Indirekte Rede

Wer ist „ich“, wann ist „jetzt“ und wo ist „hier“?

Das richtet sich einzig und allein nach dem jeweiligen Sprecher: Für jeden Sprecher ist in jedem Moment: Ich – Hier – Jetzt; für einen anderen ist an seiner Stelle ebenfalls Ich – Hier – Jetzt. Man spricht hier von Deixis und Ich-Origo:

http://www.christianlehmann.eu/ling/elements/deixis.html

https://www.mediensprache.net/de/basix/lexikon/index.aspx?qu=Deixis

https://de.wikipedia.org/wiki/Deixis

http://www-01.sil.org/linguistics/GlossaryOfLinguisticTerms/WhatIsDeixis.htm (englisch)

Was unterscheidet die direkte Rede von der indirekten Rede?

a) direkte Rede:

[Sprecher:] Karl sagte am Montag: „Ich bin heute krank.“

Der Sprecher hat Karl im Blick und berichtet wörtlich, was Karl am Montag sagte; Karls Äußerung ist deshalb an Karls Sicht gebunden (ich – heute).

b) indirekte (berichte) Rede (englisch: reported speech):

[Sprecher:] Karl sagte am Montag, er sei an diesem Tag krank.

Der Sprecher hat Karl im Blick und berichtet aus seinem Ich – Hier – Jetzt, was Karl am Montag sagte. Er ändert in der Äußerung deshalb „ich“ -> er, „heute“ -> an diesem Tag; er tilgt Karls Sicht in dessen Äußerung und benennt Personen, Ort und Zeit aus seiner eigenen Sicht.

Außerdem entfallen die Anführungszeichen der wörtlichen Rede, und der Modus des Verbs ändert sich (Indikativ -> Konjunktiv: Zeichen, dass die Äußerung eines anderen berichtet wird).

c) indirekte Rede als dass-Satz:

[Sprecher:] Karl sagte am Montag, dass er an diesem Tag krank sei.

[Sprecher:] Karl sagte am Montag, dass er an diesem Tag krank ist. (Mittlerweile ist im dass-Satz auch der Indikativ möglich, weil durch das Verb „sagte“ hinreichend klar ist, dass es sich um die Äußerung eines anderen handelt.)

[Sprecher:] Karl sagte am Montag, dass er an diesem Tag krank wäre. (Durch den Gebrauch des Konjunktivs II zeigt der Sprecher an, dass er selber meint, Karl habe vielleicht gelogen. – Das kann man natürlich auch ohne dass-Satz sagen:

[Sprecher:] Karl sagte am Montag, er wäre an diesem Tag krank.)

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Damit ist das Wesentliche zur indirekten Rede gesagt. Jetzt kann man noch erarbeiten,

  • Wie die Konjunktivformen der einzelnen Verben lauten
  • Wann man Konjunktiv I und wann Konjunktiv II gebraucht
  • Wie man Wünsche, Pläne, Befehle und Fragen in der indirekten Rede ausdrückt

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Auf vielen Seiten, die man im Netz findet, gibt es Fehler oder Ungenauigkeiten:

https://de.wikipedia.org/wiki/Indirekte_Rede (richtig, aber kompliziert)

https://deutsch.lingolia.com/de/grammatik/satzbau/indirekte-rede (einfacher)

http://www.dsporto.de/ubungen/indirektregeln.htm (umfangreich, richtig, komplex – mit vielen Übungen, die man online machen und überprüfen kann)

http://www.online-lernen.levrai.de/deutsch-uebungen/grammatik_5_7/30_indirekte_rede/01_regeln_indirekte_rede.htm (fast ganz richtig-praktisch, mit Tabelle Konjunktiv I)

http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/deutsch/sprache/grammatik/redewiedergabe/verbzweitsatz.html (viele Materialien, etwas unübersichtlich)

http://www.beste-tipps-zum-deutsch-lernen.com/indirekte-rede/ (einfach)

http://www.deutschseite.de/grammatik/indirekte_rede/indirekte_rede.html (für Englischsprecher, nicht ganz korrekt)

http://www.grammatiktraining.de/indirekterede/grammatikuebersicht-indirekte-rede.html (einfach, evtl. korrigieren)

http://www.suz.deutschdigital.de/deutsch/grammatik/indirekterede1.htm (AB, einfach)

http://schubert-verlag.de/aufgaben/xo/xo06_01.htm (AB einfach, Fehler im Muster)

http://www.schubert-verlag.de/aufgaben/uebungen_c1/c1_indirekte-rede1.htm (schwieriger)

http://www.udoklinger.de/Deutsch/Grammatik/IndirRede.htm (einfach, teils problematisch)

http://www.deutschegrammatik20.de/konjunktiv/umformung-direkte-indirekte-rede/ (einfach, falsch bei Ort; Zeit fehlt)

Ich empfehle, den Schülerduden Grammatik zu benutzen (7. Auflage, Nr. 94 ff. bzw. Nr. 99 ff.); da wird alles anhand von Beispielen erklärt.

