Macken schriftlicher Darstellung – eine Parodie

Arthur Bimmel in Klammern

Ein Wort in „Strichen“ angeführt,
heißt, dass Beachtung ihm gebührt.

Man schreibt sie vor dem Worte drunten;
seht so: „Anführungsstriche unten!

Der eine schätzt „Anführungszeichen“,
der andere liebt zu unterstreichen!

Ihm hat zur eignen „Freudbereitung“
fast jedes dritte Wort Bedeutung:

Es wird, Gott weiß, aus was für Schlichen,
fast jedes Wort dick unterstrichen!

Ein drittes Beispiel: Artur Bimmel
hat einen wahren Klammernfimmel!

[Das heißt: er schreibt (es ist zum Jammern!)
fast jedes (dritte) Wort in Klammern!]

Er kann (wie wir es hier probieren)
mit Klammern gradezu jonglieren!

Er wird dereinst (ich will drauf wetten!)
in Klammern sich zur Ruhe betten,

[wenn er an Klammern-Spleen gestorben,
in Klammern sich den Tod erworben!

Dann erst hat er vor Klammern Ruh!
<Ausrufungszeichen! (Klammern zu!)>]

Eduard Müller-Binz (1899 – ?)

Aspekte der Berufswahl – ein Ideal

Denke ich mir einen Menschen der in blühendem Jugendalter sich zum höchsten Bewusstsein über sich selbst zu erheben vermöchte, so würde er den Stand und das Mass seiner Kräfte sorgfältig überschlagen, er würde untersuchen, auf welche Gebiete menschlichen Thuns seine Hauptanlagen hinweisen, er würde dann den Lebenskreis prüfen innerhalb dessen er zu wirken hat, er würde nach den öffentlichen Aufgaben spähen die ihrer Lösung harren: und aus der Vergleichung der allgemeinen Lage mit seiner individuellen Leistungsfähigkeit würde er zur Wahl und Begrenzung der Ziele gelangen, für die er seine Existenz einzusetzen bereit wäre. Hat er sich in den erworbenen Anschauungen über die Welt und sich selbst nicht geteuscht, hat ihn gereifte Einsicht oder glücklicher Blick in sich wie ausser sich das Richtige erkennen lassen: so werden manche irreführende Phantome vor ihm entweichen, er wird durch Beharrlichkeit vielleicht den höchsten Platz einnehmen der ihm nach seinen natürlichen Anlagen zusteht.

Wilhelm Scherer: Widmung zur ersten Ausgabe (Zur Geschichte der deutschen Sprache. Zweite Ausgabe, Berlin 1890, S. IX)

Diese Gedanken Scherers zeichnen ein Ideal, das man als junger Mensch leider kaum oder nie erreicht, das aber trotzdem nachträglich überzeugt, wenn man auf sein Leben zurückblickt, das durch manche irreführende Phantome bestimmt wurde.

Drei Merksätze für Schüler

Schweres kann leicht werden.

Greif an ein Werk, und wirf den Mut nicht bald zu Erden;

Was schwer ist, kann durch Fleiß und Übung leichter werden.

(Aus dem Arabischen des Kalifen Ali)

……….

Wer unbedingt dich lobt, der lobt dich wirklich nicht,

Weil, wo Begrenzung fehlt, auch der Gehalt gebricht.

Der lobt dich, wer bedingt dich lobt im Gegensatz

Anweisend unter viel Gelobten deinen Platz.

(Rückert, Weisheit des Brahmanen)

……….

Menschen von dem ersten Reise

Lernen kurze Zeit und werden weise;

Menschen von dem zweiten Range

Werden weise, lernen aber lange;

Menschen von der letzten Sorte

Bleiben immer dumm und lernen Worte.

(Schi-King)

Fritz Mauthners Sprachkritik

In seinen Erinnerungen (1918) berichtet Mauthner, wie die Idee der Sprachkritik ihn 1873 überfallen, sich seiner bemächtigt habe, so dass er wochenlang schriftlich ausarbeiten musste, „was in mir denken wollte“.

Die drei Bände seiner Sprachkritik erschienen dann 1901/02, in einer überarbeiteten zweiten Auflage 1906-1913. Dass diese Ideen in der Luft lagen, sieht man zum Beispiel am Chandos-Brief Hofmannsthals und an Musils Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“. 1904 wurde (in der „Zukunft“) ein Brief Mauthners an Harden veröffentlicht, in dem er berichtete, welche Momente bei der „Entbindung“ seiner sprachkritischen Gedanken geholfen haben; diesen Brief findet man in Mauthners Erinnerungen wieder abgedruckt (S. 210 ff.). Mauthner nennt drei Anstöße:

  1. Otto Ludwig: Shakespeare-Studien (1871). Ludwig vergleicht den Dramatiker Schiller mit Shakespeare, wobei die Sprache des damals gefeierten Schiller als „schöne“ Sprache kritisiert wird; eine solche Sprache könne nicht Kunstmittel sein. Daraus ergab sich für Mauthner die Frage, ob Sprache ein Erkenntnismittel sein kann; dabei beruft er sich auf Goethe: Das Wort müsse sich ablösen, sich vereinzeln, um etwas sagen, etwas bedeuten zu können: Es ist so, „daß die Begriffe oder Worte keinen starren Umfang und keinen definierten Inhalt haben, daß vielmehr ein zitteriger Umfang, ein nebelhafter Inhalt die Worte der lebendigen Sprache mindert oder erhöht, wie man’s nimmt. Dieses Schweben und Weben in den einzelnen Worten kann keine Anschauung geben, nur Assoziationen kann es wecken, Assoziationen und Erinnerungen.“ Darum „ist das Schwebende in den Begriffen, der Gefühlswert in den Worten ein so ausgezeichnetes Mittel der Wortkunst“, aber taugt nicht zur Erkenntnis der Wirklichkeit. Deshalb könnten die Wissenschaften nur die Welt beschreiben, aber nicht erklären. In „Die Worte des Glaubens“ habe Schiller noch an Worte geglaubt, zwei Jahre später in „Die Worte des Wahns“ schon nicht mehr. [Diese Deutung halte ich für sehr problematisch, N.T.]
  2. Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874). Nietzsche habe sich gegen den Glauben gewandt, die Geschichte werde von Gesetzen bestimmt; daraus folgerte Mauthner, es gebe auch keine Sprach- und keine Denkgesetze. Sprache sei nur die Summe der menschheitlichen Erinnerungen.
  3. Als mächtiger Faktor wird Bismarck genannt, auf den die deutschen Prager Studenten in ihrem Kampf mit den tschechischen Kommilitonen mit großer Begeisterung blickten, weil er die deutsche Einheit hergestellt hatte. Die Bewunderung für den Realpolitiker habe sie allerdings in ihrem erkenntnistheoretischen Idealismus in Bedrängnis gebracht: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut.“

Nachträglich habe Mauthner ähnliche Gedanken bei Vico, Bacon, Hobbes, Locke, Hume, Kant, Hamann und Goethe gefunden, aber diese hätten den sprachkritischen Gedanken nicht Ende gedacht.

