, unbeachtet – wie rechtfertigt ihr das?

Standbilder bauen lassen, damit aktiviert man die jungen Menschen; aber zum Verständnis eines Dramas führt man damit nur minimal.

(Beitrag von November 2009)

 

Dazu ein Kommentar von dete/Berlin:

Ich verstehe mich nicht als Standbild-Theoretiker und habe auch selbst im Unterricht nicht damit gearbeitet, weil dies Herangehensweise auch nicht „mein Ding“ ist.
Allerdings kann ich mir durchaus vorstellen, dass Standbilder auch(!) sinnvoll genutzt werden können – also im Sinne eines besseren Textverständnises.
Die entscheidende Frage ist ja wie immer, welche Funktion diese Aufgabe haben soll und wie gut die konkrete Aufgabenstellung (inkl. Auswertung) vom Lehrer vorbereitet und geübt(!) wird.
Ein großes Problem besteht weiterhin darin, dass es Kriterien geben sollte, wann die Aufgabe „richtig“ gelöst wurde: welches Standbild also als gelungen betrachtet werden kann, sonst verbleibt man auf der Ebene des Da-war-schon-viel-Schönes-dran.
Wenn es Kriterien gibt, dann setzt ein gelungenes Standbild durchaus eine vernünftige Lektüre – sprich Auseinadersetzung der Schüler mit dem Text voraus. Der Einsatz erscheint mir allerdings begrenzt auf den Aspekt der Figurenkonstellation bzw. deren Entwicklung. Und wie immer bleibt natürlich die berechtigte Frage der Aufwand/Nutzen-Relation.

Gliederung: von der Stoffsammlung zum Aufsatz (Beispiele)

