Wozu und wie argumentieren und erörtern?

Überlegungen zum Sinn und zur Praxis einer klassischen Aufgabenstellung

Das Zauberwort heißt TAB: These – Argument – Beispiel, und je hilfloser Schüler und Lehrer dem Erörtern gegenüberstehen, desto lauter und öfter rufen sie „TAB“. Wenn sie eine „These“ formuliert, dazu ein „Argument“ gefunden und ein „Beispiel“ erfunden haben, dann haben sie alle drei Schritte des Schemas TAB absolviert – aber erörtert haben sie damit noch nichts. Wieso?
Der Kern des Übels besteht darin, dass die Autoren der Schulbücher nicht über den völlig unzureichenden Begriff der These hinauskommen. Was ist eine These? „These“ ist Synonym von „Axiom, Dogma, Doktrin, Lehre, Lehrmeinung, Satz“ (Wortschatz Uni Leipzig); „These“ ist also dem Bereich des Lehrens zugeordnet. Zu prüfen und zu erörtern sind aber Fragen, die meistens nicht (als Erklärungen und Theorien) dem Bereich des Lehrens entstammen – und die deshalb auch anders geprüft werden müssen als Thesen! Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass zum Beispiel häufig Wertungen zu beurteilen sind: Theater- und Filmkritiken etwa; dass häufig Forderungen zur Debatte stehen: Verpflichtungen und Verordnungen innerhalb und außerhalb der Schule. Und in dem weiten Bereich „politischen“ Handelns geht es um Vorschläge, was man machen soll – die müssen aber anders als Thesen geprüft und beurteilt werden.
Die Hauptmisere der gängigen Anleitungen zur Erörterung besteht also darin, dass sie (sei es aus eigener sprachwissenschaftlicher Beschränktheit, sei es um einer didaktischen Vereinfachung willen oder gar aus bloßer Gewohnheit) so tun, als seien stets und ausschließlich Thesen zu begründen oder zu bestreiten. Sabine Utheß sieht in ihrem Schüler-Arbeitsheft „Argumentieren und Erörtern“ (Klett, 2009) zwar, dass eine These „als Behauptung oder als Forderung formuliert werden kann“ (S. 7) – aber sie zieht daraus keine Konsequenzen, weil sie am unscharfen Oberbegriff „These“ festhält: „Eine These (Meinung) ist die Haltung, die eine Person zu einer strittigen Frage hat.“ (S. 7) Und der Schüler müsse seinen „Standpunkt deutlich formulieren (These)“. These sei also so viel wie Haltung zu einer Frage oder Formulierung eines Standpunkts – damit kommt man nicht weiter; was an Einsicht da war, dass nämlich eine Behauptung etwas anderes als eine Forderung ist, wird sofort wieder verspielt, weil man ja wie die Bücher seit Olims Zeiten auf TAB hinauswill.
Damit ist jedes sinnvolle Erörtern schon am Ende. Wenn denn Erörtern dazu dienen soll, dass Schüler kritisch und vernünftig zu urteilen lernen, dann müsste am Anfang die Einsicht stehen, dass man verschiedenartige Äußerungen je nach ihrer Eigenart zu prüfen und zu beurteilen hat, nicht immer nur Thesen! Und man müsste die Argumente anderer prüfen, nicht  bloß Gegenargumente aufstellen und begründen – das führt nur zum bekannten politischen Schreiwettkampf! Ohne Prüfen kein Abwägen, ohne Abwägen kein vernünftiges Urteil! Auch die propagierte Einleitungsformel „Immer öfter liest man in der Zeitung …“ ist  [wie ähnliche Formeln] ein dummes Gewäsch, wenn man das nicht wirklich liest – aber die Schüler werden um der „Einleitung“ willen so zum gedankenlosen Schwätzen erzogen: bloß damit das vom Lehrer vorgegebene Thema als aktuell und drängend erscheint und so legitimiert wird! Da ist es durchaus sinnvoll, wenn die Schüler nach dem Ende der Unterrichtsreihe den ganzen Quatsch als „erledigt!“ abhaken!

Eine andere Einsicht hatte Brigitte Ehrlich in ihrem Lehrerheft „Argumentieren 7/8“ (Schroedel, 2006). Sie hat gesehen, dass man Verschiedenes können muss, wenn man argumentieren will: Man muss Begriffe klären können; man muss geordnet schreiben können (Gliederung: Einleitung – Hauptteil – Schluss); man muss wissen, was ein Argument und was ein Beispiel ist. Diese bemerkenswerte Einsicht hatte Frau Ehrlich – aber dann hat sie nicht den Mut, das alles wirklich zu trainieren, sondern packt es in eine kleine Einheit, die in ein bis zwei Wochen zu bearbeiten ist – sie hat schließlich bloß 32 Seiten zur Verfügung, um für Kl. 7/8 Lehrer und Schüler bis zur Pro- und Kontra-Argumentation zu führen. Das ist natürlich zu wenig Platz und zu wenig Zeit. Aber ihre Einsicht kann immerhin zur Frage anregen: Welche (Teil)Kompetenzen müssen Schüler erwerben oder besitzen, wenn sie vernünftig urteilen (erörtern) können sollen?
Diese der Lernzieltheorie verpflichtete Fragestellung hat meinem Unterricht zugrunde gelegen (siehe die Kategorie „Schreiben – Aufsatz“); meine alten Einsichten sind in dem Lehrerheft, das demnächst bei Krapp & Guknecht erscheinen soll [Irrtum, Herr Krapp wollte doch nicht!], noch einmal überarbeitet und präzisiert worden. So habe ich zum Beispiel gelernt, klarer zwischen „bewerten / (auf)fordern / vorschlagen“ zu unterscheiden, auf dass die Sprachhandlungen, mit denen wir unser Zusammenleben regeln, möglichst scharf erfasst werden. Wenn man solche Sprechakte nicht erfasst, ist man wie Frau Ehrlich am Ende der Kl. 8 mit dem Stoff durch und kann dann im entsprechenden Arbeitsheft für Kl. 9/10 nur den alten Stoff von 7/8 ohne Lernprogression noch einmal durchspielen.

Der mangelhaften Bestimmung dessen, was zu erörtern ist, entspricht die unzulängliche Bestimmung dessen, was ein Argument ist. Frau Utheß unterscheidet dabei drei Sorten:
1. Ein Argument, was auf Tatsachen oder Fakten beruht, sei ein Faktenargument; z.B. „Ich würde gern im Schülerrat mitarbeiten, weil man dadurch auf die Gestaltung des Schulalltags Einfluss nehmen kann.“
2. Wenn es auf gemeinsamen Wertvorstellungen beruht, sei es ein normatives Argument; z.B. „Ich würde gern im Schülerrat mitarbeiten, weil er die Interessen der Schülerschaft vertritt.“
3. Beruht es auf (der Aussage von) Autoritäten, sei es ein Autoritätsargument; z.B. „Ich würde gern im Schülerrat mitarbeiten, weil viele Lehrer uns dazu raten.“
Dazu kann man einige Fragen stellen:
1. Ist es wirklich eine Tatsache, dass der Schülerrat auf die Gestaltung des Schullebens Einfluss nehmen kann? Und ist es nicht auch eine Wertvorstellung, dass man auf die Gestaltung des Schullebens Einfluss nehmen soll?
2. Wie ist es mit den Wertvorstellungen, wenn sie nicht gemeinsam sind – was ja oft der Fall ist? Ist „die Interessen der Schülerschaft vertreten“ wirklich eine gemeinsame Wertvorstellung? [Gibt es die Interessen der Schülerschaft überhaupt?]
3. Ist die Autorität der Lehrer so groß, dass ihr Rat ein Autoritätsargument ist? Und weshalb raten sie denn zur Mitarbeit, was steht hinter diesem Rat? Sagen Lehrer den Schülern nicht, dass sie persönlich von solcher Mitarbeit profitieren (-> Nutzen)? Dass ohne Engagement keine Gemeinschaft leben kann (Wertvorstellung)?
Wie unscharf ihre Dreiteilung ist, zeigt Frau Utheß selbst; einmal gelten ihr wissenschaftliche Untersuchungen als stichhaltig (S. 10), einmal sind sie den Autoritätsargumenten zugerechnet (S. 10). „Eine unstrittige Tatsache“ sei das eine, „Untersuchungen“ seien etwas anderes (S. 10) – fördern wissenschaftliche Untersuchungen denn keine nachweisbaren Tatsachen zutage? Und dann der große Klops, der die Erörterungstheorie der Frau Utheß in ein anderes Licht rückt: „Manche Begründungen sind nicht zu widerlegen. Wenn du dich z.B. auf Grundbedürfnisse, Grundwerte oder Grundrechte berufst, kann niemand widersprechen.“ (S. 10) Offensichtlich hat sie nicht begriffen, was eine Forderung zu begründen heißt, und sie weiß nicht, dass das Bundesverfassungsgericht und andere Gerichte darüber urteilen, ob sich jemand zu Recht auf Grundwerte und Grundrechte beruft. Von den Grundbedürfnissen, worauf Schüler sich (als Durchlauferhitzer) berufen könnten, will ich hier erst gar nicht sprechen.
Die drei Größen „Tatsachen, Werte, Autoritäten“ sind als Bezugsgrößen unvollständig, wenn man strittige Äußerungen erörtern will: Thesen stehen durchweg im Zusammenhang mit Theorien; Forderungen und Aufforderungen diskutiert man vor dem Hintergrund von Rechten und Pflichten; Vorhaben prüft man im Hinblick auf ihren Erfolg und Nutzen, auf Nebenwirkungen und Kosten (statt bloß Gegenargumente zu erfinden!) – um dann eventuell Alternativen zu finden, die dem gleichen Ziel wie ein abgelehntes Vorhaben dienen. [Dann hätte man im jeweiligen Bereich auch Anhaltspunkte, auf die hin man argumentieren könnte.] Der analytische Rahmen, in dem Frau Utheß denkt bzw. zu denken lehrt, ist mangelhaft.

Wenn man lernen will, wie man strittige Fragen erörtern kann, sollte man darauf achten, wie normale Menschen so etwas machen. Man sollte von Beispielen lernen, die man in der Welt vorfindet; das ist meine grundsätzliche Forderung. Der Schematisierung des Erörterns (Zauberwort TAB), wie sie in der Schule seit langem betrieben wird, entspricht dagegen die Schematisierung des Aufbaus einer Erörterung. Frau Utheß hat für die gängigen Schemata nette Namen präsent: Ping-Pong für die Anordnung „Argument / Gegenargument / Argument / Gegenargument“ usw. Aber welcher normale Mensch spricht oder schreibt so? Oder die schöne Form der Sanduhr: vom stärksten bis zum schwächsten Gegenargument ausgehen und dann vom schwächsten bis zum stärksten Argument fortschreiten – auch so schreibt kein Mensch, der sich zu strittigen Fragen äußert. Vielmehr ist es außerhalb der Wahlkämpfe, der Werbung oder propagandistischer Pflichtübungen [zumindest nach dem Ideal vernünftigen Sprechens] so, dass Argumente geprüft werden, und wenn sie der Prüfung nicht standhalten, dann sind sie verworfen – aber das lernt man in der Schule kaum: Dazu müsste man ja wissen, wie Argumente jeweils aufgebaut sind und wie man sie deshalb prüfen kann! [Auch das kann man lernen, z. B. von S. Toulmin, von H. Schleichert oder von norberto68; aber man muss es lernen wollen!]

Eine Spitze gegen die im Alltag (und in mindmaps) verkürzte Ausdrucksweise habe ich mir für den Schluss aufgespart – sie hat eigentlich nichts mit dem Erörtern zu tun, sondern zeigt nur, wie unverständlich ein verkürztes Sprechen auch beim Erörtern (bzw. Analysieren) werden kann: „Achte auf folgende Punkte: Ist der Text sachlich formuliert oder will er die Gefühle des Lesers ansprechen. Warum?“ (Utheß, S. 56) Abgesehen davon, dass ein Text nichts wollen kann, frage ich mich: Wonach wird mit dem Wort „Warum?“ gefragt? Wird nach dem Grund gefragt, warum der Text so abgefasst ist, wie er ist, oder wird gefragt, warum der Schüler sich für eine Lösung entschieden hat? Aber das müsste man in einem ganzen Satz sagen – „Warum?“ ist nur ein Rätselwort.