https://www.textlog.de/mauthner.html (Mauthners Sprachkritik, vgl. die Zusammenfassung in https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Mauthner )

https://archive.org/details/erinnerungenipra00mautuoft/page/210/mode/2up?view=theater (Mauthners Brief an Harden, 1904, über die Quellen seiner Sprachkritik)

https://philosophierer.blogspot.com/2015/10/wittgenstein-und-mauthner.html (Wittgenstein und Mauthner)

https://www.gleichsatz.de/b-u-t/221149/schleich1.html (Hubert Schleichert, kritisch über Mauthners Sprachkritik)

https://also42.wordpress.com/2021/08/18/sprachkritik-in-der-philosophie-o-f-gruppe/ (Otto F. Gruppes Sprachkritik, Mauthner scheint sie nicht zu kennen)

https://norberto42.wordpress.com/2013/04/11/hofmannsthal-ein-brief-des-lord-chandos-inhalt-links-zum-verstandnis/ (zum Chandos-Brief, 1902 verfasst; vgl. Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“, 1906)

Über das Duzen

In einem Schwank Heinrich Bebels aus dem Jahr 1506 steht als Kommentar des Erzählers: dann die Teutschen habens also im Brauch, daß sie nur entweders Freund und Bekannte oder schlecht und unachtbare Menschen duzen“. Als Alternative gab es damals nicht das Siezen, sondern das Ihrzen („Ihr“ als höfliche Anrede).

Heinrich Bebels Schwänke. Zum ersten Male in vollständiger Übertragung herausgegeben von Albert Wesselski. Erster Band. München und Leipzig 1907, S. 7

Deutscher Wortschatz – systematisch geordnet

Wir kennen alle die normalen Wörterbücher, wo die Wörter in alphabetischer Ordnung aufgeführt sind. Es gibt aber auch Wörterbücher, wo die Wörter nach Sachgebieten systematisch geordnet sind. Klassisch ist für die deutsche Sprache der Dornseiff (Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen) oder Wehrle-Eggers: Deutscher Wortschatz. Ein Wegweiser zum treffenden Ausdruck (Klett).

Vorgänger dieser Bücher ist der bei archive.org greifbare Sanders: Deutscher Sprachschatz geordnet nach Begriffen zur leichten Auffindung und Auswahl des passenden Ausdrucks, 1873, aber immer noch hilfreich:

https://archive.org/details/deutschersprachs01sanduoft/page/n7/mode/2up Bd. 1

https://archive.org/details/deutschersprachs02sanduoft/page/n7/mode/2up Bd. 2

Ferner: Schlessing https://archive.org/stream/deutscherwortsc00unkngoog#page/n7/mode/2up 

Ich habe die Links in die Kategorie „Wörterbücher“ übernommen. Auch der Dornseiff ist im Internet greifbar (und ebenfalls verlinkt): https://archive.org/details/DORNSEIFFDerDeutscheWortschatzNachSachgruppen/page/n175/mode/2up Die Übersicht über die Sachgruppen steht auf S. 168.

Gewalt gegen sich: Selbstmord

In einer Projektwoche unter dem Stichwort „Gewalt“ stand 1994 am Franz-Meyers-Gymnasium Mönchengladbach das Thema „Gewalt gegen sich selbst: Selbstmord“ neben 24 weiteren Themen zur Auswahl. Zu diesem Thema mussten wegen des großen Interesses vier Arbeitsgruppen gebildet werden (genau wie zum Thema „Sport und Gewalt“); eine davon habe ich geleitet.

Zu Beginn sollten die Schüler über einen Fragebogen ihr Interesse am Thema klären. Dabei kam heraus,

  • dass sie sich i. W. für die Problematik von Jugendlichen interessierten,

  • dass sie das Thema medizinisch-psychologisch statt literarisch behandeln wollten,

  • dass sie wissen wollten, ob es ein Recht auf Selbstmord gibt,

  • dass sie sich schon einmal mit dem Thema auseinandergesetzt hatten,

  • dass sie Leute kannten, die den Gedanken an Suizid erwogen hatten,

  • dass sie kein Material zum Thema besaßen,

  • dass sie Beratungsstellen für Suizidgefährdete kennenlernen wollten;

  • das Interesse für Gründe des Suizids und für den Umgang mit Suizidgefährdeten war halbe-halbe geteilt.

Von dem von mir vorbereiteten Material wurden eingesetzt:

Wedler, Hans-L.: Gerettet? Begegnungen mit Menschen nach Selbstmordversuchen, 1979, S. 61-65 (Bericht der Lisa E.)

Jacobs, Jerry: Selbstmord bei Jugendlichen. Erklärung, Verhinderung, Hilfe, 1974, S. 51-53 (Fallstudie einer jugendlichen Suizidentin)

Stengel, Erwin: Selbstmord und Selbstmordversuch, 1969, S. 65-67 (Auswertung des fiktiven Berichts eines Außerirdischen, der Selbstmorde von Menschen beobachtet)

Popitz, Heinrich: Drohen und Bedrohtsein, in: Phänomene der Macht, 2. Aufl. 1992, S. 80-85 (zur Drohung mit dem Selbstmord)

Stengel, Erwin: a.a.O., S. 118-122 (Zweifel an den Erklärungen und Gründen des Selbstmords, Plädoyer für die lebenserhaltenden Kräfte)

Außer mir war noch eine Schülermutter in der Gruppenleitung aktiv, die als Sozialpsychologin fachlich kompetent war.

Das Fazit des von Stengel einführten Außerirdischen lautet: „Es sieht so aus, als ob ihr eigentümliches Verhalten nicht aus einer einzigen Tendenz allein hergeleitet werden kann, sondern wahrscheinlich auf eine Kombination von mindestens zwei Tendenzen zurückzuführen ist, nämlich auf den Drang zur Selbstverletzung, möglicherweise zur Selbstvernichtung und auf das Verlangen, andere Menschen zur Äußerung von Sorge und Liebe und zu einem entsprechend fürsorglichen Handeln zu bewegen.“

Mir war das Thema durch Jean Amérys eindrucksvolles Buch „Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod“ (1976) und durch einen Suizidversuch in der Verwandtschaft bekannt. Einer meiner Schüler, der Bruder einer Schülerin der Arbeitsgruppe, hat sich später das Leben genommen – ein künstlerisch begabter Schüler (B. K.), von dem ich zwei Bilder besitze. Auch sei einer Schülerin (S.) und eines Schülers (M.) des ehemaligen NGM gedacht, die Anfang der 80er Jahre kurz nach dem Abitur aus dem Leben geschieden sind – ein Schock, weil es kurz hintereinander zwei aus dem gleichen Jahrgang waren. Ihnen und Jean Améry sei dieser Rückblick gewidmet.

Die Geschichte meiner Bücher

Diese Geschichte ist ein Teil der Geschichte meines Lebens. Ich habe sie im August 2008 aufgezeichnet.