1. Beispiel

Schiller: Don Karlos

1. Stoffsammlung: Posas Planungen

1. Plan: Er kommt zu Carlos wegen der Niederlande (154 ff.); ohne Erfolg.
1. Variante: „nach einigem Stillschweigen“ (357): über Elisabeth das Ziel erreichen;
er gibt ihr die Briefe (505) im Vertrauen auf sie als Mitspielerin,
diese gibt sie an den ihr ergebenen Carlos weiter (808).
Carlos ist entschlossen, Flandern zu retten (I 7 -> II 2);
Carlos scheitert mit seinem Wunsch, das Heer zu führen (II 2) [und weiß nicht, dass er näher beim König steht, II 3], deswegen
und wegen seiner noch nicht überwundenen Liebe zu Elisabeth
fällt er auf das Angebot der Eboli herein und gibt dieser Anlass,
enttäuscht und verletzt eine Intrige mit Domingo zu spinnen (II 9 ff.), die Posa erst spät aufdeckt (IV 12);
Posa analysiert die Situation, soweit er sie überblickt (II 15),
zerreißt den Brief des Königs an die Eboli (nach 2400, gegen Carlos Willen, diesen täuschend), und
2. fasst einen neuen Plan (2452 ff.): Überlass mir alles andre (2451);
Enthüllung von alten Intrigen Albas und Domingos (III 3 f.) gegen Carlos, den Domingo für gefährlich hält, 2010 ff.).
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König ist auf der Suche nach Wahrheit über seine Ehe (III 5), verfällt auf Posa;
Vorgeschichte Posas (2902 ff.);
Reflexion Posas: den Zufall gestalten, nutzen: Wahrheit kann wirken (III 9).
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III 10 Posa trägt seine Wahrheit vor (3016),
dabei belügt er den König (er sei kein Neuerer; der König kenne ihn so als erster, 3079 ff. – dagegen 166 ff. u.a.);
er wird engagiert, macht eine unglaubliche Karriere;
der König sucht seine Wahrheit (3302)
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Enthüllung von Plan 2: Rebellion (IV 3);
Reflexion von Posas Unredlichkeit (3402 ff.),
wogegen der sich verteidigt (3415 f., ähnlich später gegenüber C.);
Elisabeths Bedenken wegen der Rebellion (3479 ff.),
sie sagt ihm ihren stillen Anteil zu (3512 f.) wegen der Freiheit.
Carlos wird von Lerma informiert (IV 4), weist Verdacht zurück;
Posa nimmt Carlos‘ Brieftasche (IV 5), verschweigt den Zweck;
Reflexion Posas: Warum war Carlos misstrauisch? Posa rechtfertigt sein Schweigen (3648 ff.).
Posa belügt den König: Elisabeth stehe hinter Carlos‘ Bitte, nach Flandern zu gehen (3873 ff.); er erschleicht Verhaftungsbefehl gegen C.;
zweite Inforamtion Carlos‘ durch Lerma;
Carlos glaubt, Posa verloren zu haben (3962 ff.),
und rennt zur Eboli um Hilfe (IV 15).
Posa agiert: Er verhaftet Carlos, bedroht die Eboli (IV 16 f.).
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Plan 2 ist gescheitert, sagt Posa zu Elisabeth (4216 f.);
Selbstkritik Posas (4220 ff.).
3. Er hat einen Notplan gemacht (4234 ff.), der das Selbstopfer bedeutet,
und legt sein Testament in das Herz der Königin (weswegen Carlos in V 7 nicht flieht, obwohl er es könnte) 4265 ff., wegen der Liebe Carlos‘ zu Elisabeth (4326 ff.);
Kritik Elisabeths (4342 ff., bis 4388; dann 4394 f.) an Posas Handeln: Sie ist als Frau nicht beachtet!
Brief Posas ist abgefangen (IV 22, alles nach Plan);
Aufstand in Madrid (IV 23, von Elisabeth angezettelt);
Alba: Der Sieg ist unser (IV 24) – bezogen worauf?
Klage und Kritik Carlos‘ an Posa (V 1), schlägt um in Verstehen;
Bekenntnis Posas: nur mit den Lippen habe er betrogen, in Wahrheit sei er Carlos‘ Freund (4628 ff.);
Erklärung Posas: Es habe verräterische Briefe Carlos‘ gegeben (4619 ff.).
Selbstkritik: Posas Verschweigen (4636 ff.), wegen ihrer Freundschaft für möglich gehalten;
Bericht: wie der Notplan entstand (4675 ff.);
Carlos‘ Kritik: Das ist Betrug am König (4705 ff.).
Posa wird erschossen (V 3),
verweist Carlos aber noch einmal an die Königin (4734 f.);
Carlos lehnt Verständigung mit dem Vater ab (V 4).
„Für mich ist er gestorben.“ (4838)
Er wird zu Elisabeth bestellt, geht wegen Posas Auftrag (V 7),
lehnt deswegen auch Fluchtmöglichkeit ab (V 7);
Kriegsplan Posas (4994 ff., unklar wie die Briefe 4977, 4984);
Posa war bereits die ganze Zeit beobachtet, stand vor der Verhaftung
(5155 ff.);
Elisabeth: „Mich wählte er…“ (Posa, 5299 ff.); Carlos wird zur Hinrichtung verhaftet (V 11).

Fragen:
Was führt zum Scheitern aller Pläne?
Wie kann jemand, der alles nur um anderer willen und um ihnen zu gefallen tut, einen Aufstand machen und König werden? Domingos Bild, dass Carlos gefährlich sei, weil er selber gedacht habe (2010 ff.), hat im Drama keinen Anhalt.
Ungeklärte Fragen:
Woher kennen Elisabeth und Posa sich so gut, dass sie teilweise fast blind zusammenspielen?
Stirbt Posa für Carlos oder für seine politischen Ziele?

Aufgabe: nach dem Schema „die vier S“ vorgehen (suchen – sammeln – sortieren – schreiben, siehe auch die Übungen zur Gliederung in „Schreiben – Aufsatz“), jetzt also noch sortieren und schreiben: Welche Aspekte erkenne ich in dem Material? Welche Stellen kann ich unter einem Oberbegriff oder einer Aussage erfassen?

