Psychisch oder psychologisch, Technik oder Technologie?

Am 29.04.2024 hatte Sebastian Herrmann, den ich sehr schätze, auf S. 1 der SZ den Artikel „Mit frisch gesäuberter Seele“. Darin berichtet er über Untersuchungen, wie rituelle Waschungen und Bäder auf die Menschen, auf ihre Psyche wirken, nämlich befreiend. Er beschreibt das „aus psychologischer Perspektive“; das ist korrekt. Nur spricht er dann auch von „den psychologischen Effekten des Waschens“ – und das ist Unsinn; er meint die psychischen Effekte: die Wirkungen auf die Psyche, nicht auf die Psychologie und ihre Theoriebildung.

Zum Vergleich: Wenn er über die Wirkungen des Gebetes auf die Psyche des gläubigen Beters spräche, würde er ja auch nicht von theologischen, sondern von religiösen oder psychischen Wirkungen sprechen (hoffentlich nicht von psychologischen!).

Den gleichen aufgeblähten Sprachunsinn haben wir in der Art, wie heute von neuen Technologien gesprochen wird, wenn neue Techniken gemeint sind. Technologie, das sollte die Theorie der Technik sein; das leuchtet jedem ein, der auch nur minimale Ahnung von der griechischen Sprache hat. Aber das neumodische Gerede von Technologien klingt halt pompöser, als wenn man wie üblich von Techniken spräche. – Ein sauberer Sprachgebrauch fördert psychisch und logisch (aber nicht psychologisch) das saubere Denken.

Sprachpurismus als intellektuelle Selbstbefriedigung

Am 31. Juli 2023 stand in der SZ ein Artikel über einen Herrn Dogan, der sich als Sensivity Reader betätigt und anstößige Wörter in Texten aufspürt.. Diesen Artikel habe ich nicht gelesen, weil ich solche sprachpuristischen Bemühungen für verfehlt halte. Ich begründe meinen Standpunkt:

Heute, am 1. August 2023, war die Schlagzeile der SZ „Lehrlinge verzweifelt gesucht“; dagegen müsste Herr Dogan einwenden, man dürfe nicht von Lehrlingen sprechen, weil damit Mädchen ausgeschlossen würden – was objektiv Quatsch ist. Außerdem, und das ist entscheidend, gäbe es mit der sprachpuristisch korrigierten Schlagzeile „Auszubildende verzweifelt gesucht“ keinen einzigen Lehrling oder Azubi mehr!!! Und es gäbe in der Realität auch nicht mehr Respekt für Lehrlinge. Fazit: Der Sprachpurismus dient nur dem Gefühl des Herrn Dogan, er sei ein besserer Mensch und stehe auf der Seite des Fortschritts; und er dient dazu, auf diejenigen herabblicken zu dürfen, die von Lehrlingen sprechen.

Das kann man auch an den von Herrn Merz so genannten „kleinen Paschas“ sehen; das Problem ist nicht diese Bezeichnung, sondern das Benehmen mancher Jungen aus patriarchalisch gesinnten (Asylanten-)Familien gegen Frauen, etwa gegen Lehrerinnen; statt dass man überlegt, wie man diesen Burschen Respekt vor Frauen beibringt, beschimpft man Merz als Asylantenfeind – das ist einfach lächerlich, es geht an der Sache vorbei, indem das Problem aus der Realität in die Sprache und von den Burschen auf Merz verschoben wird. Damit haben Frau Hayali und die „progressiven“ Kabarettisten wieder eine Sau, die sie durchs Dorf treiben können, das ist alles; den Respekt für Frauen fördern sie so nicht.

Und das alles könnte man auch fürs Zigeunerschnitzel und den Negerkuss durchspielen – das sind einfach Wörter, bei denen man sich im normalen Sprachgebrauch nichts denkt (oder gedacht hat) und damit auch nichts Böses denkt, weil es einem um das pikante Fleisch und die Süßigkeit geht; erst durch die Sprachpuristen wird das Problem geschaffen [wird also diesen Wörtern eine negative Konnotation angehängt], welche aber die Lage der von ihnen vermeintlich geschützten Menschen nicht verbessern (Wohnung, Ausbildung, Bezahlung…).

In der guten alten Zeit vor 50 Jahren galt die für Linke marxistische Weisheit, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt; heute gilt für viele Linke die Auffassung, dass die Sprache das Bewusstsein und damit das Sein bestimmt. Da sich jedoch durch die gereinigte Sprache nicht das Sein der vermeintlich Geschützten, sondern nur das Bewusstsein der Schützer (Schutzmänner und -frauen) verbessert, ist die Sprachpuristerei so etwas wie eine intellektuelle Selbstbefriedigung.

P.S. Am 3. August kam im Abendprogramm des MDR eine Reportage über eine Frau aus dem Harz, die seit über zehn Jahren sich im Rumänien um verwahrloste und hungernde Romakinder kümmert, dafür Geld- und Sachspenden im Harz sammelt und diese unter die Roma bringt. Diese Frau spricht natürlich auch von Roma, aber sie tut auch etwas für die Roma (und hat sogar eine kleine Schule für Analpheten gegründet) – das ist ein Unterschied.

Wie ungenau man von „genau“ spricht

Heute fiel mir in der SZ wieder auf, wie nachlässig mit der Partikel „genau“ umgegangen wird, die es laut Duden dekliniert nur in der Form „wir wissen nichts Genaues“ gibt.

Inzwischen hat man sich angewöhnt, davon zu sprechen, dass die genaue Zahl der Toten nicht bekannt ist – dabei gibt es keine genaue Zahl, sondern nur eine Anzahl, die man entweder kennt oder nicht genau weiß. Ebenso gibt es keine genaue Ursache eines Unglücks, sondern nur eine (oder mehrere) Ursachen, die man entweder kennt oder nicht genau benennen kann. Daraus ergibt sich, dass „genau“ mit einem Wissen verbunden ist oder im Verhältnis zu einer Vorschrift o.Ä. steht, die man genau (also wörtlich) befolgen kann oder eben nicht genau.