Partizip I oder dass-Satz: die fehlenden Aufzeichnungen

In Bonn wäre beinahe auf dem Bahnhof eine Bombe explodiert. „Nach dem Bombenfund streiten sich nun die Deutsche Bahn und die Bundespolizei darüber, wer für die fehlenden Aufzeichnungen verantwortlich ist.“ (SZ online, 16.12.2012)

Hier sieht man einmal mehr überdeutlich, welche Probleme der Gebrauch des Partizips I mit sich bringt: Bahn und Polizei können gar nicht über die Verantwortung für die fehlenden Aufzeichnungen streiten, weil sie dann über nichts stritten: Die fehlenden Aufzeichnungen gibt es nicht, sie sind nichts, darüber kann man nicht streiten.

Gemeint ist ja auch etwas anderes: Sie streiten darüber, wer dafür verantwortlich ist, dass die Aufzeichnungen fehlen – das ist ein Sachverhalt, über den man streiten kann, formuliert in einem dass-Satz, wie es sich gehört. Zur Not könnte man noch darüber streiten, wer für das Fehlen der Aufzeichnungen verantwortlich ist; aber am klarsten und saubersten drückt man die Verantwortung in einem dass-Satz aus. Die deutsche Sprache liebt eigentlich Nebensätze – man muss sie nur bilden können. Aber das gelingt inzwischen vielen Redakteuren nicht mehr, selbst solchen vom wdr oder der SZ: Fehlendes Geld kann für nichts ein Grund sein, für fehlende Dinge kann niemand verantwortlich sein; aber dass Geld fehlt oder dass Dinge fehlen, das sind Sachverhalte, und die gibt es (zumindest in einer menschlichen Perspektive, sodass man darüber sinnvoll sprechen kann).

P.S. Noch ein schönes Beispiel: „Zum Winter sind alle Voraussetzungen geschaffen, dass Guardiola seine Mission erfüllt. Und nach der nun feststehenden Trennung im Sommer ist auch klar: Es wird seine letzte Chance.“ (SPIEGEL-online, 20.12.2015) Nach der nun feststehenden Trennung – das wäre im Sommer 2016; gemeint ist dagegen: Nachdem nun die Trennung feststeht – es geht um die Tatsache, dass die Trennung feststeht, nicht um das Ereignis der Trennung (wie in der verfehlten Partizipialkonstruktion gesagt, aber nicht gemeint ist). – Außerdem zeigt dieses Beispiel, dass das Partizip manchmal nicht durch einen dass-Satz, sondern durch einen anderen Nebensatz (hier: temporal) ersetzt werden müsste.

P.S. Noch ein wunderbares Beispiel: Der Berliner Tagesspiegel berichtete am 31.01.2016 von einem Trickdiebstahl: „Kurz darauf bemerkte der Bestohlene die fehlende Armbanduhr. Er beschloss, die Antänzer zu suchen. Mit seinem Auto fuhr er die Gegend ab, bis er das Duo in der Mommsenstraße wiedersah.“ Wie man eine fehlende Armbanduhr bemerken kann, ist das Geheimnis des Redakteurs – normale Menschen bemerken, dass die Uhr fehlt.

P.S. In der Tagesspiegel-Morgenlage für Wirtschaftsentscheider vom 14.12.2020 steht der Satz:
„Der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr kritisierte die aus seiner Sicht nicht zu erkennende Strategie der Bundesregierung bei den Anti-Corona-Maßnahmen.“
Nun ist es so, dass man etwas nicht Existierendes (die Strategie) nicht kritisieren kann. Richtig müsste es heißen: „Klaus Stöhr kritisierte die Tatsache, dass eine Strategie der Bundesregierung bei der Bekämpfung… nicht zu erkennen ist (oder: sei).“
Diese Tatsache existiert, man kann sie kritisieren.

Offensichtlich neigt das Verb „fehlen“ dazu, die Leute zur Produktion von sprachlichem Unsinn zu verleiten – was bei fehlendem Sprachgefühl auch kein Wunder ist. Ich kritisiere zum Glück nicht das fehlende Sprachgefühl!