Brauchbare, wenn auch nicht vollkommene Hilfsmittel zum Verständnis des Argumentierens und Erörterns sind die Bücher von Jürgen August Alt; man lernt bei ihm, dass Äußerungen vom Menschen unabhängig sein und geprüft werden können (Alt spricht verkürzt von der Darstellung von Sachverhalten). Das jüngere Buch, bei Beck erschienen, hat einen in die Irre führenden Untertitel, der sich dem Interesse des Verlags an Aufmerksamkeit verdankt: „Richtig argumentieren oder wie man in Diskussionen Recht behält“; Alt will gar nicht dazu anleiten, wie man Recht behält, sondern wie man sachlich diskutiert.

Vgl. meine Sammlung kommentierter Links: https://also42.wordpress.com/wp-admin/post.php?post=230&action=edit&message=6&postpost=v2

Beispiel für die Erörterung eines Sachtextes: http://norberto42.wordpress.com/2012/01/30/kastner-der-handstand-auf-der-loreley-analyse/ (am Ende des Aufsatzes!)

Siehe auch die Beiträge in der Kategorie „Schreiben – Aufsatz“ und „Schreiben – analytisch“!

Erörtern, Erörterung: das neue NRW-Format

In NRW wird derzeit eine neue Form der Erörterung eingeführt:
Den Schülern wird eine Reihe Argumente vorgegeben, mit denen eine bestimmte Maßnahme begründet werden soll; aber nicht alle Argumente der Liste sind als solche brauchbar, und es gibt mindestens ein Gegenargument darunter. Die Argumente werden in der Form von Stichworten (unvollständigen Sätzen) geliefert; die Schüler können auch selber noch welche ergänzen. – Aufgabe der Schüler ist dann, die besten Argumente auszusuchen, ihre Auswahl zu begründen, das stärkste Gegenargument (mit Begründung) auszusuchen und daraus (meist adressatenbezogen) eine Erörterung zu machen, wobei sie noch daauf hingewiesen werden, bitte Einleitung und Schluss nicht zu vergessen.

Dieses Format hat eine Reihe von Vorzügen – vor allem den, dass Schüler sich nicht Gegenargumente aus der Nase ziehen müssen, die ihnen nur deshalb eingefallen sind, weil sie „Gegenargumente“ heranziehen müssen. Aber:

Bei dieser Form zeigt sich erstens ein Problem deutlich, das ein Grundsatzproblem ist und bei allen Formen des mind-map-ähnlichen Arbeitens auftaucht: Stichworte sind oft unklar; der Gedanke bleibt zu unbestimmt, als dass man ihn überhaupt fassen und beurteilen könnte.
Ich möchte das an einem Beispiel zeigen: Wenn das Argument für eine Trennung der Geschlechter beim Schulsport lautet: „Mädchen schämen sich“, dann ist meines Erachtens unklar, was gemeint ist: 1. Schämen sich einige oder alle Mädchen?  2. Schämen sie sich, weil ihre sportlichen Leistungen in manchen Disziplinen schlechter als die der Jungen sind? Oder schämen einige sich, weil sie mit der Gestalt ihres Körpers unzufrieden sind und sich nicht relativ offen den Blicken der Jungen präsentieren wollen? 3. Aber würden sie in diesem Fall sich nicht auch schämen, so von den anderen Mädchen erblickt zu werden – was als Argument zur Forderung führen müsste, den Schulsport in diesem Alter ganz abzuschaffen?
Deshalb ergibt sich aus der Unklarheit der Phrase „Mädchen schämen sich“ für den Lehrer das Problem, wie er die Einschätzung der Geltung und der Relevanz dieses Arguments bewerten will. Ist die Lesart des Lehrers maßgeblich, auch wenn kein Schüler diese Lesart der Phrase kennt?
Eine Schwäche der Form selber sei, zweitens, noch genannt: Das neue Aufgaben-Format in NRW arbeitet mit „Meinungen“, die durch Argumente zu begründen sind. Aber die Meinung, man sollte im Schulsport Jungen und Mädchen trennen, besagt in Wahrheit, dass eine Maßnahme vorgeschlagen wird. Die Trennung ist eine Maßnahme, der als „Mittel“ dann verschiedene Ziele zur Begründung zugeordnet werden. Diese Logik ist aber nicht die Logik des rationalen Handelns, dass man nämlich geeignete Maßnahmen sucht, um Ziele verwirklichen zu können. Deshalb kann diese Form langfristig nur eine Vorübung im rationalen Erörtern sein; prinzipiell führt sie zu einem opportunistischen Argumentieren, weil einer erwünschten Maßnahme einfach Ziele zugeordnet werden, um so die Maßnahme zu begründen.
Um meine Einschätzung der in NRW geförderten Logik: gute Gründe für eine erwünschte Maßnahme zu finden, zu untermauern, verweise ich auf den Artikel Franziska Augesteins: Als die Menschenrechte schießen lernten (SZ 19. Mai 2009, S. 13). Frau Augstein weist nach, wie 1999 für ein militärisches Eingreifen der NATO in Albanien „gute Gründe“ zusammengetragen wurden – mit dem Ergebnis, dass wir heute immer noch vor einem Scherbenhaufen stehen.
Es kann nicht darum gehen, gute Gründe für eine erwünschte Maßnahme zu finden! Vernunft zeigt sich darin, dass bei einer vorgeschlagenen oder geplanten Maßnahme vom Ziel her gefragt wird, ob die Mittel geeignet sind, das Ziel zu erreichen, oder es ob für diesen Zwecke bessere Mittel gibt – und welche Nebenwirkungen der Einsatz dieser Mittel mit sich bringen wird. Allgemeiner formuliert: Vernunft zeigt sich darin, dass Folgen bedacht und Alternativen geprüft werden, aber nicht darin, dass Argumente aufgehäuft werden, um mit ihnen eine Maßnahme zu begründen. Wenn Argumente nur aufgehäuft werden, ist die Vernunft zur Hure des Wünschens und Wollens verkommen: ein nuttiges Denken! Ich schließe mich also der Polemik Platons gegen die käufliche Rhetorik der Sophisten an, welche beanspruchten, den schwächeren Grund (logos) zum stärkeren machen zu können.

Ich will zugeben: Es gibt einige Fälle, wo direkt gefordert werden kann, eine bestimmte Maßnahme sofort zu beenden – etwa Menschen zu foltern; in diesem Fall ist es klar, dass die Maßnahme des Folterns unmenschlich ist und gegen elementare Rechte verstößt. Die Feinheit besteht hier argumentativ allerdings darin, dass eine Maßnahme beendet werden soll – für jede Maßnahme, die erst durchgeführt werden soll, bleibt das Problem des richtigen (nuttig oder vernünftig?) Denkens bestehen.

Methodisch ergibt sich das NRW-Problem daraus, dass die Konzeption der Aufgabe hinter den heutigen Stand der Linguistik zurückfällt und so tut, als gelte es immer, Meinungen zu begründen. Wenn man nicht sieht, dass Erklärungen darauf geprüft werden, ob sie richtig sind; Forderungen darauf, ob sie berechtigt sind; Maßnahmen darauf, ob sie sinnvoll sind – wenn man das nicht sieht, muss man allerdings meinen, es würden immer nur Meinungen begründet … (Vgl. meine Darstellung: Grundbegriffe sprachlichen Handelns, denen dann Texttypen entsprechen, sowie meine Überlegung: Wozu und wie erörtern?!).

867. Man tut immer besser, dass man sich grad ausspricht, wie man denkt, ohne viel beweisen zu wollen: Denn alle Beweise, die wir vorbringen, sind doch nur Variationen unserer Meinungen, und die Widriggesinnten hören weder auf das eine noch auf das andere. (Goethe: Maximen und Reflexionen – wie ein Kommentar zum NRW-Format!)

erörtern, argumentieren – praktische Tipps (J. Soentgen)

Ich möchte hier auf ein flüssig geschriebenes Buch hinweisen, das zu lesen eine Freude ist:
Jens Soentgen: Selbstdenken! 20 Praktiken der Philosophie. Peter Hammer Verlag, 2003 (inzwischen auch als Taschenbuch)

Der Untertitel von den Praktiken zeigt an, dass es nicht um abstruse philosophische Theorien geht, sondern um das Handwerkszeug geistigen Arbeitens – primär des Erörterns (provozieren; aus Indizien Schlüsse ziehen; Beispiele bringen; Gedankenexeprimente machen; kombinieren usw.), aber auch einiger Vorarbeiten dazu (hinsehen; sammeln; warten).

Wenn man nach der ersten Begeisterung einmal schaut, was von Soentgens Buch „Selbstdenken!“ als Leitfaden fürs Argumentieren übrig bleibt, muss man einige Abstriche machen:

1. Als Mittel eines rein polemischen Streitens mit Gegnern, die einer rationalen Argumentation nicht fähig sind, möchte ich folgende Techniken festhalten:
provozieren
demontieren
parodieren
wiederholen
wie ein Orakel sprechen
große Gesten machen;
ich habe teilweise die Nomina in Verben umgewandelt, da im Verb bezeichnet wird, was man tut.

2. Wie man die übrigen einteilen soll, darüber könnte man streiten, weil es doch viele Überschneidungen und damit Doppelungen gibt:
a) reine Arbeitstechniken:
Autoritäten zitieren
präzisieren, definieren (nahe der b-Gruppe!)
im Bild sprechen
Gedankenexperimente machen (analog dem früheren Fabelerzählen)
umkehren (einen Anspruch auf den Sprecher selbst anwenden – in der Nähe der reinen Polemik)
kombinieren (viele Kombinationen durchspielen)
b) Methoden des Argumentierens, die der bewussten Kontrolle bedürfen bzw. ihr dienen:
* mit Fakten und Zitaten umgehen, Vergleiche und Kontraste einsetzen, Zusammenhänge herstellen
* aus Indizien Schlüsse ziehen
* hinsehen statt abschreiben
* Beispiele anführen, Gründe prüfen
* logisch denken, Logik prüfen
* nicht nur eine Ursache gelten lassen, mehrere suchen
* allgemein (also öfter): weiter als bisher umschrieben denken [N.T.]
c) Die Methode „warten“ ist eine Mahnung zur Geduld und kann als Warten auf den richtigen Einfall verstanden werden, aber auch als Mahnung zum Korrigieren und Überarbeiten eigener Entwürfe; die Methode „Material sammeln“ beschreibt die Vorarbeit des Argumentierens (das zweite meiner vier S: suchen, sammeln, sortieren, schreiben). Warten und Sammeln, das geschieht am Rande der Arbeitszeit.