Sie beginnt mit einem nicht geschriebenen Buch. Wenn ich mich recht erinnere, kannte ich Walter Dirks seit 1966 (oder bereits seit 1961 – ich habe ihn anlässlich seines eigenen Kommentars aus Anlass seines Geburtstages kennengelernt: „Irrtümer eines Kritikers“); jedenfalls habe ich ab 1970 bei den „Frankfurter Heften“ mitgearbeitet. Mit ihm habe ich ein Projekt ca. 1970/71 besprochen, dass ich in der Reihe „Theologia publica“ des Walter-Verlags eine Auswahl aus meinen Predigten veröffentlichen könnte (aus meiner Zeit als Kaplan in Eschweiler, ab 1968, eventuell auch noch aus der Aachener Zeit 1967/68?). Es gab in dieser Reihe auch Predigten eines Theologieprofessors, und meine Predigten waren nicht schlechter. Walter Dirks machte mir Mut – ich sollte mich an Ingo Hermann wenden, der die Reihe „Theologia publica“ bei Walter betreute, und mich auch auf Walter Dirks als Befürworter berufen. Ingo Hermann antwortete mir auch freundlich, er wäre froh, wenn er sonntags solche Predigten zu hören bekäme, aber sie seien für die Reihe nicht geeignet – dabei waren sie genau so „öffentliche Theologie“ wie die des evangelischen Professors; aber ich war halt kein Professor. Die Ablehnung durch Ingo Hermann hat mich sehr enttäuscht.
Das erste Buch ergab sich aus einer ganz anderen Situation, nämlich aus meiner Tätigkeit als Lehrer. 1972 war ich hauptamtlich an die Schule gegangen, ans Neusprachliche Gymnasium Mönchengladbach; 1975/76 war ich am Stiftisch-Humanistischen Gymnasium MG Referedar (Kath. Religionslehre, Philosophie). Meine Zweite Staatsarbeit habe ich in Philosophie geschrieben, um dem autoritären Fachleiter Dr. Schütt auszuweichen – wenn auch Schwertfeger als Fachleiter zwar lasch, aber auch nicht besser als Dr. Schütt war. Jedenfalls habe ich auf der Basis meiner Unterrichtserfahrung Arbeitshefte für den Einführungskurs Philosophie in 11.1 untersucht; die auf dem Markt käuflichen Hefte taugten allesamt nicht viel, meinte ich feststellen zu können. Eines dieser Hefte war von Ekkehard Martens (damals Assistent oder Privatdozent in Münster) bei Schroedel herausgegeben worden; über meine Arbeit am Thema hatte ich Kontakt zu Martens aufgenommen, und so schlug Martens mir 1977 (?) vor, ein Arbeitsheft über die Religionsphilosophie zu machen. Ich musste nur einen evangelischen Mitautor suchen, damit das Heft nicht gar zu katholisch würde.
So bin ich dann an den Leiter der Prüfungskommission, vor der ich 1976 die Zweite Staatsprüfung abgelegt und deren Leiter ich als einen ausgesprochen fairen Prüfer kennengelernt hatte, mit der Bitte herangetreten, er möge mit mir zusammen das Arbeitsheft machen. Der hatte jedoch als Schulleiter nicht genügend Zeit und verwies mich auf eine tüchtige Fachleiterin, Frau Seelbach. Diese war auch zur Zusammenarbeit bereit; wir haben in Bonn unsere Vorstellungen von Religionsphilosophie verglichen, da war volle Übereinstimmung. Aber bald darauf sagte Frau Seelbach aus privaten Gründen ab und empfahl mir ihre Meisterschülerin, Frau Brunkhorst-Hasenclever. Die war bereits nach zwei Jahren im Dienst [also zu früh] Fachleiterin geworden; mit ihr und Martens zusammen habe ich dann das Arbeitsheft „Wohin mit der Religion?“ (1978, Schroedel) gemacht. Das Heft trägt weithin meine Handschrift; am 21. Oktober 1978 hatte ich es in den Händen.
Gleichzeitig arbeitete Ekkehard Martens an einem Arbeitsheft „Was heißt Glück?“; zu diesem Heft habe ich einige Texte beigesteuert (Ch. Bühler, F. Fürstenberg, H. Jäckel, N. Hinske), und auch an der Organisation des gesamten Stoffes habe ich mitgearbeitet. Das Heft erschien ebenfalls 1978, ohne dass Martens meine Mitarbeit auch nur mit einem Dankeswort in den Vorbemerkungen erwähnt hätte – das sei bei Schroedel nicht üblich, teilte er mir auf meine verwunderte Nachfrage mit. Damit war für mich keine Zusammenarbeit mit Martens mehr möglich, und wenn der mit ihm befreundete E. Nordhofen ihn auch anlässlich eines Geburtstages als bescheidenen und fleißigen Gelehrten gewürdigt hat – ich kenne eine andere Seite des Professors für Philosophiedidaktik in Hamburg.
Eine neue Chance ergab sich daraus, dass ich am NGM Leonhard Horster als Kollegen hatte, mit dem ich mich gut verstand. Leonhard kannte die oder einen der Herausgeber von „Kurs: Philosophie“, einer Reihe im Bagel-Verlag. Auf deren Anfrage bei ihm haben wir beide gemeinsam „Wahrnehmung – Erkenntnis – Wahrheit“ gemacht (1983). Dies war das erste Buch unserer guten Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Respekt und auf Gleichheit beruhte, auch wenn Leonhard von Philosophiegeschichte mehr als ich verstand. – Bei diesem Buch haben wir auch erlebt, dass der Assistent Sir Karl Poppers einen Aufstand machte, weil wir Poppers Text kürzen mussten: Das sei eine Unverschämtheit, Poppers Gedanken könne man nicht kürzen, dreißig Seiten wären deutschen Gymnasiasten wohl zuzumuten, wir wären wohl nur auf schnödes Geldverdienen aus…
Das nächste gemeinsame Buch war dann „Glück und Utopie“, das 1988 bei Diesterweg erschien. Wir hatten uns überlegt, dass diese Zusammenstellung von Glück und Utopie sachlich berechtigt wäre, und haben uns nach einem Verlag umgeschaut; nachdem wir zum Herausgeber der Reihe, Bruno H. Reifenrath, nach Much in Bergische Land gefahren waren und ihm unsere Vorstellungen erläutert hatten, ging das Projekt zügig voran. Leonhard war für die Utopie zuständig, ich für das Glück; jeder von uns hat fünf Kapitel als Hauptautor bearbeitet. Da ich mit Martens schon über das Glück nachgedacht und auch im eigenen Philo-Unterricht das mir vormals verdächtige Thema mehrfach behandelt hatte, war ich für „das Glück“ hinreichend vorbereitet. Hinzu kam, dass ich 1982 meine spätere Frau kennengelernt und das Priesteramt aufgegeben hatte; aber nicht nur in dem Zusammenhang hatte ich öfter über das Glück nachgedacht.
Noch ein Buch habe ich mit Leonhard Horster gemacht: „Bilder vom Menschen“, 1991 bei J. B. Metzler erschienen. Die Idee zu diesem Buch hatten wir vermutlich beide, ich habe den Kontakt zu Metzler hergestellt – es wurde erwogen, was man bei Metzler in einer Reihe zum Philosophieunterricht alles veröffentlichen könnte. Jedenfalls haben wir das Manuskript nach Metzler geschickt und dann lange nichts mehr vom Verlag gehört; die Bilder im Buch hat übrigens Leonhard ausgesucht, er war und ist firm darin, was Kunstgeschichte und Bilder betrifft. Nach langer Zeit stellte sich dann heraus, dass unser Manuskript beim Verlag irgendwie „verschwunden“ war; so haben wir unsere Materialien neu kopiert und nach Stuttgart geschickt, und mit einem Jahr Verspätung ist das Buch dann im Dezember 1991 erschienen. Dieses Buch war von der Aufmachung her das schönste, was wir gemacht haben; es war aber auch das, wofür wir am wenigsten gearbeitet haben – wir haben einfach aus dem Bestand geschöpft, aus dem, was wir kannten. Ich habe das 1., 5. und 6. Kapitel bearbeitet, Leonhard die anderen drei. Bernhard Andelfinger meinte einmal, man merke dem Buch an, dass es „nur“ aus den Beständen gemacht worden sei – ich weiß nicht, ob er recht hat.