P.S. Ein weiteres schönes Beispiel für sprachliche Inkompetenz von Zeitungsredakteuren steht heute in der SZ (11.09.23) auf S. 1 in einem Artikel von Mirco Keilberth über das Erdbeben in Marokko:

„Die Kritik der Menschen an den wenigen und spät eingetroffenen Rettungsteams…“ Das ist völliger Unsinn: als ob die Menschen die Rettungsteams kritisiert hätten! Richtig müsste es heißen: Die Menschen kritisierten, dass die Retttungsteam nur spärlich und spät eintrafen (oder eingetroffen sind, o.ä.).
Sprachtheoretisch formuliert: Einen Sachverhalt drückt man am einfachsten in einem dass-Satz aus, notfalls in einer Infinitivkonstruktion (kritisierten das spärliche und späte Eintreffen von Rettungsteams), aber der dass-Satz ist besser.

Konjunktionen, die Konjunktion „dass“

1. Konjunktionen sind Partikeln.
Wir gehen von ein paar Beispielen aus (vgl. Schülerduden Grammatik, 4. Aufl., Nr. [348]):
(1) Petra und Franziska spielen Schach.
(2) Petra spielt oft mit Franziska und mir Karten.
(3) Franziska arbeitet als Angestellte in einer Bank.
(4) Wenn sie das Fenster öffnet, spürt sie an den Füßen einen Luftzug.
Es geht um die fett gedruckten Wörter; das sind Partikeln, also Wörter, die nicht konjugiert werden (vgl. die Tabelle S. 34 f. im SD Grammatik).
Diese Partikeln (hier diese – es gibt noch andere Sorten!) kann man in zwei Gruppen einteilen:
a) in solche, die ein Wort oder eine Wortgruppe in einem bestimmten Fall einleiten;
b) in solche, die Wörter, Satzglieder oder Sätze einfach miteinander verbinden.
Die erste Gruppe heißt Präpositionen („vorangestellte“ Wörter), die zweite heißt Konjunktionen (Bindewörter).
Aufgabe: Teile die sieben fett gedruckten Wörter auf:
Präpositionen sind ________________________________________________,
Konjunktionen sind _____________________________________________________________.

2. Wozu sind Konjunktionen gut?
Mit ihnen kann der Sprecher Verschiedenes machen, wenn er Wörter, Satzglieder oder Sätze miteinander verbindet; er kann sie zum Beispiel einfach aneinder reihen:
(5) Sowohl die Jungen als auch die Mädchen haben es schwer, Konjunktionen zu verstehen. („sowohl … als auch“ hat den gleichen Wert wie „____________“.)
Er kann aber auch beides ausschließen, also verneinen:
(6) Weder die Borussia noch die Alemannia spielt zur Zeit gut in der Liga. („weder … noch“ habt den gleichen Wert wie „________________________________“.)
Der Sprecher kann auch mittels einer Konjunktion etwas begründen:
(7) Grammatik zu verstehen ist oft schwer; es gibt nämlich so viele neue unbekannte Begriffe und Gedanken.
[Warum steht zwischen „neue unbekannte“ (k)ein Komma? Prüfe es selber nach!]
Das sind nur einige Beispiele dafür, was ein Sprecher mit Konjunktionen machen kann. Wenn du einen kleinen Überblick bekommen willst, kannst du die Tabelle im SD Grammatik [350] anschauen.

3. Welche Sorten von Konjunktionen gibt es?
Es gibt (in einer bestimmten Hinsicht) zwei Arten von Konjunktionen: solche, die gleichrangige Teile miteinander verbinden, und solche, die (vereinfacht gesagt) Nebensätze mit Hauptsätzen verbinden (Subjunktionen). Diese zweite Sorte wird ausführlich im SD Grammatik in [560] ff. behandelt. So gibt der Sprecher zum Beispiel durch die Konjunktion „weil“ einen Grund für die Aussage im Hauptsatz an, durch „sodass“ ein Folge, durch „obwohl“ einen Gegengrund (oder Einwand); durch „als, nachdem, bevor“ werden die beiden genannten Ereignisse zeitlich einander zugeordnet usw.
Durch die Konjunktion „dass“ wird ein Nebensatz eingeleitet, in dem einfach eine Tatsache dem Verb des Hauptsatzes zugeordnet wird.