3. Fazit:
Das Buch besticht mehr durch die lockere Schreibweise und die vielen Beispiele, als dass es eine systematische Anleitung zum kritischen Denken wäre. Es kann also den Geübten dazu anregen, die eigene Praxis zu überprüfen; dem Ungeübten kann es einige Tipps geben. Manche davon sind jedoch so allgemein, dass sie als trivial zu bezeichnen sind, etwa beim Umgang mit Indizien:
– „Es gibt meist mehrere Möglichkeiten, Indizien zu lesen.“ Klar, das steckt im Begriff der Indizien (index, nicht res!)!
– „Ein Indiz findet sich nur dann, wenn ein Beobachter danach sucht.“ Hier fehlt die Warnung, dass man beim Suchen manche Indizien erfindet – eine alte Erfahrung!
– „Gerade das Unscheinbare birgt oft interessante Indizien.“ Wenn das keine Weisheit ist!
Es gibt einige kleine Versehen, etwa dass ein Buch des Jahres 1702 nicht dem 18. Jahrhundert zugezählt wird; solche Versehen sind weiter nicht schlimm. Die Argumentation gegen Kants kategorischen Imperativ mit Gegenbeispielen ist platt und falsch, etwa die Idee, sein Geld zu sparen, statt auszugeben, oder der Hinweis auf die Tatsache, dass Kant nicht geheiratet hat. Solche Beispiele kommen für eine moralische Vorschrift überhaupt nicht in Frage; außerdem hat Kant nirgendwo gefordert, man solle nicht heiraten; sie können daher nicht Gegenbeispiele gegen den Kategorischen Imperativ sind – eine peinliche Panne.
Einen schwachen Scherz erlaubt der Autor sich, als er dem Prinzip des zureichenden Grundes das Prinzip des mehrfachen Grundes entgegensetzt – das gab’s 1. bereits bei Platon und verfehlt 2. die Pointe des kritisierten Prinzips, indem der Satzakzent willkürlich auf „einen“ (dann als Zahlwort statt als unbestimmter Artikel gelesen) statt auf „Grund“ gelegt wird (S. 211).
Auf den ersten Blick vermisse ich aus meinem Repertoire das Sortieren, also das Gliedern. Das philosophisch bedeutsame Unterscheiden kann man mehrfach angedeutet finden, auch wenn ihm kein eigenes Stichwort gewidmet ist.
—–
Interessant der Nachweis der Geschichte eines philosophisch-literarischen Motivs:
Umberto Ecos Gedanke, dass es unmöglich ist, die Welt ganz genau zu beschreiben, also eine Karte im Maßstab 1 : 1 anzulegen; denn ein von dieser Karte bedecktes Reich sei dadurch charakterisiert, dass es von der Karte bedeckt sei – ein Umstand, dem die Karte nicht Rechnung trage. „Das Reich wird im selben Moment, in dem man seine Karte erstellt, undarstellbar.“ (J. Soentgen, Selbstdenken!, 2003 S. 158).
Dieses Motiv stammt von Jorge L. Borges: Von der Strenge der Wissenschaft, in: Universalgeschichte der Niedertracht (S. 158 f.).
Mit Sicherheit habe Herrn Borges Lewis Carroll: Sylvie and Bruno concluded, als Vorlage gedient; dort gibt es einen Dialog zwischen Sylvie und dem deutschen Wissenschaftler „Mein Herr“; dieser „Mein Herr“ berichtet von einer Karte im Maßstab eins zu eins, die „wir“ zwar angefertigt, gegen deren Verwendung aber die Bauern protestiert hätten, weil sie das ganze Land bedecke und so das Sonnenlicht abhalte. „Deshalb benutzen wir jetzt das Land selbst, als seine eigene Karte, und ich versichere Dir, es funktioniert fast genauso gut!“ (Soentgen, S. 159)

Argumentieren, erörtern – wie geht das? (mit Beispiel)

Als Operator ist „erörtern“ in der Liste für das Abitur NRW 2007 definiert. Ich straffe die Ausführungen: „eine These (…) auf ihren Wert und ihre Stichhaltigkeit hin abwägend prüfen“ und „auf dieser Grundlage eine Schlussfolgerung bzw. eigene Stellungnahme dazu entwickeln“. Ausgelassen ist hier die Methode: pro-und-contra- bzw. sowohl-als-auch-Argumente.
Ich möchte etwas zur Methode des Erörterns sagen, und zwar anhand des Aufsatzes von H. Thomé über Goethes Gedicht „Prometheus“. Man kann diesen Aufsatz (und Sachtexte überhaupt) auf drei verschiedene Weisen erörtern:

1. durch Begriffsanalyse
Ich schlage vor, die „wechselseitige Unbeeinflussbarkeit“ zu prüfen, in der Thomé den Grundgedanken von Prometheus‘ Argumentation erblickt. Unbeeinflussbarkeit heißt, dass kein Einfluss ausgeübt werden kann; wenn das „in der Argumentation“ so vertreten wird, muss es die Auffassung des Prometheus sein; wenn dann aber (im Kontext) offen bleibt, ob die Götter nicht helfen können oder wollen (Z. 17 f.), und erst recht, wenn des Prometheus Auflehnung sich an einem Anspruch der Götter entzündet (Z. 22 ff.), kann von Unbeeinflussbarkeit nicht die Rede sein.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass man durch Begriffsanalyse weiterkommen kann, sind die Ausführungen Michael Bengels (Klett Lektürehilfen, 2006, S. 92) zur Figurenkonstellation in Fontane: Irrungen, Wirrungen. Man kann durch Arbeit mit einem Wörterbuch des Deutschen (DWDS, Duden-Wörterbuch usw.) nachweisen, dass Bengels Herleitung von „Konstellation“ falsch ist; damit ist sein Hauptargument für die Willkürlichkeit des Zugriffs auf die Personenkonstellation hinfällig. – Auch könnte die Unterscheidung von „Bewusstsein“ und „Bewusstheit“ bei Bengel mit dem Wörterbuch überprüft werden.

2. durch logische Analyse
Es kann auch geprüft werden, wie sich die Gedanken Thomés zueinander verhalten:
* Thema des Gedichtes sei die Abgrenzung der Sphären (Z. 1 f.);
* Grundgedanke in der Argumentation sei die wechselseitige Unbeeinflussbarkeit (Z. 15 f.);
* die Funktion der Denkbewegung im Gedicht (also der Argumentation des Prometheus!?) sei die Selbstklärung, also die Besinnung auf die eigene (Produktiv)Kraft (Z. 110 ff. mit Z. 85 ff.).
Passen diese drei Gedanken zusammen? Muss nicht das Thema [das Verhältnis Thema-Grundgedanke wäre begriffsanalytisch zu prüfen!] angesichts der Funktion der ganzen Rede anders bestimmt werden? Etwa als Frage: Wem bin ich verpflichtet? Oder: Worauf will ich hinaus?
Noch einmal zu M. Bengel: Einerseits soll der Blick auf die Personenkonstellation völlig(!) willkürlich sein, anderseits sei die gefundene Personenkonstellation „nicht bloß(!) den Gegenbenheiten abgewonnen“. Ja, was denn nun, Herr Bengel?

3. durch sachliche Klärung
Die Frage lautet jetzt: Wird Thomés Verständnis dem Gedicht gerecht? Das prüft man, indem man das Gedicht selbst versteht [dann fragt man letztlich: Stimmen Thomés und mein Verständnis überein? Kann ich sein Verständnis am Text nachvollziehen?] oder Thomes Verständnis mit dem anderer Fachleute (Conrady, Klaus Weimar usw.) vergleicht.
So könnte man etwa Thomés These prüfen, die Äußerung Prometheus‘ diene der Selbstklärung (Z. 112 f.), oder die These, der Grundgedanke in der Argumentation sei die wechselseitige Unbeeinflussbarkeit: Stimmt das sachlich? Zumindest ist Thomés Sicht der letzten Strophe (Z. 124 ff.) fragwürdig: Prometheus kommt dort zum Abschluss seiner Selbstvergewisserung und -rechtfertigung („Hier sitz ich…“ – im Blick auf Zeus und gegen ihn gesprochen!); er ist aber nicht „tätig“ in dem Sinn, dass er nun wieder mit der Arbeit begänne. Wesentlich ist die Einsicht Thomés, dass Prometheus nicht aktuell den Aufstand probt [so habe ich als Jugendlicher das Gedicht gelesen], sondern nach dem Aufstand sich auf das besinnt, was er getan und geleistet hat. Stärker als Thomé möchte ich hervorheben, dass das Göttliche aus dem Himmel in das Subjekt Prometheus (das heilig glühende Herz) gewandert ist.
Die Reihenfolge, die ich mit 1.-3. gewählt habe, ist beliebig, sie geht hier sozusagen vom Kleinen zum Großen; wenn ein Autor sehr dumm ist, genügen die beiden ersten Methoden. In der Regel wird man die dritte Methode als die normale oder wesentliche ansehen. Alte Regel fürs (Kämpfen und) Erörtern: nicht kleckern, sondern klotzen! Also lieber wenige zentrale Fragen diskutieren, als viele Randfragen berühren. Im Bild des Baumes: nicht an den Blättern zupfen, sondern die Festigkeit des Stamms und der tragenden Äste prüfen!

Die Erörterung besteht dann aus einer Argumentation, d.h. einer Prüfung von Argumenten; es bedeutet oder besagt also nichts, wenn „meiner Meinung nach“ etwas der Fall ist. Ohne Berufung auf allgemeine Regeln, ohne die Untersuchung logischer Verhältnisse und sachlicher Gegebenheiten kann man nicht argumentieren, kann man keine Argumente gegeneinander abwägen. Was ein Argument ist, hätte in Kl. 9-11 erforscht werden müssen; was im Lehrbuch TTS S. 493-495 steht, ist logisch ausgesprochen dünn, nur dialektisch-rhetorisch tragbar.

Das Modell Toulmins von Argumenten findet man diskutiert in (bei google eingeben:) ‚Studentische Arbeitspapiere Sprache Interaktion‘, dort das Papier von Bücker (1), dort S. 24 f., oder diese Darstellung („Toulmin Argumentationsmodell“ ist inzwischen eine Suchkombination bei google).
Ich habe hier eine Idee Frau Möckels von der Bedeutung des Motivs „Odyssee“ im Roman von Schlink: Der Vorleser, erörtert.

Vielleicht helfen auch die theoretischen Überlegungen von Kollegen, die man zum Beispiel unter den Suchwörtern „Erörterung +Beispiel“ findet:
http://www.lindenhahn.de/referate/eroerter/eroert1.htm
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Probleme_eroertern.htm

Beispiel einer Erörterung: Prüfung einer Argumentation (kurze Definition)

Zu V. Ladenthin: Neue Medien – alte Technik

In Ladenthins Aufsatz vom 6. Oktober 2000 kann man unterscheiden
– die Argumentation der Gegner,
– die Erörterung dieser Argumentation durch L.,
– das Argument Ladenthins,
– die Analogie zwischen der Erfindung des Buchdrucks und des Computers.

Ich stelle zuerst Ladenthins Argument dar (in Klammern die Nummer des Absatzes):
P1 Dem Umgang mit dem Computer ist eine komplexe Tätigkeit. (4)
Zusatz Z1 zu P1: Sie setzt sich aus mehreren elementaren Kulturtechniken zusammen, wie Lesenkönnen usw. (4) – (7)
Z2 zu Z1: Komplexe Tätigkeiten sind nicht elementare Techniken. (4)
P2: In der Schule müssen (nur) die elementaren Tätigkeiten (Fähigkeiten) geübt werden. (9) und (10)
Z zu P2: Man lernt ja auch nicht das Bedienen von Backautomaten in der Schule. (8)
F: Deshalb soll in der Schule nicht der Umgang mit dem Computer, sondern es sollen die elementaren Kulturtechniken in den klassischen Schulfächern verstärkt geübt werden.

Erörterung:
Man muss zwei verschiedene Unterscheidungen treffen:
komplexe – einfache Tätigkeiten
elementare (allgemeine, grundlegende) – spezifische Fähigkeiten (Kulturtechniken)
Entscheidend ist die Einsicht, dass Ladenthin den Z2 macht, dass er also die „Gleichung“ aufstellt: Komplexe Tätigkeiten können nicht elementare Kulturtechniken sein. Dazu ist zweierlei zusagen:
1. Auch Schreiben und Lesen, also die Lektüre Ladenthins und die Erörterung seiner Argumentation, ist ein komplexer Vorgang, sogar ein ziemlich komplexer; trotzdem sind Schreiben und Lesen elementare Kulturtechniken.
2. Die Gleichsetzung von „nichtkomplex“ (einfach) und elementar ist also falsch; durch die Qualifizierung „komplex“ kann nicht nachgewiesen werden, dass der Umgang mit dem Computer keine elementare Fähigkeit sei.
Daraus ergibt sich, dass aus P1 und P2 nicht F folgt.
Der gleiche Fehler beherrscht die Erörterung Ladenthins, in der er das Argument seiner Gegner widerlegt.
Mit dieser Widerlegung ist nicht erwiesen, dass der Umgang mit dem Computer eine elementare Fähigkeit ist, die in der Schule erlernt werden sollte; die Bedeutung dieser Fähigkeit (auch im Vergleich mitanderen Fähigkeiten – also in der optimalen Verwertung der „knappen“ Schulzeit) wäre gesondert zu prüfen.

Wie sind wir vorgegangen? Wir haben untersucht, wie Ladenthin die Begriffe „komplex“ und „elementar“ verwendet; er stellt sie einfach einander gegenüber, während sie nach unserer Einsicht jeweils andere Antonyme aufweisen und direkt nichts miteinander zu tun haben.

Auch die von Ladenthin formulierte Analogie ist falsch. Richtig sieht sie etwa so aus:
Erfindung des Buchdruck – des Computers
Bücher lesen – mit dem Computer arbeiten
Bücher drucken – Programme schreiben.