Inzwischen (10/23) hat sich herausgestellt, dass Hanna Zimmermann im heute-journal um 21.45 oft mit der Floskel „genau“ oder „ja, ganz genau“ ihren Beitrag einleitet, wenn sie vom Hauptredakteur angekündigt wird; das ist, mit Verlaub gesagt, völlig sinnfrei und von mir auch schon mehrfach moniert worden. Die SZ hatte kürzlich einen Artikel zu diesem jugendsprachlichen Unsinn, ebenso wie die ZEIT (2021-7). Ich denke, in den Nachrichten sollte richtig gesprochen werden, genau!

Dunja Hayali und die kleinen Paschas

Im heute-jornal vom 18. Juni 2023 regte Dunja Hayali sich über Merz‘ Ausdruck „kleine Paschas“ auf. Das ist typisch: Sie sollte sich lieber darüber aufregen, dass bestimmte Jungen sich wirklich wie kleine Paschas gegenüber Frauen aufführen; dafür müsste Frau Hayali einfach in eine Gesamtschule gehen und sich den Unterricht anschauen (noch besser: selber zu unterrichten versuchen), dann sähe sie, wie das ist. Als ob man mit schöner Sprache die sachlichen Probleme lösen könnte – man darf sie ja nicht mal klar benennen. Also doch: Sprachpolizei!
Ähnliche sprachliche Schönfärberei am Ende der Sendung: die Olympiade der Behinderten als Inklusion feiern – das ist eine Perversion der Tatsache, dass sie gerade von der normalen Olympiade ausgeschlossen sind. Frau Hayali ist eine kluge Frau – wie kann sie nur so dummes Zeug reden? [Offenbar vernebeln schöne Ideen (eine Ideologie) den Verstand.]

Harald Weinrich: Linguistik der Lüge – Zusammenfassung

Harald Weinrich ist am 26. Februar 2022 gestorben. Im Nachruf der SZ wurde die „Linguistik der Lüge“ hervorgehoben; aus diesem Grund hatte ich beschlossen, sie endlich einmal zu Ende zu lesen.

Augustins Definition der Lüge ist der Ausgangspunkt: mendacium est enuntiatio cum voluntate falsum enuntiandi. Diese Definition schließt wegen des Rückgriffs auf den Willen eine linguistische Behandlung der Lüge aus.

Zur Semantik der Wörter: Die Bedeutung eines Wortes ist weit, vage, sozial bedingt und abstrakt. Die Meinung eines Sprechers ist dagegen eng umgrenzt, präzise, individuell und konkret. „Bedeutung – Meinung“ sind die Grundbegriffe der Semantik. Der Satz ist die Brücke von der variablen Bedeutung zur Meinung, in ihm erfolgt die Determination zum Sinn. Deshalb sind Sätze/Texte immer übersetzbar, auch wenn es nicht für jedes Wort ein genaues Pendant in einer anderen Spreche gibt.

Über das Verhältnis von Wörter – Sachen, Wörter – Begriffe; Wörter sind nicht defizitär gegenüber Begriffen, weil/wenn sie in Texten stehen. Auch Begriffe entstehen in Sätzen (Definitionen), haben also einen Kontext, aber stehen eo ipso nicht in einer Situation.

Wörter, mit denen viel gelogen worden ist, werden verlogen [fragwürdig!]; erst in einem minimalen Kontext können Wörter lügen, z.B. „Boden“ in „Blut und Boden“. Auch Begriffe können lügen, z.B. „Volksdemokratie“ [ebenfalls fragwürdig!].

Zum gelogenen Satz eines Sprechers gehört ein von ihm gedachter wahrer Satz [fragwürdig]. Duplex oratio ist Signum der Lüge. [Der Rekurs auf das Verhältnis Gedachtes – Gesagtes ist fragwürdig; ich halte es für richtig, dass in der Lüge bewusst die Unwahrheit gesagt wird: Rekurs auf einen behaupteten Sachverhalt!]

Mit der Metapher ist eine Täuschung verbunden (Spannung zum Wortfeld), aber keine Lüge. Es wird eine Erwartung enttäuscht; ein Wort ist eine Erwartungsanweisung.

Das definite Verb mit seinen Morphemen macht den Satz, bezieht ihn auf die Sprechsituation. Das Verb enthält ein Assertionsmorphem (Ja/Nein). Person, Tempus und Determination sind die wesentlichen Merkmale des finiten Verbs. Die Logik entsorgt das Tempus zugunsten eines Präsens des immer Gültigen. Bloomfields und Gadamers Theorien – Gadamer bringt mit der Basis „Frage → Antwort (→ Frage → Antwort…)“ die Determination Ja/Nein in die Sprechsituation. Eine Frage enthält gegenüber der Antwort eine partielle Information; die Antwort ergänzt sie, mindestens durch ein Ja/Nein. In einem Satz werden die Bedeutung vollständig auf die Sprechsituation bezogen. – Von hier aus kommt Weinrich zu einer Syntax der Lüge: Die Lüge ist auf ein Ja/Nein bezogen; Beispiel: Hitlers Rede 1938.

In der Ironie bilden Wahrheit und Lüge keinen Gegensatz. Seit Sokrates gibt es die Ironiesignale; das sind sprachliche Zeichen, zumindest im Tonfall des Sprechens – man kann sie aber überhören. Ein gedachter Dritter hört das Gemeinte [?]. Selbstironie ist die reinste Form der Ironie.