2. Meine Lösung:
Posas Pläne und die Gegenkräfte

Posa tritt in I 2 handelnd ins Geschehen ein – nein, es kommt erst durch ihn zustande, weil er seinen Studienfreund Carlos veranlassen will, etwas zur Rettung der Niederlande vor spanischer Unterdrückung zu unternehmen (V. 154 ff.); weil Carlos jedoch vor Herzeleid handlungsunfähig ist, ändert Posa „nach einigem Stillschweigen“ (V. 357) seinen Plan ab: Er gibt Elisabeth Briefe, darunter einen aus den Niederlanden (V. 505) und vertraut darauf, dass Elisabeth diesen Ball aufgreift und weiterspielt – er muss Elisabeth also gut kennen, eine Tatsache, die im ganzen Drama nicht aufgeklärt wird. Diese gibt die Briefe dann auch an Carlos weiter (V. 808), worauf der entschlossen ist, Flandern zu retten, weil Elisabeth dies von ihm wolle (I 7).
Dieser Plan scheitert jedoch, weil Philipp seinem Sohn das Heer nach Flandern nicht anvertraut (II 2); später erfahren wir, dass Alba ihn vor seines Sohnes Ehrzeiz gewarnt hat (V. 2556).
Nach diesem Misserfolg und den Turbulenzen um Ebolis Angebot (dazu später mehr) analysiert Posa die Situation, soweit er sie überblickt, und fasst einen neuen zweiten Plan (II 15), in den er Carlos nicht einweiht (V. 2451 ff.). Elisabeth bekommt diesen Plan erklärt (IV 3: Rebellion in Flandern unter Carlos‘ Führung), damit sie als die den Prinzen beherrschende Frau diesem den Plan übermittelt; sie sagt Posa schließlich widerstrebend ihren stillen Anteil zu (V. 3512 f.), weil es sie reizt, der Freiheit Raum zu verschaffen. Dieser Plan ist gescheitert, erklärt Posa der Königin (V. 4216 f.), ehe Elisabeth mit Carlos gesprochen hat; die von ihm genannten Gründe (V. 4619 ff.: Briefe) können mich nach IV 12 und IV 9 aber nicht überzeugen.
Deshalb hat er, wie er Elisabeth mitteilt, einen Notplan gemacht, der für ihn das Selbstopfer bedeutet (V. 4234 ff.). Er legt sein Testament in das Herz der Königin (V. 4265 ff.); Carlos erklärt er, wie der Notplan entstanden ist (V. 4675 ff.), und verweist ihn vorsorglich unmittelbar vor seinem Tod an die Königin (V. 4734 f.). Elisabeth braucht Carlos den Notplan nicht mehr mitzuteilen, weil der aufgrund des Opfertodes bereits so erschüttert ist, dass er ganz im Bann der Ideen Posas steht (V 10) und so auch verhaftet wird (V 11).
Es wird dann auch noch von einem Kriegsplan Posas berichtet, aus dem sich seine Reisen erklären ließen (V. 4994 ff.); aber der steht im gleichen Zwielicht der Täuschungen des Notplans wie die genannten Briefe (V. 4977, 4984) – dieser Plan lässt sich ebenso gut aus den Reisen „erklären“ wie die Reisen aus dem Kriegsplan.

Feindliche Gegenkräfte:
Domingo und Alba haben bereits lange gegen den Prinzen intrigiert (III 3 und 4); als sich ihnen eine Gelegenheit bietet, mit der enttäuschten Eboli ein Komlott gegen die Königin und Carlos zu schmieden (beides gefährliche Neuerer in Domingos Augen, V. 2010 ff.), arrangieren sie den Ehebruch des Königs und den Einbruch bei der Königin (II 11 ff.) – eine Intrige, die Posas Karriere einleitet (III 5 ff.), deren Folgen aber die Königin ausbaden muss (IV 7) und über die Posa informiert wird (IV 12). Dass Carlos den General Alba beleidigt (V. 1032 ff.), verschlimmert die Sache nicht wesentlich; Alba informiert den König jedoch über das heimliche Treffen in Aranjuez (III 3).
In den Turbulenzen in Madrid verkündet Alba den Sieg der eigenen Kräfte und steht bis zum Schluss zum König (V 4 f., V 8 f.).