Jedenfalls war es das letzte Buch, das ich „aus dem Wissen heraus“ gemacht habe; die folgenden habe ich „aus dem Fragen heraus“ erarbeitet: Themen, bei denen ich das Gefühl hatte, ich müsste mich darin einarbeiten, weil ich aufgrund meiner Lebens- und Studiengeschichte nicht kompetent genug sei. Dies galt besonders für die Fragen des Zusammenlebens und -arbeitens, in denen die Lektüre von Peter L. Bergers „Einladung zur Soziologie“ 1970 für mich eine Offenbarung bedeutet hatte. Die Arbeit an dieser Thematik habe ich in den 80er Jahren noch einmal aufgenommen, gerade auch für ein neues Arbeitsheft, das ich dann allein gemacht habe: „Ich und die anderen“, 1990 bei Diesterweg. Den Kontakt zu Reifenrath und zum Verlag Diesterweg, wo Herr Thiel ein ausgesprochen freundlicher und kompetenter Gesprächspartner war, hatte ohnehin ich gepflegt. Nur beim Titel machte Reifenrath Einwände: „Ich und die anderen“, das klänge ja beinahe nach Max Stirner, als ob alle anderen neben mir bedeutungslos wären… Ich habe dann diese Formel „Ich und die anderen“ in durchaus verschiedenen Zusammenhängen ganz unverfänglich gebraucht gefunden (einmal sogar in der Theatertheorie); schließlich hat Reifenrath seinen Widerstand gegen den Titel aufgegeben. Sozialphilosophie würde ich das nennen, was ich in diesem Buch vorgelegt habe; die Arbeit daran muss parallel zu „Bilder vom Menschen“ gelaufen sein. Leonhard zog es dann aufgrund seiner Arbeit stärker in die Theorie des Unterrichts und der Schulgestaltung, unsere Zusammenarbeit war mit „Bilder vom Menschen“ beendet.
In der Reihe PHILOSOPHIA PROPAEDEUTICA habe ich dann noch „Gewalt – Recht – Freiheit“ 1994 veröffentlicht, ein Buch, das man unter „Politische Philosophie“ einordnen könnte. Günter Dux hat eigens für dieses Buch seinen Aufsatz „Recht, Macht und Herrschaft“ als Kurzfassung seiner Rechtssoziologie geschrieben; ich hatte ihn darum gebeten, Kapitel seiner Rechtssoziologie zusammenschneiden und -stellen zu dürfen, und er bot von sich aus die Neufassung an, weil er verstanden hatte, worauf ich hinauswollte. Diesen Aufsatz habe ich teilweise in seinem Sinn mitbestimmt, weil das Manuskript Dux‘ ziemlich nachlässig geschrieben war, was Rechtschreibung und v.a. Zeichensetzung anging, und weil einige Fragen entschieden werden mussten, womit ich den Professor Dux nicht behelligen wollte.
Als letztes Arbeitsbuch zur Philosophie habe ich 1997 „In der Zeit – Über die Zeit – Mit der Zeit“ veröffentlicht. Die Zeit, das war seit 1990 eines meiner Themen; die Geschichte der Fragestellung, die eine Schülerin des FMG an mich herangetragen und auf der sie bestanden hatte, habe ich in einer Festschrift des FMG erzählt. Bei Diesterweg passte das Buch aus irgendwelchen Gründen nicht in die Reihe PP – so ist es eben außerhalb der Reihe erschienen. Ich war vom Thema überzeugt und habe es bei Reifenrath und dem Verlag durchgesetzt. Das Manuskript musste ich auf die Hälfte seines Umfangs reduzieren – das habe ich getan, als ich wegen einer Operation vorübergehend aus dem Verkehr gezogen war. Wenn es 1996 war, müsste es die Operation gewesen sein, zu der ich in Mönchengladbach im Maria-Hilf war. Des sorgfältigen Diagnostikers einer kleinen Geschwulst, Dr. Hörster, sei mit Dankbarkeit gedacht.
Auch zum Zeit-Buch hätte ich gern einen Originalbeitrag von Prof. Günter Dux bekommen; aber auf meine Anfrage hat er nicht einmal geantwortet – vielleicht nicht ohne Grund, weil sein Zeitbuch nicht die Klasse seiner Rechtssoziologie und seines Buchs „Die Logik der Weltbilder“ hatte (hat). – Der Wissenschaftlichen Buch-Gesellschaft habe ich nach 1997 eine Anthologie zum Thema „Zeit“ angeboten; aber dem Verlag schien die Zielgruppe nicht hinreichend klar umschrieben, auch wenn er später ein ähnliches Buch brachte – auch das ist eines meiner ungeschriebenen Bücher, aber das Misslingen dieser Idee hat mir nicht viel ausgemacht.
Als letztes der philosophischen Bücher kann ich „Kennen Sie Nietzsche?“ nennen, 1997 bei dtv erschienen. Das Buch beruht auf der zweiten und dritten Lektüre von „Menschliches, Allzumenschliches“ und stellt den Versuch dar, die bedeutenden Aphorismen dieses Buches zu finden und für ein breiteres interessiertes Publikum spielerisch zu erschließen. Es zeigt „meinen“ Nietzsche, der mir in wichtigen Fragen Gesprächspartner war und der einer der großen Philosophen der „Moderne“ ist, kein Systematiker, aber ein leidenschaftlich Denkender, mit teilweise brillanten Einsichten. In meinen [inzwischen untergegangenen] Philo-Blogs bei blog.de und also.kulando.de ist er in vielen Stellen gewürdigt; was mir bedeutsam war, muss nicht für alle bedeutsam sein – deshalb hebe ich hier keine Aphorismen hervor. Wichtig ist meine Idee, Aphorismen zu einem Gespräch zu verbinden; dahinter steht die Theorie, dass nur mit dem Schema „Frage und Antwort“ theoretische Texte (als Antworten auf Fragen) zu verstehen sind, aber das gehört in die Theorie und Praxis der Textanalyse.
Wenn ich mich nicht verrechne, habe ich 1998 (oder doch später?) Zugang zum Internet gefunden; dort habe ich dann vielleicht 2002 mein erstes Weblog angelegt, norberto42 bei 20six. Dieses Blog habe ich einmal aus Versehen abgewürgt, was damals bei 20six nicht schwer war…
Aufgrund meiner Weblogs hat Frau Netz von lehrer-online mich Anfang 2006 (?) angesprochen; mit ihrer großartigen Unterstützung habe ich 2006/07 eine Reihe von Beiträgen bei lehrer-online gemacht, welche wiederum zu den nächsten Büchern geführt haben, weil ich von da an im Netz präsenter war (auch aufgrund meiner Platzierung unter den zehn besten Lehrerblogs 2006 im „Lehrerfreund“). Das dritte ungeschriebene Buch ist ein Arbeitsheft im Stark-Verlag zu Schlink: Der Vorleser. Der Verlag hatte meinen Internetauftritt gesehen (Analysen fürs Zentralabitur 2007, meine Arbeit im Deutschkurs) und mich um die Zusammenarbeit gebeten. Ich habe auch eine Reihe von Analysen vorgelegt, aber leider nicht den Ton des Verlags getroffen: Ich halte den Roman für ein ziemliches Machwerk, aber die öberste Tante in der Verlagsredaktion war von Schlink angetan. So teilte mir mein Gesprächspartner beim Verlag mit, der Verlag habe „einen stärker wissenschaftlich orientierten Autor“ (ich muss lachen!) gefunden, und mit großem Bedauern… usw. Meine neuen (beinahe Stark-)Analysen stehen bei norberto42.wordpress.com; da stehen sie gut, die alten standen im bloghof.net.
Wiederum aufgrund der Arbeiten bei lehrer-online ist Herr Krapp vom Verlag Krapp & Gutknecht (Rot an der Rot, BW) im Herbst 2007 an mich herangetreten, wegen eines Lehrerheftes zu Wolf: Kassandra (Zentralabitur NRW 2009/10). Nach langer, intensiver Vorarbeit wurde dann vieles von meinen Analysen als „Bleiwüste“ beiseite gelegt, das Praktische stärker ausgebaut und schließlich im Juni 2008 veröffentlicht. In den letzten Tagen habe ich auch die Korrekturfahnen zu Schiller: Don Karlos, gelesen, woran ich im Frühjahr 2008 gearbeitet habe, nachdem ich im Frühjahr 2007 für lehrer-online das Drama bereits intensiv gelesen hatte. Das neue Lehrerheft wird wohl in vier Wochen erscheinen; inzwischen verstehe ich das Drama besser als der Bearbeiter im Schiller-Handbuch von Metzler, denke ich in aller Bescheidenheit.
Ob es mit den Büchern weitergeht, wird sich zeigen – es gibt die Anfrage eines neuen Verlags. Zwei Anekdoten möchte ich zum Schluss noch erwähnen. Die erste beruht auf der Eigenart der word-Dateien, dass in ihnen Links blau erscheinen und durch Anklicken aktiviert werden können. Im Kassandra-Heft waren nun wirklich viele Links; der Setzer kannte anscheinend die Eigenheiten von word-office nicht und hat alle Links unterstrichen blau gesetzt. – Beim Lehrerheft zu „Don Karlos“ gab es seitens des Verlages die Kritik, ich hätte zu wenig Arbeitsmaterial für die Schüler; das war sachlich nicht berechtigt, weil ich die Arbeitsblätter usw. in Form der Lösungserwartung „fertig“ konzipiert hatte. Ich habe deshalb in Blau kursiv erläutert, wie ich mir den Druck des einzelnen AB denke: „Blau kursiv“, das war mein Dialog mit dem Verlag. Auf dem Weg von mir über die Verleger zum Setzer ist das Wissen um „Blau kursiv“ aber verloren gegangen, und der Setzer hat nur die Lösungserwartung mitsamt meinen Dialog-Passagen gesetzt. Zur Zeit sind wir dabei, das Versehen zu korrigieren.