Lügen die Dichter? Es gibt eine europäische Lügendichtung, die von Lügensignalen durchsetzt ist. Die Lügenrede und die Signale heben einander auf; eines der beliebten Signale ist die Wahrheitsbeteuerung, sind genaueste Angaben und Augenzeugenschaft usw. Platons Diktum von den lügenden Dichtern wird abgelehnt.

Ich habe in eckigen Klammern vermerkt, wo ich Weinrichs Ausführungen für fragwürdig halte. Weinrich selber hat sich in einer Buchbesprechung ein wenig von der „Linguistik der Lüge“ distanziert.

https://www.sueddeutsche.de/kultur/harald-weinrich-nachruf-literatur-linguistik-college-de-france-1.5540025 (Nachruf SZ)

https://www.welt.de/kultur/article237249931/Nachruf-auf-Harald-Weinrich-Schwarze-Milch-ist-keine-Luege.html (Nachruf Welt)

https://www.scielo.br/j/pg/a/fYYFNGQgGFSqRv4mZWVGtSb/?lang=de&format=pdf (Gespräch mit Weinrich)

https://api.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/12b0b5af-963b-464c-946d-4dceb4b56d0c.pdf (Sprachwissenschaft und Ideologiekritik)

Fritz Mauthners Sprachkritik

In seinen Erinnerungen (1918) berichtet Mauthner, wie die Idee der Sprachkritik ihn 1873 überfallen, sich seiner bemächtigt habe, so dass er wochenlang schriftlich ausarbeiten musste, „was in mir denken wollte“.

Die drei Bände seiner Sprachkritik erschienen dann 1901/02, in einer überarbeiteten zweiten Auflage 1906-1913. Dass diese Ideen in der Luft lagen, sieht man zum Beispiel am Chandos-Brief Hofmannsthals und an Musils Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“. 1904 wurde (in der „Zukunft“) ein Brief Mauthners an Harden veröffentlicht, in dem er berichtete, welche Momente bei der „Entbindung“ seiner sprachkritischen Gedanken geholfen haben; diesen Brief findet man in Mauthners Erinnerungen wieder abgedruckt (S. 210 ff.). Mauthner nennt drei Anstöße:

  1. Otto Ludwig: Shakespeare-Studien (1871). Ludwig vergleicht den Dramatiker Schiller mit Shakespeare, wobei die Sprache des damals gefeierten Schiller als „schöne“ Sprache kritisiert wird; eine solche Sprache könne nicht Kunstmittel sein. Daraus ergab sich für Mauthner die Frage, ob Sprache ein Erkenntnismittel sein kann; dabei beruft er sich auf Goethe: Das Wort müsse sich ablösen, sich vereinzeln, um etwas sagen, etwas bedeuten zu können: Es ist so, „daß die Begriffe oder Worte keinen starren Umfang und keinen definierten Inhalt haben, daß vielmehr ein zitteriger Umfang, ein nebelhafter Inhalt die Worte der lebendigen Sprache mindert oder erhöht, wie man’s nimmt. Dieses Schweben und Weben in den einzelnen Worten kann keine Anschauung geben, nur Assoziationen kann es wecken, Assoziationen und Erinnerungen.“ Darum „ist das Schwebende in den Begriffen, der Gefühlswert in den Worten ein so ausgezeichnetes Mittel der Wortkunst“, aber taugt nicht zur Erkenntnis der Wirklichkeit. Deshalb könnten die Wissenschaften nur die Welt beschreiben, aber nicht erklären. In „Die Worte des Glaubens“ habe Schiller noch an Worte geglaubt, zwei Jahre später in „Die Worte des Wahns“ schon nicht mehr. [Diese Deutung halte ich für sehr problematisch, N.T.]
  2. Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874). Nietzsche habe sich gegen den Glauben gewandt, die Geschichte werde von Gesetzen bestimmt; daraus folgerte Mauthner, es gebe auch keine Sprach- und keine Denkgesetze. Sprache sei nur die Summe der menschheitlichen Erinnerungen.
  3. Als mächtiger Faktor wird Bismarck genannt, auf den die deutschen Prager Studenten in ihrem Kampf mit den tschechischen Kommilitonen mit großer Begeisterung blickten, weil er die deutsche Einheit hergestellt hatte. Die Bewunderung für den Realpolitiker habe sie allerdings in ihrem erkenntnistheoretischen Idealismus in Bedrängnis gebracht: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut.“

Nachträglich habe Mauthner ähnliche Gedanken bei Vico, Bacon, Hobbes, Locke, Hume, Kant, Hamann und Goethe gefunden, aber diese hätten den sprachkritischen Gedanken nicht Ende gedacht.

https://www.textlog.de/mauthner.html (Mauthners Sprachkritik, vgl. die Zusammenfassung in https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Mauthner )

https://archive.org/details/erinnerungenipra00mautuoft/page/210/mode/2up?view=theater (Mauthners Brief an Harden, 1904, über die Quellen seiner Sprachkritik)

https://philosophierer.blogspot.com/2015/10/wittgenstein-und-mauthner.html (Wittgenstein und Mauthner)

https://www.gleichsatz.de/b-u-t/221149/schleich1.html (Hubert Schleichert, kritisch über Mauthners Sprachkritik)

https://also42.wordpress.com/2021/08/18/sprachkritik-in-der-philosophie-o-f-gruppe/ (Otto F. Gruppes Sprachkritik, Mauthner scheint sie nicht zu kennen)

https://norberto42.wordpress.com/2013/04/11/hofmannsthal-ein-brief-des-lord-chandos-inhalt-links-zum-verstandnis/ (zum Chandos-Brief, 1902 verfasst; vgl. Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“, 1906)

„Gendern ist eine sexistische Praxis“

Im Berliner Tagesspiegel ist ein ungewöhnlicher kluger Aufsatz zum Gendern erschienen: Hier ist er (Quellenangabe unten):

Deutschland ist besessen von Genitalien (30.08.2020, 18:22 Uhr)

Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer

Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich benennen. Ein Gastbeitrag von Nele Pollatschek.