Bei Analogien und Bildern muss man gut aufpassen, weil sie so eingängig sind und weil wir es nicht gewohnt sind, die Logik von Bildern zu prüfen; aber auch der Gebrauch von Bildern und Analogien, rhetorisch wirksam, folgt einer zumindest begrenzt prüfbaren Logik.

Einige praktische Erfahrungen aus einer Reihe in einer Kl. 10

1. Lukas‘ Frage, wieso die Darstellung von sex and crime überhaupt schädlich sei, ist nicht unberechtigt – sie wird jedenfalls bei Drösser nicht beantwortet, resp. die These, dass die Darstellung gefährlich sei, wird nicht explizit begründet. Das war vor vier Jahren in der Aufregung nach dem Blutbad von Erfurt anscheinend „nicht nötig“; die Sachfrage ist aber mit einer Aufregung nicht beantwortet – Lukas‘ Frage also nicht unberechtigt.
Wir haben hier wieder den Fall vor uns, dass eine Prämisse in der Argumentation stillschweigend gemacht wird, ohne dass man sie bewusst behauptete – argumentativ ist das immer eine Schwäche.

2. Für eine Erörterung muss man sich der Kriterien bewusst sein, nach denen man etwas beurteilt. Immer, wenn eine Maßnahme (Handlung) gefordert und begründet wird, sollte man fragen:
* Wird das Ziel so wirklich erreicht?
* Was kostet der Einsatz dieses Mittels
* Wer trägt die Kosten?
* Welche Nebenwirkungen treten ein?

3. Wie bringt man „Einwände“ unter?
Heribert Prantl lehnt in seinem Kommentar „Guter Tod, schlechter Tod“ (SZ 12. April 2001) für Deutschland ein Gesetz wie das in den NL beschlossene ab, mit dem aktive Euthanasie erlaubt wird. Für seine Ablehnung bringt er drei Argumente vor. Er berücksicht aber auch zwei Einwände, nämlich dass es einen berechtigten Wunsch nach einem würdigen Tod gibt (3) und dass die Grauzone zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe durch ein solches Gesetz beseitigt würde (4). Wo bringt man nun diese Einwände unter?
Man sollte zuerst vielleicht überlegen, was überhaupt „Einwand“ heißt: Einwand ist etwas nur im Hinblick auf eine bestimmte Position. Für den, der eine andere Position vertritt, ist der gleiche Satz („Menschen sollen in Würde sterben und selbst ihren Tod bestimmen dürfen.“) möglicherweise eine Prämisse in seiner Argumentation für das Recht auf aktive Sterbehilfe. Man könnte den genannten Satz auch als Ziel des neuen Gesetzes begreifen, das Gesetz dann als Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Wenn man das alles bedenkt, wenn man also mit den verschiedenen Denkschemata gedanklich, das heißt dann auch: perspektivisch operieren kann, kann man den ersten von Prantl berücksichtigten Einwand auch als P1 seines ersten Argumentes formulieren:
P1 Durch aktive Euthanasie soll Menschen ermöglicht werden, in Würde zu sterben und selbst ihren Tod zu bestimmen, statt monatelang dahinzuvegetieren. (3)
P2 Durch die Erlaubnis aktiver Sterbehilfe wird aber der Unterschied zwischen Sterbenlassen und Töten verwischt. (4) und (3)
F Daraus folgt, dass aktive Sterbehilfe in Deutschland nicht erlaubt werden soll.
In dieser Formulierung sieht man klar, dass ein Zusatz zu P2 erforderlich ist, um das Argument schlüssig zu machen (was gut ist, weil so die ganze Denkfigur, das Denken selber klarer wird):
Z zu P2: In Deutschland soll das Tötungsverbot mehr (strenger) als das Recht auf Selbstbestimmung gelten.
Dieser Zusatz deckt eine verborgene Voraussetzung des Denkens auf, welche eine christliche (und damit nicht allgemein gültige) Glaubensüberzeugung darstellt: „Gott ist der Herr deines Lebens, nicht du.“

Man könnte den genannten Einwand auch als Zusatz zu einer anderen P1-Formel einbringen:
P1 In den Niederlanden ist ein Gesetz in Kraft getreten, das aktive Euthanasie erlaubt.
Z zu P1: Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen zu ermöglichen, dass sie in Würde sterben und selbst ihren Tod bestimmen, statt dass sie als Objekte medizinischer Behandlung dahinvegetieren.
P2 usw.

Man sieht an diesen verschiedenen Möglichkeiten, dass man mit den Denkschemata verschiedene Positionen klären kann – und das ist ja auch der Sinn des Unterrichts in dieser Reihe, dass ihr Klarheit im Denken bekommt. Ich will euch weder für noch gegen dies oder dies gewinnen; vielmehr sollt ihr sehen lernen, was ihr in Wahrheit vertretet, wenn ihr eine bestimmte Position vertretet.

Ein weiteres Beispiel einer Erörterung (Steckelbergs Aufsatz zu Kästners Gedicht „Der Handstand auf der Loreley“) unter http://norberto42.wordpress.com/2012/01/30/kastner-der-handstand-auf-der-loreley-analyse/ (am Ende des Aufsatzes!);
ein weiteres Beispiel von Analyse und Erörterung zu J. Adler:
Die Kunst, Mitleid mit den Mördern zu erzwingen, ebenfalls im bloghof unter „Novellen und Romane“ zu „Schlink: Der Vorleser“;

Ein weiteres Beispiel, angedacht:
Hubert Markl: „Lernziel Mitmensch“ (DIE ZEIT vom 22.10.1993) – Kurzanlayse und Erörterung
In seinem Kommentar (Artikel) fordert Hubert Markl mehr oder weniger direkt, ein soziales Jahr für Jugendliche einzuführen (Z. 82-85; 109 f.), und begründet diesen Vorschlag mit den Defiziten in der sozialen Entwicklung junger Menschen heute.
Markl leitet seine Überlegungen mit einer Definition von Kultur (Z.1-4) ein, die grundsätzlich auf Lernen bzw. auf Tradition beruhe (Abs.1); dass dies so ist, zeigt er vor allem an Beispielen aus dem Tierreich (Abs. 1 und 2; vgl. „auch“ Z. 17). Später sagt er ausdrücklich (Z. 15 f.; 44 ff.), dass auch die Menschen ihre Kultur von den Vorfahren durch Lernen übernehmen (müssen).
An seine theoretisch-erklärende Einleitung knüpft er mit der Frage, „wie jungeMenschen am besten zu normalen Mitgliedern unserer Gesellschaft heranwachsen könnten“ (Z. 45-47), an; die Antwort auf diese Frage bildet den Hauptteil seiner Überlegungen.
Zunächst erklärt er mit teilweise recht deutlicher Bewertung, wieso heutige soziale Erziehung weithin ungenügend ist: Sie beschränke sich auf Anweisungen und – teilweise verfrühte – Unterweisungen (Z. 48 und 51, insgesamt Abs. 3) und vermittele aufgrund des Zustands der Familien nicht die notwendigen „Erfahrungen“ (Z. 71, insgesamt Abs. 4). Er macht sich dann (indirekt) die Forderung zu eigen, junge Erwachsene sollten ein Soziales Jahr ableisten; er begründet diese Forderung nicht nur mit den in (4) genannten Erfahrungsdefiziten (Z. 79-81), sondern auch mit weiteren Gründen (Abs. 5: Hilfe sei nötig; sie sei genauso sinnvoll wie ähnliche Leistungen), und bewertet die Einführung des Sozialen Jahrs als Chance „zum sozialen Erwachsenwerden“ (Z. 98 vs. Z. 74/77). Zum Schluss des Hauptgedankens begründet er die in (5) vorgetragene Forderung damit, dass durch praktisches Tun verantwortliches Handeln „einprägsamer“ (Z. 106 f.) als im theoretischen Unterricht gelernt werde (Abs. 6), womit er indirekt auch auf die in (3) genannten Mängel anspielt.
Zum Schluss schreibt Markl eine Sentenz, die auf der Unterscheidung biologischen Menschseins von humaner Menschlichkeit beruht, welche gelernt werden müsse (Abs. 7); mit dieser allgemein gehaltenen Sentenz begründet er im weiteren Sinn seine Forderung, die bereits in der Überschrift „Lernziel Mitmensch“ mit dem aus der Unterrichtstheorie entlehnten Begriff „Lernziel“ angedeutet ist.

Das erste Argument ist das von den Defiziten in der Erziehung (Kulturtradition), welche ausgeglichen werden müssten;
das zweite Argument ist das von den fehlenden Hilfskräften, dessen Pointe darauf beruht, dass soziale Hilfe dem Dienst in der Bundeswehr und bei anderen gemeinnützigen Organisationen gleichwertig sei [die Herausforderung zum sozialen Erwachsenwerden gehört im strengen Sinn nicht hierhin – eine ungünstige Argumentation Markls im Vorgriff auf das dritte Argument];
das dritte Argument spielt mit dem Begriff der „Reife“, die zu erlangen ist, und der Differenz von Theorie und Praxis als Wegen des Lernens.

In der Erörterung wäre also zu prüfen,
1. ob das Erziehungsdefizit besteht, ob Hilfskräfte fehlen und ob die Schüler in der Schule nur theoretisch reif werden;
2. ob die Argumentation Markls logisch stimmt;
3. ob die Relation von Ziel und Mitteln stimmt:
a) ob durch ein staatlich verordnetes Soziales Jahr aller Jugendlichen diese familiären Defizite ausgeglichen, der Arbeitskräftemangel beseitigt und die menschliche Reife befördert würden (ob also das Ziel überhaupt erreicht würde),
b) ob man diese gleichen Ziele nicht mit anderen Mitteln kostengünstiger (für den Staat – für die Betroffenen) erreichen könnte,
c) welche Nebenwirkungen die Einführung eines Sozialen Jahres für alle hätte (z.B. Abwertung des Berufs des Altenpflegers, Druck auf den Arbeitsmarkt usw.; Jugendliche ein Jahr später im Beruf).

Vgl. auch Öhlschlägers Beitrag „Argumentieren“ in „Praktische Semantik“, 13. Kapitel!

Vgl. meine Sammlung kommentierter Links: https://also42.wordpress.com/wp-admin/post.php?post=230&action=edit&message=6&postpost=v2

„Elemente des Argumentierens“ werden in dem Buch „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert …„, 2. Kapitel, sehr gut untersucht.

Aufsatzunterricht: gliedern, erklären, bewerten, erörtern (Kl. 8 -10 im G9)

Man braucht die gleichen Fähigkeiten, wenn man einen Aufsatz, eine Facharbeit oder eine Dissertation schreibt; diese Fähigkeiten kann man benennen und gezielt üben. In Klasse 5 – 7 müssen die Schüler in ersten Ansätzen auf die Anforderungen vorbereitet werden, indem sie
– einfache Erklärungsmuster einüben;
– Textstellen aus dem Zusammenhang erklären, mit Beleg;
– einen Brief schreiben: die Leserperspektive beachten;
– sich von der Aufgabenstellung lösen („Schriftlichkeit“ als Problem);
– Aussagen begründen;
– einen Einleitungs- und Schlusssatz schreiben;
– berichten und beschreiben;
– eine Inhaltsangabe verfassen.
In Klasse 8-10 wurde das Aufsatzschreiben von mir in folgenden Schritten eingeübt:
– Ausführungen schriftlich planen und ordnen („Gliederung“);
– erklären;
– bewerten;
– erörtern (vom Überreden zur sachlichen Argumentation).
Als Eselsbrücke für die Planung des Schreibens habe ich „die vier S“ gefunden (suchen – sammeln – sortieren – schreiben).
Die einzelnen Stufen der literarischen Analyse sind hier nicht berücksichtigt, weil sie für den Aufsatzunterricht formal nicht wichtig sind. – Der Facharbeit wird ein neuer Aufsatz gewidmet.