Von Posa selbst entfesselte Gegenkräfte:
Der größte Gegner seiner Planung ist Posa in seiner Vermessenheit selbst. So ist der Prinz handlungsunfähig, weil Posa dessen Leidschaft für Elisabeth aus strategischen Gründen geschürt hat (IV 21); deswegen muss Posa seinen ersten Plan abwandeln (I 2).
Wegen seiner nicht überwundenen Liebe zu Elisabeth fällt Carlos dann auf die anonyme Einladung der Fürstin Eboli herein (II 4) und gibt zu erkennen, dass er mit einer anderen Dame gerechnet habe (II 8), woraus die Eboli ihre Schlüsse zieht und sich für einen Ehebruch des Königs (hin- und) hergibt (II 9 und II 11 ff.). Dieses Komplott gefährdet Ehe und Leben Elisabeths und vermutlich auch des Prinzen Carlos (III 1 ff.).
Die zweite Krise beschwört Posa herauf, indem er gegenüber Carlos nicht mit offenen Karten spielt (II 15) und diesen darauf festlegt, ihm zu vertrauen (V. 2451). Er zerreißt auch den Brief des Königs an die Eboli, den er mit einem Trick an sich gebracht hat (nach V. 2400); als Carlos‘ Freund Lerma den Prinzen über bestimmte „trickreiche“ Aktionen Posas informiert (IV 4) und Carlos dem Freund auch noch seine Brieftasche geben muss (IV 5), wird er misstrauisch gegen Posa ( IV 6, wo Posa sein Schweigen vor sich selbst rechtfertigt). Nach einer weiteren Information Lermas (IV 13) glaubt der Prinz, Posa als Freund verloren zu haben, und geht erneut zur Eboli (IV 15), um ihr sein Herz auszuschütten, wobei er von Carlos verhaftet wird (IV 16). Dementsprechend klagt er auch bei Posa und macht ihm indirekt Vorwürfe, was dieser nicht versteht (V 1), weil er von Lermas Eingreifen nichts weiß.
Auch Posas Idee, Carlos durch die Königin in seine Flandern-Aufgabe einweisen zu lassen (IV 21; V 3), führt letztlich dazu, dass Carlos nicht wegkommt, sondern gefangengenommen wird; er nimmt Elisabeths Einladung zum nächtlichen Treffen an, weil dies Posas Wille sei (V 6), und schlägt die letzte Möglichkeit zur Flucht aus (V 7). Vorher hat er das Angebot des Königs, sich mit ihm auszusöhnen, ebenfalls wegen des Opfertodes Posas ausgeschlagen – im Sinn einer Realpolitik (und des Familienfriedens) zweifellos ein Fehler: Realpolitik ist nach einem Märtyrertod, wie Posa ihn inszeniert hat, jedoch nicht mehr möglich („Für mich ist er gestorben.“, V. 4838).
Überblickt man die Kräfte, die gegen Posas Pläne arbeiten, so muss man sagen, dass Posa mit seinem eigenwilligen und auch vermessenen Planen die Verwirklichung seiner Pläne selbst am stärksten verhindert hat.

2. Beispiel

Droste-Hülshoff: Die Judenbuche / Aufsatz verfassen
Thema: Was spricht dafür, dass Friedrich den Juden erschlagen hat?
Arbeitsschritte:
1. Überlegen, was die Aufgabenstellung besagt
(Friedrich scheint der Mörder zu sein, wird aber nie ausdrücklich so genannt. Welche Gründe oder Hinweise im Text stützen die Vermutung, dass er der Mörder ist? Diese Hinweise muss man suchen, zusammenhängend darstellen, mögliche Einwände berücksichtigen.)
2. Gründe, Hinweise sammeln
(Schöningh: S. 29 f.; 32/19 f.; 32/34-38 mit 33/17 ff.; 35/12[?];
38/5 ff.; 39/2 ff.; 44/4 f.)
(alte RUB-Zählung: S. 40 f.; 43/30 f.; 44/14-18 mit 45/6 ff.; 47/29[?]; 51/24 ff.; 53/1 ff.; 59/32 f.)
3. Die Gründe sortieren, d.h. Oberbegriffe suchen und die Hinweise ihnen zuordnen [s. AB „Gliederung 1“!]
* das mögliche Motiv Friedrichs,
* seine Flucht wegen des Verdachts,
* seine (als „Johannes“) spätere Einschätzung der eigenen Schuld,
* sein Selbstmord an der Buche als Erfüllung des Fluchs.
4. Eine Gliederung anlegen, mit Einleitung und Schluss, insgesamt
in Satzform
5. Den Aufsatz gemäß der Gliederung abfassen,
– dabei auf die Aufgabenstellung achten
– sowie darauf, dass die Argumentation vollständig ist (keine Gedankenschritte auslassen!),
– die einzelnen Argumente sprachlich sinnvoll miteinander verknüpfen: deutlich von einem zum nächsten überleiten.
6. Nach einer kurzen Pause den ganzen Aufsatz noch einmal lesen
und die sprachliche und sachliche Richtigkeit überprüfen.
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5. Klassenarbeit Deutsch 9a – 2001/02
Droste-Hülshoff: Die Judenbuche
Literarische Analyse
Aufgabenstellung:
Untersuche, als was für ein Mensch der heimgekehrte Friedrich Mergel dargestellt wird (36/8 – 42/8).
Verfasse eine Gliederung, ehe du den Aufsatz schreibst (nach dem Muster des AB „Gliederung 1“)!
Gib auch deine Notizen zu den Vorarbeiten mit ab.
Hilfsmittel:
„Die Judenbuche“
Duden: Die Rechtschreibung, oder ein ähnliches Buch.