Vor einigen Wochen unterhielt ich mich mit einem Journalistenkollegen und sagte „Ich, als Schriftsteller …“ Der Journalist unterbrach mich – „SchriftstellerIN“. Da fiel es mir wieder ein. Ich bin ja kein Schriftsteller, ich bin ja eine Frau. So ist es vielleicht nicht gemeint, aber so fühlt es sich an. Einige Zeit davor war ich zu Gast in einem „Star Trek“-Podcast und wurde als „Gästin“ angekündigt.

Plötzlich fragte ich mich, ob ich eingeladen wurde, weil ich mehr Star Trek geschaut habe als jeder andere Mensch, der nicht im Keller seiner Mutter wohnt, oder weil ich aussehe wie jemand, der eine Vagina hat (habe ich, dazu später mehr). Auch das ist gut gemeint, aber es fühlt sich nicht gut an. Ich fühle mich in solchen Situationen auf mein Geschlecht reduziert. Ich fühle mich so, weil es de facto so ist.

Ich würde diesen Artikel übrigens gerne anfangen, ohne mehrmals auf mein Geschlecht zu verweisen, das geht keinen etwas an. Ich würde ihn gerne mit rationalen Argumenten gegen das Gendern anfangen. Täte ich das aber, würde ich sofort als Anti-Feminist gelesen werden und diejenigen, für die ich das schreibe, die guten, aufgeklärten Gerechtigkeitsliebenden, würden aufhören zu lesen.

Weiterlesen würden nur diejenigen, die sowieso gegen das Gendern sind, das bedeutet in Deutschland in der Regel: piefige Konservative von Welt. Die lautstarken Argumente gegen das Gendern kommen meistens von den berüchtigten alten, weißen Männern, die sich die Erfahrung von marginalisierten Menschen nicht mal vorstellen können. Solche Argumente werden von den Verteidigern des Genderns schon deswegen nicht ernstgenommen, weil den Machern solcher Argumente die entscheidenden Erfahrungen des Marginalisiertwerdens fehlen.

Falsche Argumente gegen das Gendern

Zu dieser Gruppe gehöre ich nicht. Für ein diskriminierungsfreies Leben habe ich ein paar falsche Entscheidungen getroffen, Frau und jüdisch sein hätte ich zum Beispiel einfach lassen sollen. Ich gendere nicht, ich möchte nicht gegendert werden, gerade weil ich weiß, wie Diskriminierung sich anfühlt.

Und ich weiß, dass die allermeisten Argumente gegen das Gendern falsch sind. Falsch ist es zum Beispiel, zu behaupten, dass sich Wörter wie Student*innen nicht aussprechen ließen. Wer „Theater“ korrekt aussprechen kann, mit einem glottalen Verschlusslaut, also „The-kurze Pause-ater“ und nicht von „Thejater“ spricht, kann auch „Student-kurze Pause -innen“ aussprechen. Auch ist falsch, dass das Gendern nicht schön sei.

Wer denkt, dass bei der zwischenmenschlichen Kommunikation Schönheit wichtiger sei als Gerechtigkeit, der rettet auch einen Ertrinkenden nicht, weil das ganz hässliche Wasserflecken auf dem Jachtdeck gibt. Am falschesten, dass die deutsche Sprache irgendwie vor Wandel geschützt werden müsse. Alle Argumente dieser Art bitte nur auf Althochdeutsch verfassen.

Im Grunde gibt es nur ein einzig wirklich gutes Argument gegen das Gendern: Es ist leider sexistisch. Ich sage leider, denn Menschen, die Gendern sind grundsympathisch. Wer gendert, tut das in der Regel, um auf sprachliche und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Gendern ist eine sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen.

Vize-Europameister im Frauen-schlechter-bezahlen

Ich habe mich mit dem deutschen Gendern noch nie wohl gefühlt, dass es sich dabei aber um ein logisches Problem des Genderns handelt, wurde mir erst klar, als ich in England promovierte und dort einen anderen Feminismus kennenlernte. Das erste Mal fiel es mir auf, als ein Professor mich fragte, ob wir in Deutschland Angela Merkel wirklich als „BundeskanzlerIN“ bezeichnen und ob denn die deutschen Feministen nichts dagegen täten.

Wer wie ich in Deutschland und mit dem deutschen Feminismus sozialisiert wurde, der muss diese Feststellung befremdlich finden. Das Durchsetzen „geschlechtergerechter“ Sprache scheint hierzulande manchmal als die eigentliche Kernaufgabe des Feminismus. Zumindest verzeichnet der moderne deutsche Feminismus hier seine größten Erfolge: Mag sein, dass die Gender-Pay-Gap seit 25 Jahren ziemlich konstant bei rund 20 Prozent liegt – Deutschland ist Europavizemeister im Frauen-schlechter-bezahlen, nur Estland ist schlimmer. Immerhin wird im sächsischen Justizministerium jetzt gegendert.

Was der Professor meinte, war schlichtweg dies: Tun die deutschen Feministen denn nichts dagegen, dass es unterschiedliche Wortformen für Männer und Frauen gibt, dass also Männer und Frauen sprachlich unterschiedlich behandelt werden? Damals erklärte ich dem Professor, dass es um Sichtbarmachung geht. Dass viele Menschen, wenn sie Berufsbezeichnungen hören, das Bild eines Mannes im Kopf haben und dass wir in Deutschland weibliche Wortformen verwenden – gerade auch in Stellenausschreibungen oder offiziellen Texten – um zu verdeutlichen, dass der Beruf auch von Frauen ausgeübt wird.