P. S. Nachträglich fällt mir ein weiteres ungeschriebenes Buch ein, dessen Untertitel „Kleine Einführung in die Theologie“ geheißen hätte. Es gibt ein Büchlein von Michael Wittschier: „Alle Kreter lügen… sprach der Kreter… Kleine Einführung in die Philosophie“ (Patmos 1980). Beim Patmos-Verlag gab es die Idee, ein analoges Büchlein zur Theologie herauszubringen; Teile des Manuskripts dazu habe ich in den 80er Jahren geschrieben, aber das Projekt hat sich zerschlagen. Wenn ich heute in Wittschiers Büchlein hineinschaue, denke ich: Ich wollte sachlich zu viel vortragen und habe nicht den netten Umgangston getroffen.
Im Zusammenhang mit dem Patmos-Verlag ist ein weiteres gescheitertes Projekt zu nennen, das der für Religionspädagogik zuständige Mann bei Patmos, Tullio Aurelio, angestoßen hatte. Es ging darum, einen Nachfolger für Werner Trutwin, der mit seinen Heftchen den Markt der Religionspädagogik in der Sek II beherrschte, aufzubauen und etwas zu produzieren, das die Heftchen von „Theologisches Forum“ ablösen sollte. Zu diesem Zweck habe ich viel Material gesammelt und an den Verlag geschickt, aber auch einmal Werner Trutwin in Bonn besucht und mit ihm meine Vorstellungen besprochen. Ich erinnere mich an das Spottkruzifix vom Palatin, welches ich unbedingt den Schülern präsentieren wollte, weil es zum Bestand meines Religionsunterrichts gehörte. – Woran dieses Projekt, ebenfalls in den frühern 80ern (oder späten 70ern?), gescheitert ist, weiß ich nicht mehr. Vermutlich war Trutwin, der zugleich Schulleiter in Bonn war, nicht davon begeistert, einen Nachfolger (auch im Geldverdienen) aufzubauen.
Ein abgeschlossenes, aber nicht veröffentlichtes Projekt ist das Lesebuch „Christ-sein in der Kirche? Ein theologisches Lesebuch“ vom Oktober 1980. Neben dem Manuskript, das in einer Schachtel ruht, gibt es zwei gebundene Exemplare: Eines habe ich Leonhard Horster geschenkt, eines habe ich selber. Das letzte, das neunte Kapitel ist „Christ-sein im Zeitalter der Säkularisierung“ überschrieben, mit Texten von Gerhard Schmidtchen, Hermann Lübbe und Trutz Rendtorff. Mit diesem Thema bin ich wieder beim „Don Karlos“, der in einem Monat erscheinen soll: Säkularisierung ist ein Signum der aufklärerischen Moderne, auch wenn viele das noch nicht gemerkt oder bereits wieder vergessen haben.