Die Konjunktion „dass“
– hat im Unterschied zu anderen Konjunktionen keine eigene Bedeutung,
– hängt von Ausdrücken ab, die die Wahrnehmung, Meinung oder Einschätzung einer Person (oder mehrerer) bezeichnen,
– leitet also einen Nebensatz ein, in dem eine bloße Tatsache formuliert wird:
a) Wahrnehmung:
Man sieht, dass es bald Regen gibt.
Ich erkenne, …
Er hörte, dass sich ein Auto näherte.
Wir bemerkten, …
b) Meinung (Wissen):
Ich vermute, dass du deine Leistungen noch steigern kannst.
Er nimmt an, …
Er glaubte, …
Sie bezweifelte, …
Ich dachte, …
Er konnte nicht ahnen, dass sich seine Lage bald verschlechtern würde.
Wir wissen, dass er ahnungslos in den Tag lebte.
** Davon abgeleitet, wenn das übergeordnete Verb zum Nomen wird:
An der Vermutung, dass du deine Leistung noch steigern kannst, halte ich fest.
Meine Annahme, dass du dich noch steigern kannst, war also begründet.
Der Glaube, …
Euer Zweifel daran, dass ich mein Versprechen halte, kränkt mich.
** Auch Wendungen wie „Tatsache ist, dass…“ oder „Es ist unser Ziel, dass…“ würde ich b) zuordnen.
c) Einschätzung:
Ich freue mich, dass du in zwei Wochen kommen willst.
Wir befürchten, …
Er hoffte, dass das Schlimmste überstanden sei.
** Davon abgeleitet, wenn das übergeordnete Verb zum Nomen wird:
Die Freude, dass du in zwei Wochen kommen willst, ist im ganzen Haus zu spüren.
Meine Befürchtung, dass du dich vom Sturz nicht so bald erholst, wurde bestätigt.
Dass man ohne zu arbeiten versetzt wird, ist eine trügerische Hoffnung.
** Davon abgeleitet, wenn Verb oder Nomen zum Adjektiv umgebildet werden:
Dass du in zwei Wochen kommen willst, ist für uns alle erfreulich.
Es ist erstaunlich, dass du dich so schnell in der neuen Klasse eingelebt hast.
Es war überraschend (wahrscheinlich, fürchterlich…), dass im gleichen Jahr der Krieg ausbrach.
d) Weitere Möglichkeiten:
So schön unsere drei Möglichkeiten aussehen, in der Praxis des Sprechens gibt es noch mehr! Etwa folgende:
(1) Er betete, dass seine Frau gesund würde. [Wunsch]
(2) Wir beschließen, dass Karnevalsmontag schulfrei ist. [pure Tatsache]
Vermutlich ist es am einfachsten, sich zu merken, dass durch den dass-Satz eine pure Tatsache (Tatsache in der Sicht des Sprechers) ausgedrückt wird.
** Offene Frage: Soll man Wendungen wie „sich darum bemühen, dass…“ auch c) zuordnen?
Jung: Grammatik der deutschen Sprache (1990), ordnet die Wendungen „Er ist so schlau, dass ihn keiner reinlegt.“ oder „Er ist zu schlau, als dass ihn jemand reinlegen könnte.“ dem konsekutiven Verhältnis zu.
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Von der Konjunktion „dass“ unterscheidet sich das Pronomen „das“, welches am Anfang eines Relativsatzes sich auf ein Nomen (neutrum) im Hauptsatz zurückbezieht:
(1) Das Haus, das wir vor Jahren verkauft haben, ist gestern abgebrannt.
Am Satzanfang oder im Satz kann auch ein Pronomen „das“ stehen, welches sich auf den im vorhergehenden Satz genannten Sachverhalt zurückbezieht:
(2) Willi ist gestern gegen eine Mauer gefahren; das habe ich kommen sehen – er fährt ja wie ein Wilder!
(2)‘ Willi ist gestern gegen eine Mauer gefahren; ich habe das kommen sehen – er fährt ja wie ein Wilder!

Wie wichtig die Konjunktion „dass“ bzw. die dass-Sätze (der richtige Gebrauch von dass-Sätzen) sind, sieht man in dem verfehlten Gebrauch von Partizipien (-> Artikel über die Partizipien hier in dieser Kategorie!): Die fehlende Bereitschaft ist der Grund für…

Logik des dass-Satzes

In den 13.00 Uhr-Nachrichten auf wdr5 sagte heute der Sprecher,
jemand habe vor Staaten gewarnt, die kein deutsches Schweinefleisch mehr importieren wollten.
Er wollte vermutlich sagen:
Jemand habe gewarnt, dass mehrere Staaten kein deutsches Fleisch mehr importieren wollten.
Das ist ein erheblicher Unterschied. Im ersten Fall warnt jemand vor bösen Staaten, im zweiten Fall warnt jemand vor einem für die Fleischwirtschaft bedauerlichen Ereignis. In dass-Sätzen wird ein purer Sachverhalt ausgedrückt, während in „warnen vor + Person (Dativ)“ vor einer Person gewarnt wird.

Es ist bedauerlich, dass ein wdr-Redakteur offensichtlich nicht die Logik des dass-Satzes beherrscht, auch wenn er damit in Deutschland nicht allein steht.