Es gibt bei dieser Erklärung nur ein Problem: Die Standardvorstellung der meisten Berufsbezeichnungen ist nicht nur die eines Mannes, sondern die eines weißen, christlichen, heterosexuellen Mannes. Wenn es also eine Wortform für weibliche Berufsausübende braucht, bedarf es dann nicht genauso einer Wortform für jüdische oder schwarze oder schwule Berufsausübende mit Behinderung? Wenn es wichtig ist, ein Wort zu verwenden, das die beiden Informationen „Bundeskanzler“ und „Frau“ oder „Schriftsteller“ und „Frau“ enthält, wäre es dann nicht genauso richtig, auch die Information „jüdisch“ in das Wort aufzunehmen?

Nicht alle Identitätskategorien sind gleichwichtig

Warum fühlt sich Schriftstellerjude oder Schwarzgast so verdammt falsch an, wenn Schriftstellerin und Gästin im öffentlichen Diskurs nicht nur in Ordnung, sondern auch noch anti-diskriminierend sein sollen. Der englische Professor sah im deutschen Gendern das, was wir nur erkennen können, wenn wir die Analogie mit einer anderen Identitätsbeschreibung bilden: Diskriminierung.

Wenn wir im Deutschen gendern, dann sagen wir damit: Diese Information ist so wichtig, dass sie immer mitgesagt werden muss. Und wir sagen: Nur diese Information muss immer mitgesagt werden. Es ist richtig, auf alle anderen Identitätskategorien nur dann zu verweisen, wenn sie relevant sind, nur das Geschlecht wird immer angezeigt, damit machen wir es zur wichtigsten Identitätskategorie.

Es ist (heute) selbstverständlich, dass beim Wort Lehrerzimmer oder Schriftstellerverband auch jüdische Lehrer und schwule Schriftsteller gemeint sind, ohne dass wir vom Schriftsteller*schwulen-Verband oder vom Lehrer*juden-Zimmer sprechen, nur weibliche Lehrer und Schriftsteller sollen extra genannt werden. Wenn wir gendern, sagen wir damit, diese Information darf niemals nicht gesagt werden.

Ein türkischer, ein behinderter, ein schwuler Autor, Lehrer oder Immobilienmakler kann manchmal auch einfach nur ein Mensch sein, der Bücher schreibt, Kinder ausbildet oder schimmeligen Baumarktstuck als Liebhaberstück verkauft. Nur eine Frau wird das Frausein niemals los. Und wenn sie sich doch mal als Schriftsteller bezeichnet, erinnert sie ein Kollege. Er erinnert sie daran, dass sie aufgrund ihres Geschlechts niemals Schriftsteller sein kann, sondern immer nur Schriftstellerin, eine Ableitung, eine Form, die eine Grundform braucht, um überhaupt existieren zu können

Wenn es mich nicht gerade traurig macht, kann ich einen gewissen Humor darin entdecken, wie besessen Deutschland von Genitalien ist. Denn mit wenigen Ausnahmen geht es beim Gendern um Genitalien, nicht notwendigerweise um die, die wir sehen, aber um die, von denen wir denken, dass sie da sind. Ginge es um Geschlechteridentitäten jenseits physischer Merkmale, könnten wir nicht einfach drauf losgendern, sondern müssten erst mal ein Geschlecht erfragen. Wer aber nicht explizit als trans Person gelesen wird, der wird nicht gefragt, sondern gegendert.

Bei Telefoninterviews, bei denen mich der andere nicht sieht, werde ich gegendert, nicht weil meine Stimme performativ weiblich ist, sondern weil sie sich biologisch weiblich anhört. Auch im Anzug, auch ungeschminkt, auch mit Glatze wurde ich gegendert, denn es geht primär um das imaginierte Geschlecht im biologischen Sinne, also um Geschlechtsteile.

Wer aus meinem „Schriftsteller“ ein „Schriftstellerin“ macht, kann auch gleich „Vagina“!“ rufen. Das hat den gleichen Informationswert, wäre aber komischer und aufrichtiger und mir deutlich lieber. Dass das deutsche Gendern britische Feministen befremdet, ist nicht überraschend. Denn während britische Nachrichten von Theresa May oder Margaret Thatcher einfach nur als ungeschlechtlichen Prime Minister sprachen, sind die Deutschen gezwungen, immer wenn wir von Dr. Merkel sprechen, auch auf die Form der regierenden Genitalien hinzuweisen.

Der einzige Weg heraus aus dem sprachlichen Dauerfrausein ist das Ausland, für mich war es Großbritannien. Denn der britische Feminismus hat auf das Problem der weiblichen Berufsbezeichnung das Gegenextrem gewählt. Der englische Gedanke ist schlichtweg dieser: Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit. Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich behandeln und das heißt, sie gleich zu benennen.

Im „Guardian“ ist das generische Maskulinum progressiv

Zu dem Zeitpunkt, als deutsche Zeitschriften, vor allem die eher links-progressiven, anfingen, anstatt von „Schauspielern“ von „Schauspielern und Schauspielerinnen“, Schauspielenden, SchauspielerInnen, Schauspieler_innen und Schauspieler*innen zu schreiben, beschloss der „Guardian“ – die englische Zeitung der feministischen Linken – nur noch das Wort „Actor“ zuzulassen und „Actress“ zu streichen.

In ihren Stilrichtlinien erklären sie bis heute, sowie es viele andere Publikationen tun, dass „actress“ genau wie authoress, comedienne, manageress, lady doctor, male nurse und ähnliche Termini aus einer Zeit kommen, in der Berufe größtenteils einem einzigen Geschlecht offenstanden (meistens dem männlichen). Und dass diese gegenderten Berufsbezeichnungen heute, wo die Berufe allen Geschlechtern offenstehen, nicht mehr verwendet werden sollten.