Nachtrag August 2009: Inzwischen ist nicht nur das Lehrerheft zu „Don Karlos“ bei Kapp & Gutknecht erschienen, sondern auch eines zur „Nachkriegslyrik. Deutsche Lyrik 1945 – 1960“. Ich hoffe, dass dies nicht das letzte war – der andere Verlag hat sich aber nicht mehr gemeldet.

Nachtrag im Mai 2010: Inzwischen sind auch Lehrerhefte zu „Kabale und Liebe“ sowie zu „Antigone“ herausgekommen; in den nächsten Tagen erscheint ein Büchnerheft (Dantons Tod; Woyzeck). Das Manuskript zu den 51 bedeutendsten Gedichten Goethes ist abgeschlossen – alles bei Krapp & Gutknecht. Eine Zusammenarbeit mit dem C. Bange Verlag ist daran gescheitert, dass meine Vorstellung von guten Arbeitsbüchern (und meine Bewertung vorliegender Abiturbücher des Verlags) nicht mit denen des Verlags übereinstimmte.

Nachtrag im November 2010: Inzwischen ist bei Krapp & Gutknecht auch das Arbeitsheft zu Thomas Mann (Die Buddenbrooks; Mario und der Zauberer) fertig, Goethe liegt noch auf Eis; die Zusammenarbeit mit einem weiteren Verlag ist so weit fortschritten, dass ein Manuskript abgeschlossen ist und ich gerade an einem zweiten arbeite. Wenn das erste veröffentlicht ist, werde ich mehr dazu sagen.

Nachtrag im März 2011: Gerade ist bei Krapp und Gutknecht „Johann Wolfgang von Goethe – Seine bedeutenden Gedichte“ erschienen. Das Opus geht auf eine Untersuchung von 2009 zurück, welche Gedichte Goethes heute zum Kanon gehören. Nach dem Satz des Manuskripts gab es Probleme mit Goethes Rechtschreibung und Zeichensetzung, die leider nicht dudenkonform ist; aber nach kleinen Änderungen („sei“ statt „sey“ z.B.) durfte Goethe dann doch weithin bei seiner Schreibweise bleiben, wofür ich mich stark gemacht hatte.

Nachtrag im Januar 2012: Inzwischen sind drei Manuskripte zu Lehrerheften fertig, und zwar zu „Frühlings Erwachen“, „Götz von Berlichingen“ und „Faust I“. Die beiden ersten sind auch gesetzt und korrigiert; ich hoffe, dass sie 2012 bzw. 2013 erscheinen – der Verlag Hase und Igel hat jedoch Schwierigkeiten, seine Reihe „Lesewerk-Klassiker“ (Textausgaben mit Lehrerheften) auf dem Markt abzusetzen, und hat die Reihe radikal zusammengestrichen, auch Personal entlassen. Es bleibt abzuwarten, was aus den Manuskripten wird. [P.S. Die drei Manuskripte werden nicht veröffentlicht, der Verlag reduziert sein Programm radikal.] – Zu den unveröffentlichten Büchern gehört noch, wie ich vor ein paar Wochen wieder entdeckt habe, das Manuskript „Warum nicht selber denken? Anleitung zum Philosophieren“ (1998). Ich habe keinen Verlag für dieses Buch gefunden, schade – es gefällt mir noch immer.

Später: Eine meiner großen Ideen war es, den Aufsatzunterricht in der Sekundarstufe I des Gymnasiums ganz systematisch aufzubauen (etwa Kl. 8-10). Das Ergebnis meiner jahrelangen Bemühungen liegt in dem Aufsatz „Aufsatzunterricht: gliedern, erklären, bewerten, erörtern“ vor. Die Beschränkung auf „gliedern, erklären, bewerten, erörtern“ ergab sich daraus, dass an unserer Schule in der Regel der Deutschlehrer eine Klasse drei Jahre unterrichtete (Kl. 5-7, 8-10) und dass als Krönung des Aufsatzschreibens die strukturierte Erörterung zu gelten hat – warum das heute anders ist, erkläre ich später.

Diesem Viererschritt „gliedern, erklären, bewerten erörtern“ (klar am sprachlichen Handeln ausgerichtet!) habe ich dann noch die sprachlichen Handlungen „definieren, berichten“ (aus Kl. 6-7) sowie die Einheit „folgern, logisch denken“ als ebenfalls zu beherrschende Formen sprachlichen Handelns vorgeordnet (das Erzählen habe ich als bekannt vorausgesetzt): Das hätte insgesamt eine Systematische Einführung in die Aufsatzlehre, wozu natürlich auch Übungsmaterialien und Vorschläge für Klassenarbeiten gehörten, ergeben. Das Manuskript habe ich ca. 2011 an den Verlag Krapp & Gutknecht geschickt, und Herr Krapp war auch grundsätzlich bereit, das Buch zu machen; gleichwohl verzögerte sich die Bearbeitung des Manuskripts Monat um Monat – vielleicht weil Herr Krapp befürchtete, das Buch werde sich nicht gut verkaufen – bis ich nach etwa drei Jahren die Geduld verlor und das Manuskript zurückgezogen habe.

Diesem nicht erschienenen Buch trauere ich heute noch ein bisschen nach, weil es die Erfahrung meiner Arbeit als Deutschlehrer dargestellt hätte; aber es war schon 2011 aus der Zeit gefallen – die Gegenwart gehört unter dem Druck zentral gestellter Aufgaben einem Aufsatztyp, der bereits in der Aufgabenstellung stark vorstrukturiert ist (damit man auch die Bewertungskriterien zentral vorgeben kann); diese Erleichterung geht mit dem politischen Bestreben einher, die Anforderungen an Schüler zu senken (was natürlich bestritten wird!), damit auch 50 % eines Jahrgangs Abitur machen können. Mein Aufsatzunterricht ist nur noch für die germanistisch-didaktische Archäologie interessant.

Weiter ist in der Reihe „Lesepraxis“ des Verlags Hase & Igel ein Heft zu Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ nicht erschienen; im Dezember 2011 hatte ich das bereits gesetzte Heft („Materialien und Kopiervorlagen…“) korrigiert, aber der Verlag hat die Reihe plötzlich eingestellt, weil sie anscheinend wirtschaftlich ein Misserfolg war. Die Arbeit an „Götz von Berlichungen“ war auch schon über das Stadium des Manuskripts hinaus gediehen, wurde dann aber gegen eine Entschädigung eingestellt. Ich habe mich Ende 2020 noch einmal nach „Frühlings Erwachen“ erkundigt, um vielleicht bei Krapp & Gutknecht etwas daraus zu machen; aber bei Hase & Igel war man reserviert, man wollte vielleicht selber die Vorarbeit später einmal nutzen. Bei mir ist nach zehn Jahren jedenfalls die Luft raus.