Meine Idee ist, dass etwas sachlich zu erötern eine Fähigkeit ist, die erlernt werden kann, weil sie aus verschiedenen Elementen besteht; diese Elemente kann man einzeln einüben. Neben dem Abwägen sehe ich das Ordnen (Gliedern), das Erklären und das Bewerten als Elemente des Erörterns an. Nicht umsonst spreche ich von Elementen; sagte ich „Stufen“, könnte man meinen, die eine baute auf der anderen auf und man habe sie hinter sich, wenn man sich auf die nächste begibt. Das stimmt nur in Grenzen; in Wirklichkeit verläuft Lernen oft chaotisch oder in Form ein Durchbruchs („Aha!“). Der alte Begriff „Element“ lenkt den Blick darauf, dass aus den verschiedenen Elementen eine neue Gestalt oder ein neuer Stoff entsteht: die Erörterung. Die Elemente heißen: ordnen, erklären, bewerten, jemanden umstimmen, Argumente abwägen.
Um zum genannten Ziel zu kommen, kann und soll man zwei Wege parallel gehen: Man kann von anderen angefertigte Elemente untersuchen (analysieren, also von Vorbildern lernen) und man kann selber solche Elemente herstellen (produzieren). Das Ziel unserer Arbeit ist, die Schüler zu befähigen, selber etwas zu erklären und zu bewerten, selber Fragen zu erörtern; und wer etwas tut oder herstellt, der versteht auch, was für ein Produkt das ist.
Beim Analysieren sollen eigens auch die sprachlichen Formen und Möglichkeiten untersucht werden, die man bei Analyse und Produktion der Elemente kennen muss; es soll also nebenher stets „Grammatik“ betrieben werden – nicht als Lehre von den Buchstaben (griechisch: gramma), sondern von den Sätzen und Texten, von Kommunikation und Bedeutung.
Die beiden Wege und die begleitende Grammatik sollten zu einem einzigen Faden verquirlt oder verdreht werden: dem roten Faden, an dem man sich in seinem Aufsatzunterricht orientiert, damit man in einer 8. Klasse weiß, worauf das hinausläuft, was macht macht, und damit man in einer 10. Klasse nicht aufstöhnen musst: „Ach, hätte ich das doch schon in Klasse 8 behandelt!“
Der Status des Folgenden ist eine Art Ergebnisprotokoll oder Bericht: Ich berichte, wie ich diese Elemente mit den Schülern einübe; ich beschreibe, was zur Zeit der Stand meiner Einsicht ist; ich verzichte auf eine Auseinandersetzung mit der didaktischen Literatur. Ich habe das System dieser Elemente im Lauf der Zeit selber entwickelt. Ich stelle es dir anheim, von meinen Einsichten zu lernen, soweit es dir möglich ist, und sie zu verändern, wenn es dir als sinnvoll erscheint. Ich präsentiere also Beispiele: Ein Beispiel ist gut, wenn es die Sache anschaulich zeigt und wenn der Hörer oder Leser es verstehen (und vielleicht auch verwenden) kann.
Als Form der Darstellung wähle ich die Präsentation meiner Arbeitsblätter, welche die Unterrichtsergebnisse für die Schüler festhalten; meine Arbeitsblätter erkennst du daran, dass rechts oben ein kleiner Strich steht, auf dem man das Datum eintragen kann: eine Möglichkeit, Ordnung in die Arbeitsblätter zu bringen. Ich kommentiere einleitend diese Arbeitsblätter, damit du, liebe Kollegin, lieber Kollege, sie in eine Unterrichtslinie einbeziehen sowie die vermutlich in deinem Unterricht auftretenden Probleme selber lösen kannst. – Meiner Idee kommt folgender Beitrag über Textbausteine wissenschaftlicher Texte nahe.
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A: G l i e d e r u n g – die Gedanken ordnen

Diese Aufgabe oder dieses Element wird hier produktiv eingeübt; würde man Vorlagen analysieren, stieße man zu schnell auf das komplexe Problem der Textanalyse.
Arbeitsblatt 0.1 nennt Techniken, den Hörerbezug bei einem Vortrag zu sichern (statt bei einem Gespräch), was den Problemen beim Aufsatz analog ist. Gefordert und geübt wird eine Gliederung unterschiedlicher Tipps oder Leistungen nach Oberbegriffen, und zwar in Satzform.
In Satzform zu denken und zu sprechen fällt Schülern nicht leicht; aber nur so erhält man die Möglichkeit, differenziert zu denken, indem Leerstellen durch die Satzglieder (und Attribute) gefüllt werden. So ist beim AB 1 nicht „Freundschaft“ das Thema, sondern die differenzierte Frage: „Worin besteht für einen jungen Mneschen im Allgemeinen der Wert einer Freundschaft?“ Die Antworten kristallisieren sich zwar um Begriffe (Geselligkeit, Geborgenheit usw. – so wird man selber abgekürzt ordnen); sie bieten aber mit dem zum Satz ausgebauten Sammelbegriff „vielfältige Hilfe“ eine Kategorie für „Reste“, die man sonst nirgendwo unterbringen könnte.
Das AB 2.0 leitet dazu an, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen, welchen Aspekt man einer Untersuchung zu Grunde legen kann, d.h. welcher sowohl der Sache angemessen und für die Untersuchung nützlich als auch für die eigene Darstellung günstig ist. Aufgabe: einen Aspekt durchhalten, wenn man ihn gewählt hat. Es muss geprüft werden, ob jeder Haupt-Satz der Gliederung die Themenfrage bewantwortet. Problem: Wie kann man Gedanken einander zuordnen oder unterordnen?
AB 2.1 ist eher für den Lehrer gedacht; es gibt grammatisch-semantische Tipps, wie man mögliche Gliederungen suchen kann.
AB 2.2 zeigt, wie wichtig es ist, in Sätzen zu denken und Leerstellen so zu füllen.
AB 3 widmet sich abschließend den kommunikativen Problemen der indirekten Kommunikation, bei der es ja nicht die Möglichkeit der Rückfrage gibt: das Gespräch eröffenen; die eigenen Gedanken übersichtlich, anschaulich und interessant darstellen; das Gespräch beenden. Die Aufgabe besteht also darin, einen thematisch bestimmten größeren Text herzustellen, der klar und lesbar ist.
In dieser Unterrichtsreihe arbeite ich nur produktiv; wir stellen also selber Gliederungen her und schreiben gegliederte Aufsätze, ohne Vorbilder aus fremder Feder zu untersuchen.

Mögliche Themen einer Klassenarbeit:
Untersuche die Frage, warum junge Leute so gerne Auto fahren.
Untersuche die Frage, was „das Fernsehen“ für uns bedeutet.
Nach welchen Kriterien beurteilen wir unsere Mitmenschen?
Warum bleiben die Ermahnungen der Eltern und Lehrer wirkungslos?
Untersuche die Frage, warum der Unterricht in der Schule oft für Schüler langweilig ist.
Für eine literarische Untersuchung bietet sich Fragestellungen dieser Art an:
Untersuche, als was für ein Mensch … erscheint.
Untersuche, wie sich das Verhältnis zwischen … entwickelt.
Untersuche, aus welchen Gründen jemand dies und das tut.

Gliederung 0.1 – sortieren und zuordnen
Von einem guten Redner – Lehrer, Schüler, Bundeskanzler, Pastor, Mafiaboss – erwartest du, dass er dich nicht langweilt. Aber wie verhindert er das? Wir überlegen am besten einmal, was ein guter Redner tun oder beachten oder beherzigen muss:
– Er bleibt beim Thema und schweift nicht ab.
– Er spricht langsam.
– Er macht beim Sprechen Pausen.
– Er setzt Medien (Tafel, Film, OHP…) ein, um etwas anschaulich zu zeigen.
– Er spricht laut und deutlich.
– Er bildet kurze Sätze, die man überblickt.
– Er berücksichtigt auch mögliche Einwände.
– Er kann mit seinem Medium umgehen, macht keinen „Murks“.
– Er schaut seine Zuhörer an und klebt nicht an einem Konzept oder Buch.
– Er baut seinen Vortrag klar und übersichtlich auf.
– Er macht am Anfang klar, worauf er hinauswill.
– Er bewegt den Körper und seine Hände, er steht nicht wie ein Pfahl da.
– Er bildet ganze Sätze und führt Gedanken zu Ende.
– Er rennt nicht wild herum.
– Er argumentiert richtig und macht keine Denkfehler.
– Er macht dir klar, wieso seine Überlegungen für dich wichtig sind.
– Seine Handschrift ist gut lesbar, die Bilder und Skizzen sind verständlich.
– Er hört beizeiten auf und startet „beim Landen“ nicht dreimal durch.
Du weißt als gestresster Zuhörer sicher noch mehr, was ein guter Redner kann, etwa
– ________________________________________________________
– ________________________________________________________
– ________________________________________________________
So. Nun befassen wir uns zwar mit dem, was ein guter Redner können und beachten muss, aber eigentlich möchte ich a u c h mit euch üben, wie man Überlegungen sortiert oder gliedert. Daraus ergibt sich die Bitte oder Aufgabe:
Suche zu den Sätzen über den guten Redner leitende Gesichtspunkte (Oberbegriffe),
formuliere sie möglichst in einem ganzen Satz und ordne die einzelnen Aussagen über den guten Redner (Liste oben) diesen Gesichtspunkten zu.
Da wir schon ´mal beim Thema sind: Wenn du möchtest, kannst du deinem geliebten Deutschlehrer in freundlicher Form sagen, was er beachten sollte, um den Kriterien eines guten Redners gerecht zu werden – noch besser gerecht zu werden, versteht sich: zweite Aufgabe.

G l i e d e r u n g 1
Man muss zunächst erfassen, über welche Frage oder welches Thema man zu schreiben hat, zum Beispiel: Worin besteht für einen jungen Menschen im Allgemeinen der Wert einer Freundschaft? Das Thema lautet also nicht: Worin besteht wahre Freundschaft? Oder: Gibt es …?
Danach kann man beginnen, seine Ideen zu sammeln, also einfach zu notieren, wie sie einem einfallen. Man muss überprüfen, ob wirklich alle Ideen zum Thema gehören (also: „Freundschaft kann schwierig sein.“ gehört nicht zur Bedeutung der Freundschaft!).
Ehe man nun zu schreiben beginnt, macht man sich einen Plan, wie man die Gedanken entwickeln will: Man muss seine Ideen ordnen (d.h. gliedern); gute Ideen beim Thema „Wert der Freundschaft“ bestehen zum Beispiel in den Unterscheidungen: innere / äußere Werte; Wert für einen / für beide Freunde. Meine Gliederung beruht auf einer anderen Idee.
Da ein Aufsatz eine Art Rede an einen prinzipiell unbekannten Leser ist, sollte dieses „Gespräch“ durch den Schreiber eröffnet und abgeschlossen werden; in Einleitung und Schluss gehören keine Gedanken des Hauptteils; die Problematik von Einleitung und Schluss wird gesondert besprochen werden.

Muster:
Untersuche die Frage, worin im Allgemeinen für einen jungen Menschen der Wert einer Freundschaft besteht.
A) Einleitung: Was ist eigentlich Freundschaft?
B) Hauptteil: Untersuche die Frage, worin im Allgemeinen für einen jungen Menschen der Wert einer Freundschaft besteht.
1. Eine Freundschaft dient der Geselligkeit.
– gemeinsam etwas unternehmen;
– einen zuverlässigen Spielkameraden haben;
– sich austauschen können.
2. Eine Freundschaft vermittelt Geborgenheit.
– Man wird vom Freund akzeptiert, geliebt;
– man kann ihm etwas anvertrauen.
3. Eine Freundschaft verhilft zur (Selbst)Erkenntnis.
– sich selbst im anderen kennen lernen;
– aus seinen Fehlern lernen;
– Konflikte offen austragen können (evtl. zu 2.?).
4. Eine Freundschaft bedeutet vielfältige Hilfe.
– direkte Hilfe in Notlagen erfahren;
– mehr Spaß am Leben haben;
– dadurch höhere Leistungen erbringen können.
C) Schluss: Man muss sich darum bemühen, dass die Freundschaft gelingt.

(Frage: Kann man die Reihenfolge 1.- 4. sinnvoll ändern?)
Ganz wichtig: In den (Haupt-)Sätzen des Hauptteils wird die Themenfrage differenziert beantwortet.