Um es anders zu sagen: Während die Deutschen sich für das permanente Benennen von Geschlechterunterschieden entschieden haben, haben die Briten sich entschieden, das Anzeigen von Geschlechtlichkeit so weit wie möglich zu vermeiden. Dafür haben sie mit typisch britischer Pragmatik, die Form gewählt, die ihre Sprache sowieso als generisch hergibt. Diese Form ist im Englischen, genau wie im Deutschen, identisch mit der männlichen Form, im Deutschen wird sie durchaus kritisch als „generisches Maskulinum“ bezeichnet.

Die scheinbare sprachliche Maskulinität von generischen Berufsbezeichnungen wirft ein Henne-Ei-Problem auf: Sind die Berufsbezeichnungen inhärent männlich und brauchen daher eine parallele weibliche Form, oder sind sie inhärent generisch und wirken nur deswegen männlich, weil sie historisch nur von Männern ausgeführt werden durften?

Viele junge Menschen kennen nur eine Kanzlerin

Aus englischer Perspektive ist Letzteres der Fall. Das Wort „Prime Minister“ bezeichnet de facto für den Großteil der englischen Geschichte einen Mann, einfach schon deshalb, weil Frauen weder wählen noch gewählt werden durften. Das Wort war nicht deshalb männlich, weil es sprachlich männlich ist, sondern weil es in der Realität männlich war.

Die englische Lösung für dieses Problem ist es nicht, eine weibliche Form einzuführen, obwohl „Prime Ministress“ durchaus ginge, sondern eine Frau zu wählen. Mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1928 und spätestens ab 1979, als Margaret Thatcher Premier wurde, wurde das Wort „Prime Minister“ faktisch generisch, konnte Männer und Frauen bezeichnen und wird mit jedem weiblichen PM immer generischer, wobei zur vollen Gleichheit noch einige Dutzend weibliche „Prime Ministers“ fehlen.

Genauso wie das Wort „US-President“ für die ersten Jahrhunderte der amerikanischen Geschichte per Gesetz nur Weiße bezeichnen konnte und faktisch bis 2008 nur weiße Männer bezeichnet hat. Die Realität, also Barack Obama, hat die Sprache verändert.

Obama hat die Bedeutung des Wortes „US-President“ um seine eigene Identität erweitert. Konkret bedeutet Obamas Präsidentschaft, dass es Jugendliche gibt, die beim Wort Präsident zuerst an einen schwarzen Mann denken, weil der Präsident, mit dem sie aufwuchsen, eben schwarz war. Genau wie es bis heute Menschen gibt, deren erste Assoziation, wenn sie „Prime Minister“ hören, eine Frau ist, einfach weil diese Frau, Margaret Thatcher, sich während ihrer elf Jahre als Premier in das kollektive Gedächtnis einbrannte wie kein anderer Premier der Nachkriegszeit.

Diskriminiert das Wort „Frau“ etwa Unverheiratete?

Hätte Deutschland den angelsächsischen Weg der Geschlechtergerechtigkeit eingeschlagen, dann gäbe es im Jahr 2020 sechsjährige Kinder, für die das Wort Bundeskanzler in erster Assoziation ein weibliches ist, weil sie es noch niemals erlebt haben, dass ein Mann Bundeskanzler ist. Durch die Verwendung der beiden unterschiedlichen Wörter „Bundeskanzler“ und „Bundeskanzlerin“ haben wir uns um diesen Sprachwandel gebracht.

Und das, obwohl wir durchaus an die Möglichkeit solchen Wandels glauben, weil wir sie an anderer Stelle mit dem Ziel der größeren Gerechtigkeit bereits erfolgreich eingesetzt haben. Als die Engländer aufhörten, einen sprachlichen Unterschied zwischen actor und actress zu machen, hörten die Deutschen auf, zwischen „Frau“ und „Fräulein“ zu unterscheiden.

Anstatt unverheiratete weibliche Menschen als „Fräulein“ und nur verheiratete weibliche Menschen als „Frau“ zu bezeichnen, wurde es üblich, alle weiblichen Menschen als „Frau“ zu bezeichnen. Auch hier hätte man argumentieren können, dass dies die verheiratete Frau zum Standard macht und die unverheiratete diskriminiert.

Aus Frauen können noch immer Menschen werden

Knapp fünfzig Jahre später wissen wir, dass das Gegenteil passiert ist: Indem wir das Wort Frau unabhängig vom Ehestatus einsetzen, haben wir es ziemlich erfolgreich von der Bedeutungsebene „verheiratet“ getrennt. Unverheiratete Frauen gibt es trotzdem, und die werden meistens überhaupt nicht gerne als Fräulein bezeichnet. Natürlich gibt es Argumente gegen das generische Maskulinum. Das generische Maskulinum ist historisch männlich, diese Geschichte der Sprache kann man nicht ändern. Genauso, wie man nicht ändern kann, dass Frauen, bis 1918 nicht wählen durften. Aber man kann Bedeutungen verschieben.

In einer Welt, in der innerhalb weniger Jahrzehnten aus „Fräuleins“ „Frauen“ wurden, können aus Frauen noch immer Menschen werden. Menschen, die Bücher schreiben, wir nennen sie dann Schriftsteller, Menschen die regieren, wir nennen sie dann Bundeskanzler, Menschen, die zu Gast sind, wir nennen sie dann Gäste. In dieser Welt würde ich sehr gerne leben.

Dr. Nele Pollatschek lebt als Schriftsteller in Berlin. Zuletzt erschien von ihr bei Galiani „Dear Oxbridge: Liebesbrief an England“. Dieser Text basiert auf dem Kapitel „They: Gendern auf Englisch“.

https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html?utm_campaign=Morgenlage_politik&utm_medium=Email&utm_source=Tagesspiegel_Newsletter 1. September 2020

P.S. Nele Pollatschek hat in der SZ vom 27. Januar 2021 eine größere Glosse mit dem Titel „Das Recht auf Unsichtbarkeit“ geschrieben; sie befasst sich mit der Tatsache, dass der Duden sei neuestem das generische Maskulinum aufgibt und die weiblichen Formen eines Wortes gleichberechtigt neben die männlichen setzt. Damit verstoße er gegen seine Aufgabe, die Schriftsprache gebildeter Sprachbenutzer abzubilden.