Viel Erfolg!

Lösungserwartung:
Untersuche, als was für ein Mensch der heimgekehrte Friedrich Mergel dargestellt wird (36/8 – 42/8).
(Meine Liste umfasst ca. 15 oder 16 Notizen.)
A) Einleitung:
Was für ein Mensch war der junge Friedrich Mergel?
(oder: Friedrich kehrt nach 28 Jahren in die Heimat zurück.)
B) Hauptteil:
Untersuche, als was für ein Mensch der heimgekehrte Friedrich Mergel dargestellt wird (36/8 – 42/8).
1. Friedrich ist ein gebrochener Mann.
– seine Figur und sein Gang
– ohne Geld
– blickt zurück auf Vergebliches und Vergangenes (38/5 ff.)
– im Kopf verworren
2. Die Sehnsucht nach der Heimat hat ihn heimgeführt.
– Motiv der Flucht und Heimkehr
– Weihnachtslied bewegt ihn
3. Er will sich für seinen Wohltäter noch nützlich machen.
4. Er weicht seiner Identität „Friedrich Mergel“ aus.
– gibt sich als Johannes Niemand aus
– nimmt unklar zur Frage der Schuld Friedrichs Stellung, bittet aber um ein Gebet für ihn
– weicht dem Brederholz aus, wird aber von ihm angezogen.
C) Schluss:
Warum erhängt Friedrich sich an der Buche?
(oder: Friedrich ist durch seine Leiden für seinen Mord bestraft.)

Frage: Sollte man im Hauptteil 1. und 2. vertauschen, also mit dem Motiv der Heimkehr den Hauptteil beginnen?
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Zur Bewertung:
8 Punkte für Auswahl der Stellen (richtig lesen; alles Wichtige
nennen, aber gebündelt)
10 Punkte für die Gliederung:
Kategorien finden,
alle Belege richtig zuordnen,
Kategorien ordnen,
alles unterbringen,
Einleitung und Schluss
7 Punkte für die Ausführung:
Gedanken entfalten,
Gedanken miteinander verbinden,
durch Zitate und Belege die Ausführungen absichern.
Wichtig: Die (Haupt-)Sätze des Hauptteils müssen Antworten auf die Themenfrage sein, und zwar zueinander passende Antworten. Die Hauptpunkte werden als Absätze voneinander abgesetzt.Mehr...3. Beispiel

Schiller: Kabale und Liebe. Es werden einzelne Figuren des Dramas untersucht:

Das Verhältnis von Vater und Luise Miller (I 3; II 5 f.; III 6; V 1)
A: Einleitung:
Das Verhältnis der beiden ist für das Drama wichtig.
B: Hauptteil: Das Verhältnis von Vater und Luise Miller
1. Das Verhältnis Millers zur Tochter ist von der Autorität des Vaters und von gegenseitiger Zuneigung bestimmt.
a) Miller ist eine Autorität für seine Tochter:
– Miller wird mit „Er“ angesprochen (28/17).
– Er überwacht ihren Kirchgang, ihre religiösen Überzeugungen und ihre Lektüre (28/9 ff.).
– Er entscheidet, welchen Mann er ihr „geben“ kann (29/13).
b) Ihr Verhältnis ist herzlich:
– Ihre Anreden und Gesten sind voller Herzlichkeit (28/7; 29/11; 92/26 f.; 93/21).
– Miller spricht selber von seiner abgöttischen Liebe zu seiner Tochter (89/12 f.; 92/13).
– Die Mutter spielt in diesem Verhältnis keine Rolle.
c) Grund dieses Verhältnisses: Die Tochter ist das Werk des Vaters (55/6-8).
2. Im Konfliktfall ist ihr Verhältnis so, dass daneben alles andere zurücktritt.
a) Miller wehrt alles ab, was ihm Luise entfremden könnte:
– Miller verweigert ihr den Major als Mann; er gäbe sein Leben für ihren Seelenfrieden (28/36 f.).
– Er ermannt sich zum Widerstand gegen den Präsidenten und riskiert damit eine Verhaftung (55 f.).
– Er verweigert ihr die Flucht in den Selbstmord (92 f.).
– Er beschwört ihre Kindespflicht gegen den alten Vater (92/28 ff.).
– Er gäbe ihr zuliebe die bürgerliche Existenz auf (93/28 ff.).
b) Luise verzichtet auf alles, was sie von ihrem Vater trennt:
– Luise verzichtet mehrfach auf den Major (29; 53; 71; 93).
– Sie verzichtet auf die Flucht in den Selbstmord (92).
– Grenze dieser Selbstaufgabe ist ihre Ehre als Frau (70/32 f.)
C) Schluss:
Vielleicht ist Millers Liebe nicht so selbstlos, wie sie aussieht: Er verweigert ihr den „soliden“ Mann (I 2) ebenso wie den feurigen Liebhaber.