Gliederung 2.0 – ein Problem untersuchen
1. „Untersuche die Frage, wie die Technik im Haushalt hilft.“
Am Beispiel dieser Aufgabe wollen wir prüfen, nach welchen Gesichtspunkten man gesammelte Ideen ordnen kann; also hier z.B.
– nach den Räumen (in der Küche, im Bad, im Keller …);
– nach der Aufgabe (Heizung, Reinigung, Körperpflege …);
– nach der Notwendigkeit (nötig – praktisch – überflüssig; dieses
Beispiel zeigt auch, wie man Aspekte abstuft);
– nach der historischen Entwicklung (zuerst …, später …);
-> -> weitere Gesichtspunkte sind möglich (wirklich!).
Die Frage ist, welche Möglichkeit sowohl alle deine Ideen erfasst wie auch für die Entwicklung des Gedankengangs günstig ist und zum Thema passt; so ist der Aspekt „nach den Räumen“ zu vordergründig, „nach der Notwendigkeit“ nicht streng auf das Thema bezogen, „nach der historischen Entwicklung“ für euch zu schwierig.
Wichtig ist, dass man e i n e n leitenden Gesichtspunkt bei der Gliederung durchhält (und allenfalls eine kleine Restkategorie „Sonstiges“ neben mehreren anderen anführt).
Wenn nach den Gründen von etwas gefragt wird („Warum…?“), kann man natürlich nur Gründe suchen; aber auch diese müssen wieder nach verschiedenen Gesichtspunkten sortiert werden.
2. Wenn man wenige (zwei oder drei) Hauptgedanken im Hauptteil hat, kann man oft einen oder mehrere davon noch einmal untergliedern; es gibt meist zu den Oberbegriffen noch Unterbegriffe, denen man wiederum verschiedene Ideen zuordnen kann, zum Beispiel
(1.) Die Technik hilft bei der Körperpflege,
a) die Gesundheit zu erhalten (Zähne putzen, sich waschen…);
b) die Schönheit zu erhalten oder zu vergrößern (…).
Diese Gliederung ist leichter in Form eines Baumes anzulegen, also „von oben nach unten“ aufteilen und dann einmal um 90° drehen.
3. Man muss auch überlegen, in welcher Reihenfolge man die Hauptgedanken anordnet: Du solltest probeweise mehrere Möglichkeiten durchspielen.
4. Ihr werdet merken, dass man eine gute Gliederungsidee oder entsprechende Schemata auch dazu benutzen kann, Ideen zu finden; es gibt gar nicht viele Schemata, um Ideen zu organisieren.
5. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das verbindliche Muster bei der Formulierung der Gliederung beachtet werden muss:
– Einleitung und Schluss werden nur als Idee in einem kurzen Satz skizziert.
– Das Thema steht (in der Gliederung!) noch einmal über dem Hauptteil.
– Die Hauptgedanken des Hauptteils werden als Sätze formuliert,
die zugehörigen Ideen können als Stichworte notiert werden.

Gliederung 2.1 – allgemein
Man kann das Verhältnis von Begriffen und das Verhältnis von Sätzen untersuchen, wenn man Möglichkeiten der Gliederung sucht:
1. Verhältnis von Begriffen
a) Gleichheit (Fernsprecher – Telefon), gibt für uns nichts her;
b) Ober- und Unterbegriff: Blume
Sonnenblume – Rose usw. (wichtig für uns);
c) Teile – Ganzes: Keller, Wohnzimmer, Badezimmer … – Haus,
(wichtig für uns);
d) eine Sache – verschiedene Aspekte: Frankreich – sein Klima, seine Geschichte, seine Bevölkerung usw. (wichtig für uns);
e) Gegensatz: Liebe – Hass (wichtig für uns, daher präziser):
1) Konversität (semantische Umkehrung): geben – erhalten; das ist für uns unwichtig, aber die restlichen sind wichtig:
2) Komplementarität (vollständige Aufteilung): Inland – Ausland;
3) Antonymie (vgl. dagegen e 2): oben – unten; laut – leise;
Abstufung ist möglich, oft aber keine klare Abgrenzung: arm – bedürftig – wohlhabend – reich – steinreich; (hierhin gehören auch Verben, die den Beginn eines neuen Zustandes bezeichnen: produzieren – verbrauchen;)
4) fakultative Gegenworte: Sonne – Mond; römische – arabische Ziffern.
Vermutlich gehören hierhin auch die durch Verneinung entstehenden Unterscheidungen: von der Erzählerin genannte – nicht genannte (d.h. von mir vermutete) Gründe.
2. Verhältnis von Sätzen
Zwei miteinander verbundene Sätze können nach den gängigen grammatischen Verbindungen (Konjunktionen) in einem kausalen, einem temporalen oder einem modalen Verhältnis zueinander stehen. [Ich orientiere mich teilweise am Schülerduden Grammatik, 4. A., Nr. 348 ff. und Nr. 576 ff.]
Vereinfacht formuliert kann man die kausalen Verhältnisse als sachliche Verhältnisse und Handlungszusammenhänge begreifen: Gründe (und Bedingungen) – Geschehen – Folgen, wobei beim Geschehen jemand helfend oder hindernd eingreifen kann.
In einem temporalen Verhältnis werden zwei Ereignisse auf einer „Zeitachse“ ohne innere Verbindung einander zugeordnet.
Die im weiten Sinn modalen Aspekte erinnern an das Schema des Gesprächs und damit auch des wissenschaftlichen Denkens:
Problem – Versuche oder Argumente (Beweisführung) – Lösung;
Problem – Gründe und Einwände (evtl. Methoden) – Entscheidung;
Maßstäbe – Ereignis oder Handlungsmöglichkeiten – Bewertung.
Dass in Sätzen etwas aneinander gereiht, verglichen oder wechselseitig ausgeschlossen werden kann, ist nicht nur bei den drei genannten Verhältnissen zu berücksichtigen.

Gliederung 2.2 – Übung
Bei unseren Übungen zeigt sich, dass einige von euch überhaupt nicht verstanden haben, was eine Gliederung ist. Eine Gliederung ist der Plan, wie ich meinen Aufsatz schreiben will; in die Gliederung nehme ich nur auf, was ich selbst für richtig halte.
-> Achte bitte bei der Planung darauf, dass du bei den Hauptgedanken nicht dem Fehler verfällst, den gleichen Gedanken mit anderen Worten zu wiederholen.
-> Achte auch darauf, dass du die Hauptgedanken klar denkst; also nicht nur: „aus Angst lügen“ und dann unter „Angst“ alles Mögliche fassen, sondern klar denken: „aus Angst vor Strafe lügen“. Die Angst muss genauer bestimmt werden!
Beim Aufsatz schreibe ich so, wie ich es geplant habe:
1. Einleitung und Schluss bestehen etwa aus drei Sätzen, nicht nur aus einem einzigen.
2. Ich berücksichtige alle Aspekte wie geplant.
3. Ich erkläre jeden Aspekt anhand mindestens eines Beispiels.
4. Ich achte darauf, dass ich von einem Hauptgedanken zum nächsten überleite, ebenso von der Einleitung zum Hauptteil und von dessen Ende zum Schluss.
* Übe das alles anhand der folgenden Gliederung, falls du sie so akzeptieren kannst; sonst formuliere bitte eine neue!

Untersuche die Frage, warum man andere Menschen belügt.
A) Einleitung: Fast alle Menschen belügen andere.
B) Hauptteil: Untersuche die Frage, warum man andere Menschen belügt.
1. Man belügt andere aus Angst davor, bestraft zu werden.
2. Man belügt andere Menschen, um ein Geheimnis vor ihnen zu bewahren, was sie nichts angeht.
3. Man lügt, weil man sich selbst als besser darstellen will, als man in Wirklichkeit ist („angeben“).
4. Man belügt andere, um sie nicht zu verletzen.
5. Man sagt etwas gegen die eigene Überzeugung, weil man unter dem Druck einer Gruppe steht, welche „Außenseiter“ ausschließt.
6. Man verbreitet Lügen über jemand, um sein Ansehen herabzusetzen und ihm Schaden zuzufügen.
C) Schluss: Sollte man überhaupt nicht lügen?

Achte auch darauf,
1. wie sich diese Gliederung von den von euch vorgelegten Mustern unsterscheidet,
2. in welcher Reihenfolge die Hauptgedanken angeordnet sind: Fändest du eine andere Reihenfolge besser?

Gliederung 3: Einleitung; Überleitungen; Schluss
Der Aufsatz ist eine Art Rede an den nicht anwesenden Leser. Er muss zum Thema hingeführt werden: Den Aufsatz kann man einleiten
– durch eine Definition des Hauptbegriffs, also eine Abgrenzung (der Freundschaft von der Kameradschaft);
– dadurch dass man zeigt, wodurch die untersuchte Frage zustande kommt (Ausländer werden angegriffen, ihre Wohnungen werden angezündet. -> Thema: Welche Gründe für den Ausländerhass gibt es? Oder: Obwohl wir ehrlich sein wollen, gibt es keinen Menschen, der nicht lügt. -> Thema: Warum belügen Menschen einander?).
– Vermeidet bitte die hilflose Wendung „Immer wieder liest man in der Zeitung…“! Überlege zum Vergleich: Wie kann man Schüler für den Unterricht motivieren?
Das einzelne Argument soll so ausgestaltet sein, dass ein Fremder es versteht; ein Fall, ein Beispiel ist etwas, was man sich besser als eine allgemeine Aussage vorstellen kann! – Eine Reihe von Argumenten wird im Ergebnis zusammengefasst: Ein Freund kann also bei der schwierigen Aufgabe der Selbsterkenntnis helfen.
Die einzelnen Hauptgedanken müssen voneinander abgegrenzt (aber auch miteinander verbunden) werden. Grafisch macht man das deutlich, indem man Einleitung und Schluss sowie die Ausführung der einzelnen Hauptgedanken voneinander absetzt (= Absatz).   Sprachlich sollte man von einem Gedanken zum nächsten überleiten: Außerdem… Ebenfalls… Größere Bedeutung hat… Schließlich darf man auch nicht übersehen … Entscheidend jedoch ist… Ein Freund bereichert einen aber nicht nur geistig; er ist auch ein Spielgefährte, mit dem man seine Freizeit verbringt…
Das Gespräch, also den Aufsatz kann man abschließen
– im Sinn eines Ausblicks (Kann man Ausländerhass überwinden?);
– dadurch, dass man die Idee der Untersuchung einschränkt oder in eine andere Richtung lenkt (Freundschaft ist gefährdet./ Es gibt auch viel Engagement für Ausländer./ Gibt es heute noch richtige Freundschaften unter jungen Menschen?);
– durch eine persönliche Bemerkung oder eine Wertung;
– wenn alle Stricke reißen: durch eine Zusammenfassung;
– manchmal auch durch eine für die Einleitung verworfene Idee!
Eigentlich müsste man seinen Entwurf am nächsten Tag überarbeiten. Die Frage ist, ob man sein eigenes Werk so kritisch lesen kann, dass man merkt, was daran schwer zu verstehen ist.
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B: Etwas  e r k l ä r e n