Wichtiger sei jedoch, dass damit „das Recht auf Unsichtbarkeit“ verletzt werde. „Wenn wir das generische Maskulinum abschaffen, verengen wir den Raum der geschlechtlichen Unsichtbarkeit.“ Viele Menschen wollten eben nicht permanent geschlechtlich identifiziert werden. Es gebe zwar wichtigere Dinge als die Frage des generischen Maskulinums, aber dieses sei eben doch auch ein Schutz der persönlichen Unsichtbarkeit. Und deshalb nennt Frau Pollatschek sich Schriftsteller und nicht Schriftstellerin.

Sachverhalte und Dinge – ein Unterschied

Die Sprache selbst guter Medien verroht. Beispiel: „Opposition kritisiert externe Berater der Bundesregierung“ (Nachrichten der Tagesschau, 11. Dezember 2018).

Was steht da? Dass die Opposition „externe Berater“, also eine Gruppe von Menschen (allgemeiner gesprochen: Dinge, Gegenstände unserer Welt) kritisiert. Was ist dagegen gemeint? Gemeint ist, dass durch die Opposition kritisiert wird, dass externe Berater von der Bundesregierung beschäftigt werden bzw. worden sind. Kritisiert wird also die Regierung (nicht die Berater!) dafür, dass sie zusätzlich zum eigenen Personal auch noch externe Berater beschäftigt (= bezahlt, aber ihnen so auch Einfluss gewährt). Kann die Pressestelle der Tagesschau das nicht sagen? Offensichtlich kann sie es nicht – um der Kürze willen wird in Kauf genommen, dass Falsches oder zumindest Missverständliches in die Welt gesetzt wird.

Gegenstände kann man mit einem Nomen bezeichnen, Sachverhalte werden in einem (dass-)Satz ausgedrückt. Das Personal der Pressestelle der Tagesschau hat nicht mit Erfolg am Unterricht der 6. Klasse teilgenommen.

Sprachwandel

Was in einer Gesamtschule in Mönchengladbach unter „Sprachwandel“ in Kl. 11 zu lernen ist (die Links dazu habe ich ausgesucht):

Saussure: das sprachliche Zeichen

Das dyadische Zeichenmodell wird zumeist in Verbindung mit den Arbeiten des französischen Sprachwissenschaftlers F. de Saussure (1857-1913) betrachtet… Das (sprachliche) Zeichen setzt sich demnach aus einem Lautbild (Signifikant) und der Vorstellung (Signifikat) zusammen. Es wird somit weitgehend auf seine Bedeutungsfunktion reduziert. Später hat Saussure die beiden Seiten des Zeichens mit neuen Termini belegt (deutsch: das Bezeichnete =Bedeutung und das Bezeichnende). (http://www.spektrum.de/lexikon/kartographie-geomatik/zeichenmodell/5344)

https://www.mediensprache.net/de/basix/semiotik/zeichen/de_saussure.aspx

http://hispanoteca.eu/Lexikon%20der%20Linguistik/z/ZEICHEN%20nach%20Ferdinand%20de%20SAUSSURE.htm

Watzlawick: die fünf Axiome

http://www.paulwatzlawick.de/axiome.html

Paul Watzlawick stellte 5 Grundregeln (pragmatische Axiome) auf, die die menschliche Kommunikation erklären und ihre Paradoxie zeigen:

Man kann nicht nicht kommunizieren

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt

Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten

Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

http://www.germanistik-kommprojekt.uni-oldenburg.de/sites/1/1_05.html

1. Axiom “ Man kann nicht nicht kommunizieren“
(Watzlawick 1996,53)
2. Axiom “ Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.“ (Ebd.56)
3. Axiom “ Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“. (Ebd.61)
4. Axiom “ Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (verbaler) und analoger (non-verbaler, nicht-sprachlicher) Modalitäten (Ausdrucksmittel).
Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik (Bedeutungslehre).
Analoge Kommunikationen hingegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikation erforderliche logische Syntax“. (Ebd.68)
5. Axiom “ Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch (gleichwertig) oder komplementär (ergänzend), je nachdem ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“. (Ebd.50-70)

(http://www.conradgiller.de/columbos-regeln/wiki/paul-watzlawick-und-die-5-axiome/)

(Körpersprache: http://www.germanistik-kommprojekt.uni-oldenburg.de/sites/1/1_07.html)

Schulz von Thun: Beziehungsquadrat (Kommunikationsquadrat)

http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=71

http://www.germanistik-kommprojekt.uni-oldenburg.de/sites/1/1_06.html

Schulz v.T.: das innere Team

http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=93

„Das Innere Team ist ein Persönlichkeitsmodell des Hamburger Psychologen . Die Pluralität des menschlichen Innenlebens wird darin mit der Metapher eines Teams und seines Leiters dargestellt. Das soll die Selbstklärung in zwiespältigen Situationen unterstützen und damit die Voraussetzung für eine klare und authentische Kommunikation nach außen bieten.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Inneres_Team)

http://www.managerseminare.de/Datenbanken_Lexikon/Inneres-Team-nach-Friedemann-Schulz-von-Thun,166

Schulz v.T.: das Wertequadrat (nicht besprochen?)

http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=72

https://de.wikipedia.org/wiki/Werte-_und_Entwicklungsquadrat

http://www.philosophicum.de/lh/komm2.htm

Männer- und Frauensprache

http://www.sg.sgkg.de/hilfen/ehe/mannfrau.php

http://www.fem.com/lifestyle/artikel/maennersprache-frauensprache-lass-uns-drueber-reden

http://www.igw.edu/assets/data/Abschlussarbeiten/Frauensprache_Maennersprache_Schuerch_Eveline_2009.pdf (S. 5-15)

Jugendsprache

https://de.wikipedia.org/wiki/Jugendsprache

http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/jugendsprache/

http://hehl-rhoen.de/pdf/lexikon_der_jugendsprache.pdf Lexikon

http://www.ge-duisburg-sued.de/index.php/projekte/jugendsprache dito

Zu „Kiezdeutsch“ gibt es mehrere Dateien von Heike Wiese.