Nachtrag 2019: Im Februar 2019 ist bei Krapp & Gutknecht „Erich Kästner. Mit spitzer Feder. 25 Gedichte“ erschienen. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters hatte Frau Ines Krapp angefragt, ob es noch Projekte gebe und ob ich Ideen für ein weiteres Buch hätte. Nun verstehe ich unter anderem einiges von Eichendorffs Gedichten, aber für den Verlag sind nur Themen interessant, die von den großen Verlagen nicht abgedeckt werden, aber Chancen auf Behandlung im Unterricht haben. So sind wir auf Kästners Gedichte gekommen, von denen 25 analysiert wurden, was nach einigen Problemen und Verzögerungen dazu führte, dass im Februar 2019 das neue Heft erschienen ist. Es ist jedoch für Schüler möglicherweise zu anspruchsvoll (und zu teuer), so dass der Verlag ein Schülerarbeitsheft „Erich Kästner. Neun Gedichte für den Unterricht in Klassenstufe 10“ (von G. Pereira / V. G. Mendia) nachgeschoben hat. – Für besonders gelungen halte ich in meinem Heft den Aufsatz „Gedichte verstehen, eine methodische Anleitung“ (S. 11 ff.). Aber solche Grundsatzüberlegungen interessieren die Leser weniger, die wollen etwas Handfestes für den Unterricht in der kommenden Woche oder am nächsten Ta

Irgendwann zwischendurch habe ich noch ein paar Reihen zu christlichen Festen bei lehrer-online gemacht, aber das sind keine Bücher; das Kästner-Heft wird wohl das letzte sein, was ich gemacht habe. Ich hätte noch Lust und Ideen für ein Tucholsky-Heft, aber Tucholsky ist nur mit wenigen Gedichten in der Schule präsent (v.a. Die Entwicklung der Menschheit, Luftveränderung, Das Ideal); da lohnt es sich verlegerisch kaum, 25 Analysen vorzulegen – nachlesen kann man sie ohnehin bei norberto42, falls man sie da findet.

Nachtrag 2022: Im September ist im Verlag Hase und Igel, München, ein Arbeitsheft erschienen, das bereits vor zehn Jahren druckreif korrigiert war, damals aber vom Verlag mit der ganzen Reihe in die Schublade gesteckt wurde: Materialien und Kopiervorlagen zu Frank Wedekind: Frühlings Erwachen. Seinerzeit wurde es von Kristina Oerke als Redakteurin betreut, Mira Fischer hat jetzt die bibliographischen Angaben aktualisiert.

Nachtrag 2023: Ende Juni ist für mich völlig überraschend „Materialien und Kopiervorlagen zu Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen“ bei Hase und Igel, München, erschienen. Das Manuskript war 2011 fertig und im Durchgang mit Frau Oerke einmal korrigiert, aber im Unterschied zu Wedekind noch nicht gesetzt worden; der Verlag war damals vom Vertrag zurückgetreten (unter Zahlung einer Entschädigung von 300 €). Dass das Buch jetzt erschienen ist, freut mich umso mehr – es ist wirklich das letzte Buch aus meiner Feder, wie man so sagt, auch wenn nur ganz wenig Text mit der Feder des Füllfederhalters geschrieben worden ist.

kreatives Schreiben / goldene Regel / Pointe finden

Wo steckt der Witz?

Als zu Tisch einmal der Wein ausging, sagte der Hausherr zu seinem Diener, dem Zigeuner: „Geh, hol aus dem Wirtshaus frischen Wein!“ – Der Zigeuner muckst sich nicht. – „Nun, was stehst denn da? Warum gehst du nicht?“ – „Herr, gib Geld!“ – „Narr, der du bist, ist‘s denn eine Kunst, Wein zu holen, wenn man Geld hat? Hol mal einen ohne Geld. Zeig deinen Zigeunerverstand!“ – Der Zigeuner geht weg, kommt nach einer Weile zurück und stellt vorsichtig die Flasche vor den Herrn hin. Der Herr greift nach der Flasche und will einschenken, kein Tropfen Wein da! Entrüstet ruft er aus: „Zigeuner, wo ist der Wein?“ – „Ja, Herr, ist‘s denn eine Kunst, Wein zu trinken, wenn man einen hat? Trink mal einen, wenn keiner da ist. Zeig deinen Herrenverstand!“ – Darüber lachten alle und sagten, der Zigeuner habe mehr Verstand als sein Herr. (Zigeunerhumor. 250 Schnurren, Schwänke und Märchen, von Friedrich S. Krauss. Leipzig 1907, S. 168 f.)

In dieser Anekdote (Schwank) wird die goldene Regel angewandt, Wechselseitigkeit (Reziprozität) als ein elementares Prinzip menschlichen Zusammenlebens: Wie du mir, so ich dir (Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu.). Der Witz liegt darin, dass sie analog verschoben wird: Ohne Geld Wein kaufen → ohne Wein Wein trinken. Die Findigkeit des Dieners, hier eines Zigeuners, besteht darin, diese Analogie zu finden und sich so des unsinnigen Auftrags, ohne Geld Wein zu holen, zu entledigen.

Es gibt viele ähnlich gebaute Erzählungen. Eine davon ist in aller Ruhe mit den Schülern zu analysieren. Wenn sie das Prinzip verstanden haben, kann man versuchen, die Schüler entsprechende Antworten finden zu lassen – das schult den Geist und ist eine echt kreative Übung. Dann präsentiert man den Schülern den Text, allerdings ohne die analoge Antwort (die hier in anderen Typen gesetzt ist), welche die Schüler zu finden haben. Ich führe gleich weitere Beispiele an und weise jetzt nur noch darauf hin, dass im vorliegenden Text der letzte abrundende Satz eigentlich überflüssig ist – ohne ihn stände die Pointe deutlich am Schluss.