Zumindest kursorisch sollte man zu Beginn dieser Unterrichtsreihe, die gut in die Klasse 8 passt, klären, was man unter „erklären“ im Unterschied zu „beschreiben“ oder „erzählen“ versteht. In der Umgangssprache werden die Wörter des Wortfelds „sprechen“ nicht sorgfältig unterschieden; diese umgangssprachliche Unschärfe zu beseitigen kostet viel Mühe und Arbeit. Dass man sprechend Verschiedenes tun, dass man sprachlich handeln kann, „wissen“ die Schüler eigentlich, aber sie können es nur mit Mühe artikulieren. Diese Unterrichtsreihe „Etwas erklären“ widmet sich gezielt der Aufklärung des sprachlichen Handelns.
Die elementare Unterscheidung geht davon aus, dass es zwei Arten von erklärbaren Veränderungen gibt: Menschen handeln, Vorgänge laufen ab. Menschen handeln auf Grund von Motiven und mit der Vorstellung von Zielen; Vorgänge laufen weithin regelhaft („gesetzmäßig“) ab. Diese Zusammenhänge von Motiv/Handlung/ Ziel bzw. von Ereignis/Regel aufzudecken, das heißt: sie erklären. Als eine dritte Größe behandle ich das von Menschen Gemachte: die Geräte und Institutionen; sie dienen einem Zweck, haben also eine Aufgabe, und um diese zu erfüllen, sind sie mit einer bestimmten Struktur versehen, die man in sich beschreiben und in ihrer Beziehung zu ihrem Zweck erklären kann. Erklären heißt: verborgene Zusammenhänge aufzeigen.
Eine besondere Aufgabe besteht darin, Wortbedeutungen zu erklären, wozu man verschiedene Arten des Definierens kennen muss.
Außerdem kann man erklären, welche Bedeutung etwas für uns hat; dann fragt man, wie wir etwas bewerten oder wie wichtig etwas ist/war. Dieser Akt ist selber keine Bewertung, sondern eine Erklärung.
Das ganze Feld der Wörter zur Beschreibung von Beziehungen (Zusammenhängen) ist hier durch eine Übersicht über die Nebensatzkonjunktionen und ihre Bedeutung abgedeckt; daneben gibt es andere Hauptsatzkonjunktionen und Präpositionen, außerdem weitere lexikalische Mittel (Nomina, Verben, Wortbildung), um solche Beziehungen auszudrücken. Am besten untersucht man das einmal systematisch am Beispiel der Kausalität; man kann sich dabei auf den Schülerduden Grammatik (4. Auflage, Nr. [581] ff.) stützen. Das eine Wort „Grund“ wird dann differenziert in die Ursache eines Geschehens, das Motiv eines Menschen (einer Handlung) und die Begründung einer Aussage.
Bei der Analyse von Erklärungen greife ich sowohl auf Schulbücher wie auf Artikel aus dem Schülerduden „Politik und Gesellschaft“ zurück (Artikel: Grundrechte, Markt usw.); die Schüler können selber Gegenstände und Institutionen, mit denen sie zu tun haben, erklären (Füllfederhalter, Ampel, Polizei usw.).
Ein bewährtes Medium der Analyse sind ausgewählte Artikel aus „Aktuelles Lexikon“ (täglich auf Seite 2 der Süddeutschen Zeitung).
In der Klassenarbeit (ein- oder zweistündig) kann man einen oder zwei solcher Artikel analysieren lassen, die Schüler selber etwas erklären lassen und in einer grammatischen Reflexion zum Beispiel erklären lassen, warum man bei einer Beschreibung nichts erklärt oder welcher Unterschied zwischen einem konditionalen und einem kausalen Verhältnis in der Sache (nicht nur verbal!) besteht.
Diese Unterrichtsreihe bietet viele Anlässe, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die andere Fächer unterrichten. In diesen Fächern können die Schüler Referate halten, fachspezifische Verfahren des Erklärens erlernen und einüben, wie man sich Informationen beschafft und bewertet. Dass man dabei auf das bei der „Gliederung“ Gelernte bewusst zurückgreifen muss, versteht sich.

Erklären als sprachliche Handlung
In der neuen Unterrichtsreihe wollen wir zusehen, wie andere Leute etwas erklären, wollen selber Vorgänge erklären und außerdem beschreiben lernen, wie das Erklären vonstatten geht.
Zuerst möchte ich verschiedene Arten des Sprechens (und Schreibens) bzw. des sprachlichen Handelns so genau unterscheiden, wie es eben geht:
1. erklären – berichten: Wenn ich etwas berichte, dann stelle ich sachlich und genau dar, in welcher Reihenfolge Ereignisse passiert sind (Unfallbericht). Wenn ich dagegen etwas erkläre, dann verknüpfe ich diese Ereignisse mit anderen Ereignissen. Tempus des Erklärens ist bei regelhaften Ereignissen das Präsens („Wind entsteht, wo Lüfte verschiedenen Drucks oder unterschiedlicher Temperaturen aufeinander treffen.“), bei einmaligen Ereignissen das Präteritum („Der Fahrer war von der tief stehenden Sonne geblendet und konnte deshalb den Fußgänger kaum sehen.“). Tempus des Berichtens ist das Präteritum. [Schilderungen in einer Reportage: im Präsens]
2. berichten – erzählen: Wenn ich etwas berichte, muss ich genau und vor allem rein sachlich sprechen; wenn ich erzähle, kann ich die Zuhörer dagegen etwas miterleben lassen; man unterscheidet also sachbezogene und erlebnisbezogene Darstellungen. – Tempus des literarischen Erzählens ist das Präteritum, in der Alltagssprache ist es das Perfekt.
3. erklären – beschreiben: Erklären kann man das, was geschieht oder geschehen ist, indem man es in eine Verbindung mit anderen Ereignissen oder Größen bringt. Beschreiben kann man das, was man irgendwie wahrnimmt. Man beschreibt etwas, damit der Hörer es sich vorstellen kann; man erklärt etwas, damit er es versteht. – Tempus des Beschreibens kann sowohl Präsens wie Präteritum sein: „Links neben der Erle schlängelt (schlängelte) sich ein Bach durch die Wiese…“
Dann gibt es noch zwei weitere jetzt wichtige sprachliche Handlungen: bewerten und fordern. Wenn ich etwas bewerte, dann gebrauche ich Wörter wie „gut“ (vs. schlecht), „schnell“ (vs. langsam), „hart“ (vs. weich) oder den Komparativ (besser, schneller, härter) oder entsprechende sprachliche Formen. Mit „gut“ bewerte ich immer, mit „hart“ nur dann, wenn allgemein bekannt ist, ob man etwas gern hart oder weich hat (Stahl, ein gekochtes Ei, einen Lehrer usw.). Mit dem Bezug auf eine bekannte oder gedachte Norm werden also auch einfache Adjektive zum Bewerten gebraucht.
Was „fordern“ bedeutet, ist nicht schwer zu verstehen: Man fordert, dass etwas getan werden soll; man fordert andere auf, etwas zu tun. Fordern kann man etwas nur von anderen; man kann sich aber vornehmen, selbst etwas zu tun. „fordern“ ist strenger oder härter als „bitten“: Wer fordert, beansprucht damit auch, dass er ein Recht hat, das Geforderte zu fordern; wer dagegen bittet, hat dieses Recht nicht oder erwähnt es zumindest nicht und geht damit etwas „weicher“ vor.
Es kommt von jetzt an darauf an, dass du die sechs genannten Verben ganz exakt gebrauchst! – Wir werden jetzt so vorgehen, dass wir untersuchen,
a) in welche Zusammenhänge man Ereignisse stellen kann, wenn man sie erklärt,
b) welche sprachlichen Mittel dabei gebraucht werden. Die sprachlichen Mittel können wir aber nicht vollständig auflisten – es wird eben vorausgesetzt, dass du im Prinzip die deutsche Sprache beherrschst.

erklären

Analyse der Erklärung von „Crash-Test“ (SZ, Muster)

In diesem Beitrag wird zunächst erklärt, zu welchem Zweck Crash-Tests vorgenommen werden: um bei einem Autounfall die Insassen möglichst gut schützen zu können (Z. 1-7). Danach wird beschrieben, wie solche Tests ablaufen bzw. variiert werden (Z. 8-16). Gleichzeitig wird der Begriff Dummies (Testpuppen) eingeführt (Z. 9 f.).
Im Folgenden geht es um diese Dummies. Zunächst werden die Testpuppen kurz beschrieben (Z. 16-19); dann wird berichtet, dass bei Crash-Tests auch Leichen verwendet werden bzw. dass die-se Tatsache den Fachleuten bekannt war (Z. 19-23). [Hier klingt der aktuelle Anlass des Artikels aus dem „Aktuellen Lexikon“ der SZ an, wenn er für euch auch kaum zu erkennen ist: Als in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass Leichen bei den Tests verwendet werden, gab es große Aufregung.] Danach wird berichtet, dass diese Verwendung von Leichen in Fachkreisen unterschiedlich bewertet wird (Z. 23-32); strittig ist die Frage, ob die Erkenntnisse aus den Tests mit Dummies ausreichen.
Zum Schluss wird über den rechtlichen Status von Crash-Tests in verschiedenen Ländern berichtet (Z. 32 ff.): In den USA sind sie vorgeschrieben, in Deutschland (noch) nicht.

Ein Überblick über den Aufbau, der am Anfang stehen könnte, stellt eine zusätzliche Leistung dar:
„Der Artikel besteht aus drei Teilen: Erklärung von Crash-Tests; ein Bericht über den Einsatz von Leichen und den Streit darum; zum Schluss ein Bericht über den rechtlichen Status der Tests.“

Erklären 1: Ereignisse – Vorgänge – Geräte/Institutionen

1. Ein Ereignis ist ein einmaliger Vorgang, in dem sich etwas oder jemand verändert; man kann es erklären, indem man zeigt, wie es aufgrund vorhergehender Ereignisse eingetreten ist. Wenn Menschen handeln, muss man auch ihre Absichten (Motive) oder Ziele kennen. – Oft werden Ereignisse „nur“ berichtet.
2. Einen Vorgang begreifen wir als etwas, das regelhaft oder gesetz-mäßig geschieht; man kann ihn erklären, indem man ihn insgesamt oder in seinen Teilen auf zugrunde liegende Elemente, Bedingungen und Regeln zurückführt. – Beispiel: wie das Wetter „entsteht“; wie man ein Dreieck konstruiert.
3. Geräte und Institutionen sind von Menschen zu einem bestimmten Zweck hergestellt worden. Man begreift sie, wenn man ihren Zweck, ihren Aufbau (Struktur) und ihre Arbeitsweise kennt; man muss auch wissen, wie man damit umgeht. – Beispiele: das Lexikon; die Polizei; der Füllfederhalter.
4. Wie man erklärt, welche Bedeutung etwas hat, werden wir unten (AB Erklären 3) untersuchen.
5. Ein Grundproblem jeder Erklärung besteht in der Frage: Was darf ich als bekannt voraussetzen? Das ist für konkrete Zuhörer oder Leser natürlich nicht allgemein zu beantworten. Man sollte von der Grenze des Verstandenen ausgehen und dann (mit bekannten Begriffen) auf die Frage antworten.
Eine Beschreibung ist nötig, um sich ein Ereignis oder einen Vorgang ganz genau vorstellen zu können. Dabei helfen auch Vergleiche und Gegenüberstellungen; beim Vergleichen bezieht man sich auf Ähnliches, bei der Gegenüberstellung auf „das Gegenteil“. Man muss darauf achten, dass man die richtigen Fachbegriffe verwendet, sie notfalls einführt (-> AB Erklären 2).
Wie man etwas erklärt, hängt also davon ab, was man erklärt und wem man es erklärt; Ereignisse müssen anders als Vorgänge, diese wieder anders als Geräte oder Institutionen erklärt werden. Vielleicht wird klarer, was „erklären“ ist, wenn man versteht, auf welche Fragen beim Erklären geantwortet wird.
Man kann ein Schema von Fragen entwerfen, die sich an den drei Leitfragen orientieren: Warum? Wie? Wozu (bzw. mit welchen Folgen)? (Man kann alle Fragen sowohl im Präsens wie Präteritum, also für Gegenwärtiges wie für Vergangenes stellen!)