Anglizismen

https://de.wikipedia.org/wiki/Anglizismus (Formen des A.)

http://www.ruhr-uni-bochum.de/sprachwerk/mam/content/_kurzprojekt.pdf

Vgl. insgesamt: http://www.philosophicum.de/lh/kommunikation.htm

Linguistisches Relativitätsprinzip

http://home.edo.tu-dortmund.de/~hoffmann/ABC/Relativitaet.html

http://www.leselupe.de/lw/titel-Sapir-Whorf-Hypothese-54807.htm

http://www.blutner.de/philos/erfahr.html

Besonders möchte ich auf einen Fund hinweisen, der mir selber gelungen ist:

https://archive.org/stream/diedeutschesprac00fisc#page/n3/mode/2up (W. Fischer: Die deutsche Sprache von heute,  2. Aufl. 1919) Hier findet man, was vor 100 Jahren als Sprachwandel beobachtet und wie es erklärt wurde – auch ein Dokument des Sprachwandels.

Allgemeine Theorie des Sprachwandels: http://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/sprachwandel.php

Wie Flüchtlinge die deutsche Sprache verändern

Schluss eines Kommentars in DIE WELT von Dirk Schümer:

[Die] Für die hiesigen Behörden nächstliegende Maßnahme zum gegenseitigen Verständnis aller Paschtunen, Aramäer, Kurden und Tigriner wäre ganz offensichtlich ein effektiver und schneller Deutschkurs. Aber auch hier gibt es hohe Hürden. Wie will man einem Ankömmling eine komplizierte Schriftsprache vermitteln, der als Erwachsener nie lesen und schreiben erlernte? Oder der unser lateinisches Alphabet erst Buchstabe für Buchstabe kennenlernen muss?

Natürlich gibt es Neugierige und Naturtalente, gerade unter den jüngeren Migranten, die sich Deutsch quasi im Vorbeigehen in wenigen Monaten staunenswert geläufig aneignen. Doch genauso oft hört man von unwilligen Schülern, die jeden Unterricht verweigern und sich offensichtlich damit begnügen, in ihrer neuen europäischen Heimat mit Händen und Füßen notdürftig zu kommunizieren.

Können diese Menschen wohl den Bedarf an qualifizierten Facharbeitern in Deutschland decken? Können sie, auch als hoch qualifizierte Ärzte oder Architekten, jemals ihren Beruf in Mitteleuropa ausüben? Solange jedenfalls die Flüchtlinge den ganzen Tag zusammen mit anderen Migranten weggesperrt werden und die deutsche Bürokratie nicht annähernd genügend Deutschlehrer auftreiben kann, wird sich am Sprachnotstand wenig zum Guten ändern.

„Bad english“ in den Unterkünften

Die mehrsprachige Akademikerin Angela Merkel hat in ihrer erfrischend optimistischen Art bereits vorhergesagt, dass die Erwachsenen sich die deutsche Sprache nun wohl bei den Kindern abschauen müssen, die im Kindergarten oder in der Schule in die neue Heimat hereinwachsen. Leider freilich bestand das Gros der Ankömmlinge lange nicht aus Familien mit Kindern, sondern aus männlichen jungen Erwachsenen. Die Kundigsten kommunizieren in den Unterkünften und bei den Behörden längst im Weltidiom „bad english“. Oft sind es dabei aber auch die deutschen Staatsdiener, die schlechter Englisch sprechen als die neuen Schutzbefohlenen.

In jedem Fall wird sich die deutsche Gesellschaft für die Verständigung zwischen Alt- und Neubürgern über viele Jahre an ein rudimentäres Pidgin gewöhnen müssen, das zwischen arabischen Elementen, etwas Englisch, der jeweiligen Muttersprache und dem komplizierten Deutsch oszillieren dürfte. Wenn schon die genervten Deutschen komplizierte Behörden lieber zu kindischen Kunstwörtern wie „Lageso“ abkürzen oder die Ankömmlinge neudeutsch zu „Refugees“, werden sich die Neubürger aus aller Welt ihre Zunge mit wunderlichen Begriffen wie „Unionsfraktionsvize“ oder „Schultergelenksecksprengung“ sicher nicht brechen. Ein ganz neuer Simpelsprech, wie ihn zwischen Spanisch und amerikanischem Englisch längst die südlichen Staaten der USA erobert hat, wird auch in Deutschlands Schulen und in vielen Behörden Einzug halten.

Das kann – wie das „Kanaksprak“ vieler junger Deutschtürken – durchaus kreativ und exotisch klingen, löst aber keines der deutschen Sprachprobleme im Prozess der Globalisierung. Von den ehrgeizigen Schlussfolgerungen der Pisa-Studie, nach der exzellent ausgebildete Schüler bei uns neben Deutsch fließend Englisch und für den Exportmarkt am besten auch noch Spanisch oder gleich etwas Chinesisch sprechen sollten, müssen wir uns verabschieden.

In Schweden hat man die schulischen Prüfungsniveaus angesichts des sprachlichen Wirrwarrs einer Zuwanderungsgesellschaft bereits senken müssen. Was uns also erwartet, ist keine Sprachenvielfalt, sondern weniger Schriftlichkeit, geringerer Wortschatz – und mehr linguistische Einfalt für alle.

© WeltN24 GmbH 2016

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article154229289/Wie-Fluechtlinge-die-deutsche-Sprache-veraendern.html