Weitere Beispiele solcher Geschichten, hier von Nasreddin Hodscha aus einer Sammlung seiner Geschichten:

Nr. 31: Geschichte mit dem Lamm https://archive.org/details/derhodschanasred01wess/page/16

Nr. 97: Geschichte von den Gästen https://archive.org/details/derhodschanasred01wess/page/52

Nr. 110: hinunter oder herauf https://archive.org/details/derhodschanasred01wess/page/56

Nr. 172: Schlag in den Nacken https://archive.org/details/derhodschanasred01wess/page/92

Nr. 211: gute Ratschläge https://archive.org/details/derhodschanasred01wess/page/116

Nr. 377: Vom Recht auf Unterschiede https://archive.org/details/derhodschanasred02wess/page/20

Eine weitere Geschichte kann ich zuerst in einer Kurzfassung abdrucken:

Eines Tages ging Nasreddin über den Basar, als er aus einer Gasthausküche Schreie hörte. Der Wirt schimpfte: „Dieser Landstreicher hat einen Fladen aus der Tasche geholt und diesen solange über meinen Bratspieß gehalten, bis er nach Fleisch roch. Und jetzt zahlt er nicht.“ Nasreddin forderte den Bettler auf, sein Geld rauszuholen. Er schüttelte dessen Faust mit den Münzen und sprach zum Wirt: „Er hat den Duft deines Bratens gerochen und du hast den Klang seines Geldes gehört. Jetzt seid ihr quitt!“

Dann die längere Fassung:

Der Klang des Geldes
Nasreddin ging durch den Bazar. Er hörte Geschreie aus einer Garküche. Nasreddin rannte sofort hin, um nachzusehen, was dort geschah. Er sah einen Wirt, der einen Bettler am Kragen schüttelte, nur weil der Bettler nicht zahlte. Nasreddin fragte, was los sei. Der Wirt brüllte: „Dieser Landstreicher holte einen Fladen aus der Tasche und hielt den Fladen solange auf dem Bratspieß, bis er nach Fleisch roch und doppelt so gut schmeckte und jetzt zahlt er nicht.“ Daraufhin sprach Nasreddin zum Bettler: „Es ist nicht gut, fremdes Gut ohne Bezahlung zu benutzen. Hast du Geld?“ Der Bettler holte ein paar Münzen aus der Tasche und der Wirt streckte seine Hand aus, aber Nasreddin sprach plötzlich: „Warte, Meister des Wohlgeschmacks, hör mal genau zu!“ Nasreddin schüttelte eine Weile die Faust, in dem sich die Münzen befanden, und es klimperte. Er gab dem Bettler das Geld zurück und rief: „Gehe hin, in Frieden!“ Der Wirt sprach erschrocken: „Aber ich hab das Geld doch überhaupt nicht bekommen.“ Nasreddin dagegen: „Er hat den Duft deines Bratens gerochen und du hast den Klang seines Geldes gehört. Jetzt seid Ihr quitt!“

Eine weitere Geschichte:

Der Topf
Nasreddin gab seiner Nachbarin einen geliehenen Topf zurück und bedankte sich bei ihr dafür. An einem anderen Tag sagte die Nachbarin: „Mullah, du hast einen kleinen Topf in meinem Topf vergessen.“ Mit einem ernsten Ton sprach der Mullah: „Der Topf war schwanger und hat bei mir ein Baby bekommen.“ Als sich der Mullah wieder einmal einen Topf bei der Nachbarin leihen wollte, gab sie ihm den größten, den sie im Hause hatte. Mehrere Tage vergingen und der Mullah brachte den Topf nicht zurück. Schließlich fragte die Nachbarin: „Wo ist mein Topf?“ Der Mullah sprach ihr sein Beileid aus: „Er ist leider gestorben.“ – „So ein Unsinn“, erwiderte die Nachbarin, „wie kann ein Topf denn sterben?“ – „Wenn Töpfe Junge bekommen können, dann können sie auch sterben“, antwortete der Mullah.

Also dann: Viel Erfolg! (und siehe noch https://norberto42.blogspot.com/2019/10/produktiv-schreiben-in-sek-i-beispiele.html!)

„Eulenäugig“ und andere Fehler

Ich habe vor ein paar Tagen angefangen, die Odyssee zu lesen, und zwar in der Übersetzung von Robert Hampe. Dabei ist mir sogleich aufgefallen, dass Athene „die Göttin mit strahlenden Augen“ ist. Das erinnert mich an unsere hilflose wörtliche Übersetzung von glaukopis: „eulenäugig“. Wie kann eine Göttin mit Eulenaugen schön sein, haben wir vor 60 Jahren gedacht, vermutlich aber nicht zu fragen gewagt – die Übersetzung war ja „richtig“.

Nein, sie war nicht richtig, wie ich seit ein paar Tagen weiß: Mit „eulenäugig“ sind vermutlich große Augen gemeint, und große Augen machen Frauen und Mädchen schön. Das hätte unser Griechischlehrer als Mann wissen können, vielleicht wusste er es auch; aber er hat es uns nicht erklärt, vielleicht schickte sich das damals angeblich nicht, wer weiß, oder er hat sich einfach nichts angesichts einer „richtigen“ Übersetzung gedacht. [Der Fairness halber sei gesagt, dass nach Gemolls Schul- und Handwörterbuch (9. Aufl.) glaukopis eher von glaukos: glanz-, strahlenäugig abzuleiten ist; dem folgt auch Hampes Übersetzung.]

Dieser Fehler unseres Griechischlehrers veranlasst mich, weitere Fehler unserer Lehrer am Gymnasium zu benennen – die menschlichen Flegeleien und Unverschämtheiten, die sie sich herausgenommen haben, sollen hier nicht ausgebreitet werden, sondern methodische Fehler, welche auch heute Kollegen unterlaufen könnten.

Dazu fällt mir unser Lateinlehrer Karl Möller ein. „Gallia est omnis divisa in partes tres…“, so beginnt Caesars De bello gallico. Wie übersetzt man „omnis“ am besten? Wir haben alles probiert, „das ganze Gallien“, „Gallien insgesamt“, alles passte ihm nicht, bis er nach einer Viertelstunde Raten uns die „richtige“ Übersetzung vorsagte: „Gallien in seiner Gesamtheit“. Diese Wendung lag außerhalb unseres Sprachgebrauchs, und sie ist auch nicht besser als andere Übersetzungen; aber Herr Möller kannte sie (irgendwoher) und fand sie die einzig angemessene, und deshalb hatten wir sie auch zu finden.

Noch viel schlimmer war, dass er, als er uns in Klasse 8 übernahm, uns auftrug, eine feste Kladde zu besorgen, die wir immer bei uns zu führen hatten und in die er bei Bedarf einzelne Abschnitte aus der lateinischen Grammatik diktierte. Dabei besaßen wir alle eine in der Schule als Lehrbuch eingeführte Grammatik; aber darin stehe nur „zeilenfüllender Mist“, befand Herr Möller, deshalb diktierte er uns die „richtige“ Grammatik, wie es ihm im Augenblick einfiel. Selbst wenn unsere Grammatik nicht gut gewesen wäre, hätte er das mit uns im Einzelfall erarbeiten können, ja müssen; jedenfalls hätte er uns beibringen sollen, wie man mit einer Grammatik arbeitet – das habe ich in neun Jahren am Kreisgymnasium Heinsberg nicht gelernt; ich habe es aber meinen Schülern am FMG beizubringen versucht, indem wir den Schülerduden Grammatik als Lehrbuch in Kl. 5-7 benutzt haben (vergeblich habe ich versucht, meine Deutschkollegen für diese Idee zu begeistern). Und wenn wir dort einen Fehler oder eine Unsauberkeit gefunden haben, wurde das Problem in der Klasse besprochen; dann haben wir (resp. ich) an die Redaktion des Schülerdudens geschrieben, und deren Antwort wurde in der Klasse ans Schwarze Brett geheftet.

Wenn mir noch weitere Klopse einfallen…