Untersuchen Sie, wie Luise (in I 3; I 4; II 5; III 6; IV 7; V 1) vom Tod und Sterben denkt und spricht.
1. Legen Sie eine Liste der relevanten Textstellen an und geben Sie kurz in einem Stichwort die Bedeutung an dieser Stelle an!
2. Fertigen Sie eine Gliederung an, die das Ergebnis Ihrer Untersuchung enthält (d.h. alle gefundenen Stellen müssen verarbeitet und auch in der Gliederung ausgewiesen sein)!

A) Einleitung: In welcher Situation befindet sich Luise?
B) Hauptteil: Wie denkt und spricht Luise vom Tod?
1. Sie spricht oft metaphorisch von Elend als Tod:
a) Sie nennt die bedrohenden Mächte „Tod“ (69/21-25; 70/12 ff.; 70/3 f. ist zwar wörtlich gemeint, aber Redewendung).
b) Sie bezeichnet (z.T. im Vergleich) ihre eigene konfliktreiche Situation so (69/10 f.; 83/8; 84/38; 94/11).
c) Sie bezeichnet speziell die drohende Trennung von Ferdinand, später auch von ihrem Vater, so (30/18-21; 52/15; 52/37; 72/3 f.).
d) Als abgeblasste Metapher braucht sie das Wort einmal, um ihre quälende Neugier oder Wißbegierde auszudrücken (52/20; in 69/17 ist „Grabesstille“ verblasster Vergleich).
2. Sie spricht metaphorisch davon, daß sie ihr Leben hingeben möchte für den Geliebten (28/30-32 für Ferdinand; 70/32 f. für den Vater).
3. Sie spricht von ihrem eigenen bevorstehenden Tod:
a) Sie wäre zu sterben bzw. sich zu töten entschlossen,
– falls sie Wurm als Ehemann töten könnte (73/1 f.);
– falls Ferdinand Lady Milford heiratete (85/4).
b) Sie erklärt, was Tod als Ewigkeit positiv bedeutet:
– Möglichkeit, bestehende Schulden zu begleichen (92/20-22);
– Zeit wahrer Menschlichkeit (29/16-22; negativ formuliert in 70/14-16: Aufhebung menschlich gesetzter Unterschiede);
– Ort der Freiheit von Meineiden, der Wahrheit (90/18 ff.);
– Grab als Brautbett (91/2 ff.).
c) Sie lädt Ferdinand dazu ein, mit ihr gemeinsam zu sterben:
– Sie bestätigt entsprechende Ängste ihres Vaters (89/15 f. 24. 29);
– sie lädt Ferdinand in einem Brief dazu ein, den sie dann auf Vorhaltungen ihres Vaters hin nicht abschickt (90/15 ff.)
4. Sie spricht vom drohenden Tod ihres Vaters (70/3 f.).
C) Schluss: Was ergibt sich aus der Analyse für das Verständnis von Luise als Mensch und Bürgerstochter?

(Unklar ist 69/10 f.; 29/16-22 passt nicht recht ins Schema.)
Wesentlich für das Verständnis ihres Sprechens ist die Unterscheidung von metaphorischem und wörtlichem Sprachgebrauch!