Erklären 2 (Erklärung der Wortbedeutung)
1. Im Wörterbuch wird durch ein anderes Wort oder eine Wendung umschrieben, was dieses Wort bedeutet. Hitparade: Sendung der beliebtesten Lieder. Die Bedeutung versteht man normalerweise aus der Art, wie das Wort verwendet wird:
(1) Oma, darf ich die Hitparade gucken?
(2) Hoffentlich kommt mein Lieblingslied bald in die Hitparade!
Man kann auch berichten, woher ein Fremdwort kommt („aus dem Lateinischen“) oder von welchem Wort ein deutsches Wort abstammt.
2. In einer Definition wird die Bedeutung eines Begriffs meistens so festgelegt, dass er einem Oberbegriff zugeordnet und dann das besondere Merkmal des betreffenden Gegenstandes angegeben wird (in Abgrenzung von anderen Gegenständen des gleichen Bereichs).
Ein schönes Beispiel ist die Definition des Hebels: Das ist eine Stange (Oberbegriff), die man um eine Auflagenkante drehen kann (besondere Eigenschaft); das klassische Beispiel ist diese Definition: Der Mensch ist ein Tier, das Vernunft besitzt.
Oft gibt es mehr als einen Oberbegriff (Sachbereich), dem man ein Wort zuordnen kann; man kann zum Beispiel Polo als ein Ballspiel, als Mannschaftsspiel und auch als Pferdesport betrachten; das Lesebuch kann als Buch oder Schulbuch bezeichnet werden.
Als Regel gilt: Greife auf den nächstliegenden Oberbegriff zu-rück! Also: Mensch -> Tier; falsch (oder schlecht) wäre Mensch -> Lebewesen, noch schlechter: Mensch -> Ding.
3. Eine definitorische Unterteilung kann vorgenommen werden, wenn das Erklärungsbedürftige selber eher ein Oberbegriff mehrerer Dinge oder Begriffe ist (vgl. „Grundrechte“: die Rechte, die allen Menschen zuerkannt werden – die besonderen Rechte der Staatsbürger).
Eine Unterteilung – logisch das Pendant zur Zuordnung – ist etwas anderes als eine Angabe von Bestandteilen (Elementen); Elemente sind Teile, aus denen etwas hergestellt wird (der Pudding aus Eiern, Milch, Mehl…; die Bauelemente einer Brücke).
4. Man kann auch durch eine Aufzählung von Exemplaren etwas definieren: Gewürze sind Zimt, Nelken, Ingwer und so weiter.
5. Was selten vorkomment oder einmalig ist (der Pirol, das Treptower Ehrenmal), muss beschrieben werden, damit man es sich vorstellen kann. [Bei wissenschaftlichen Untersuchungen beschreibt man, wie man vorgeht, um das eigene Tun kontrollieren zu können.]
6. Auch anhand eines Beispiels wird etwas anschaulich. So besagt die reine Wortbedeutung „Rückentwicklung“ wenig; erst Beispiele erklären wirklich, was Regression ist. Allgemein ist zu sagen: Wenn von eher abstrakten Dingen die Rede ist, tragen Beispiele in gewisser Weise die fehlende Erfahrung nach („Grundrechte“).
7. Man sollte überlegen, in welcher Reihenfolge man Erklärungstechniken anwendet. An den Anfang setzt man am besten eine Definition, eine Aufteilung und/oder die Angabe des Zwecks.

Erklären 3 (Sprachliche Aspekte des Erklärens)
Beschreiben heißt (vereinfacht): Gegebenes darstellen; erklären heißt: (verborgene) Zusammenhänge aufzeigen. Wenn man das Schema der Erklärungstechniken (Blatt 1) so formuliert, dass die unterschiedlichen Zusammenhänge benannt werden, dann ergibt sich:

(Blick auf Vorausgehendes:)
Ursache eines Aufbau,
Motiv eines Handelnden,
Begründung einer Aussage:
kausales oder konditionales Verhältnis

(Blick auf ein Jetzt oder auf Vorhandenes:)
Elemente und Strukturen eines Geschehens,
Zusammenhänge,
Art und Weise:
modales Verhältnis

(Blick auf Folgendes:)
Folge einer Handlung o.ä.,
Ziel/Zweck einer Handlung o.ä.:
konsekutives oder finales Verhältnis

Wie diese Verhältnisse sprachlich artikuliert werden (in Adverbialen, in Gliedsätzen, in Hauptsätzen, in anderen Wendungen – dazu passende Präpositionen und Konjunktionen), ist eine eigene Untersuchung wert. Das Sprachsystem ist logisch nicht eindeutig.
Eine Gebrauchsanweisung ist im strengen Sinn keine Erklärung, sondern eine Beschreibung dessen, was man in welcher Reihenfolge zu tun hat; beschreiben heißt: Ereignisse in ihrer zeitlichen Abfolge oder ihrer räumlichen Anordnung geordnet und anschaulich darstellen.
Ein Handlungsmotiv kann auch in einer Erzählung erklärt werden (die Erzählung Souhals: „Der Tod meines Freundes war der Wendepunkt…“).
Die Bedeutung von etwas erklären – das ist ein Erklären, das ans Bewerten angrenzt. Normalerweise geschieht es mit Hilfe des Gleichsetzungsnominativs:
(1) Benno ist ein guter Freund der Familie.
(2) Der Tod meines Freundes war der Wendepunkt…
Etwas hat Bedeutung,
* wenn es aus dem Normalen hervorragt,
* wenn es für das Folgende oder das größere Ganze wichtig ist,
* wenn es gegenüber dem Üblichen neu ist,
* vielleicht auch: wenn es vom Erwarteten abweicht.
Die sprachliche Eigenart des Definierens:
Definieren, aus dem Lateinischen entlehnt, heißt: abgrenzen (von Wörtern). Dies geschieht durch Unterscheiden und Zuordnen. Was man mit anderem vergleicht, ist bereits bekannt, aber seine Merkmale werden jetzt genauer bestimmt. Das eigentliche Erklären vermittelt dagegen eine Einsicht in unbekannte Sachzusammenhänge.
Formen geistigen Handelns: Vergleichen, Unterscheiden, Zusammenfassen; Folgern; Begründen; Verallgemeinern; Ordnen (Gliedern). Gibt es weitere Formen?
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C: Etwas  b e w e r t e n

Beim Bewerten sieht man schnell, dass viele verschiedene Dimensionen oder Gebiete der sprachanalytischen Systematik berührt werden: die Grammatik, insofern man fragen kann, wie Bewerten sprachlich „gemacht“ wird; außerdem werden Rhetorik und Semantik und sogar die philosophische oder sozialpsychologische Theorie des Handelns gestreift.
Am einfachsten ist es, wenn man von „normalen“ Beispielen analytisch ausgeht, wie sie hier im AB „Bewertungen – Beispiele“ vorgestellt werden. Diese Beispiele sind mit den Kategorien des nächsten AB (Bewertung: Kriterien und Methoden) erfassbar.
Dabei habe ich mich im weiteren Sinn an den Kategorien des Erklärens orientiert; allerdings ist es eigentlich sinnlos, reine Vorgänge zu bewerten – bewertet wird nur, was man irgendwie beeinflussen kann, was geändert werden kann oder sich ändern kann (Geräte usw.; Menschen); hinzu kommen dann noch (Rechts-)Ansprüche, die nach praktischen oder rechtlichen Regeln bewertet werden können.
Dass Bewerten stark „subjektiv“ ist, also an die eigene Perspektive gebunden ist, weiß jeder Schüler; deshalb erscheint es mir wichtig, die Perspektivität auch des eigenen Wertens bewusst zu machen. Dem sollen die der Perspektive gewidmeten AB dienen.
Gleichwohl ist es nicht so, als ob alles Bewerten bloß subjektiv-willkürlich erfolgte. Die Kriterien des Bewertens – man findet wenig für die Schule brauchbare Hinweise dazu – sind an einem Handlungsmodell orientiert, das ein zielorientiertes Handeln vorausssetzt und mit der Möglichkeit von Erfolg/Misserfolg rechnet; das ferner die Unterscheidung von Zielen (Zwecken) und Mitteln voraussetzt und die Möglichkeit, Mittel zu prüfen; das damit voraussetzt, den Begriff der Eignung (der Mittel) und der Kosten (der Mittel und der Folgen, diese wieder unterschieden nach beabsichtigten und unbeabsichtigten Nebenfolgen, sowie nach Kosten für mich / für andere) zu denken. Menschen werden moralisch nach Maßstäben der Menschlichkeit beurteilt, Erwartungen nach Maßstäben des Rechts, des gesunden Menschenverstandes, auch der Gewohnheit. – Ich nehme an, dass man an der Analyse der Wertmapstäbe noch lange weiterarbeiten kann.
Beim Bewerten kann man im Unterricht sowohl analytisch wie produktiv arbeiten.
Zu den produktiven Aufgaben gehört es, nach dem Vorbild der Perspektive-Übungen eine literarische Figur anders (gegensätzlich) zu bewerten, also die Perspektive des Erzählers zu verändern; das geht leicht bei ausgesprochen einseitigen Wertungen, also bei stark sympathischer oder ablehnender Figurenzeichnung (der Westmann bei Karl May usw.; triviale Kriegsliteratur). Auch eine Satire zu schreiben macht den Schülern Freude, wenn man es eingeübt hat; ich lasse gern in Klasse 9 Satiren schreiben, aber erst nach längerer Vorbereitung in einer eigenen Unterrichtsreihe – sachlich gehört das aber in den Umkreis des Wertens.
Die mir bekannten spezifisch sprachlich-grammatischen Mittel des Auf- und Abwertens sind auf einem Arbeitsblatt festgehalten.

Bewertungen – Beispiele
(1) „Ihr dürft diesem Mann nichts tun; denn wer Kriegsgefangene foltert, ist ein Mörder.“ [Das ist eine Forderung, keine Bewertung!]
(2) Die Stahltüren in den Gängen unserer Schule sind viel zu eng und zu schwer beweglich; wenn die Schule wirklich einmal schnell geräumt werden müsste, gäbe es ein Chaos, weil die Schülermassen nicht durch die Türen gelangen könnten.
(3) Die Stahltüren unserer Schule sind solide angefertigt; anders als einfache Holz- oder Glastüren sind sie nämlich einbruchssicher und auch feuerfest.
(4) Mopeds und ähnliche Fahrzeuge gehören verboten; da der Motor sehr klein ist, erzeugt er viel Lärm bei Höchstleistung und außerdem einen schlimmen Gestank.
(5) Mopeds sind ganz brauchbare Fahrzeuge, weil sie es Jugendlichen ermöglichen, sich auf langsamen Kraftfahrzeugen an den Straßen-verkehr zu gewöhnen.
(6) Mit einem Zweirad zu fahren ist sehr riskant, weil diese Fahrzeuge häufig in Unfälle verwickelt sind und ihre Fahrer dabei relativ stark verletzt werden.
(7) Manche Lehrer sind etwas seltsam; sie fordern die Schüler auf, eigene Ideen in den Unterricht zu bringen, blocken solche aber normalerweise mit dem Hinweis ab, man müsse nun wirklich für die nächste Klassenarbeit üben.
(8) Das Verhalten der meisten Schüler ist rätselhaft, wenn es um Lärmen geht; denn wenn sie selber eine Klassenarbeit schreiben, fühlen sie sich von ihren Mitschülern gestört. Kaum sind sie aber fertig, fangen sie an an, ohne Rücksicht auf die anderen zu reden und zu lärmen.
Aufgabenstellung:
1. Prüfe, ob du der Bewertung zustimmst!
2. Erkläre möglichst genau, was in diesen Beispielen nach welchen Kriterien bewertet wird!
Beispiel:
In (3) ist das Kriterium, wie sicher die Schultüren absperren.
Ein Dach kann man z.B. danach bewerten, wie dicht es ist; einen Computer danach, wie sicher und schnell er ist; einen Stuhl danach, wie bequem man darauf sitzt… – du siehst, hier wird alles danach bewertet, wie gut es seinen Zweck erfüllt. Diese Frage ist eine allgemeine M e t h o d e der Bewertung.

B e w e r t u n g : Kriterien und Methoden
1. Man kann etwas (Geräte, Institutionen, Handlungen) im Hinblick darauf bewerten (beurteilen), wie gut es seinen Zweck erfüllt:
1.1 seine eigene Eignung:
eine gute Tür (schließt dicht),
eine gute Schule (bildet solide aus),
ein guter Schlag (Nagel glatt ins Holz getrieben);
1.2 seine Eignung im Vergleich zu anderen gleichartigen Dingen:
eine bessere Tür (schließt besser als eine andere) usw.;
1.3 die Leistung, d.h. die Gesamtkosten:
1.3.1 den Preis bezogen auf Qualität oder Menge berücksichtigen:
doppelte Menge Reis, aber Preis nur 40 % höher, also billiger;
1.3.2 die Nebenwirkungen berücksichtigen, die zusätzlich zu dem erwünschten Zweck eintreten:
Mopeds brauchen wenig Benzin, machen aber viel Lärm und Gestank.
2. Menschen beurteilt man auch danach, wie „menschlich“, also menschengemäß sie handeln; dazu zieht man ihre Motive und die Umsicht ihres Handelns, aber auch dessen voraussehbares Ergebnis heran:
2.1 Wer einem Verletzten hilft und dabei dessen Jacke verschmutzt, handelt im Wesentlichen gut (Absicht gegenüber dem Erfolg).
2.2 Wer seine Arbeit sauber erledigt, verdient Anerkennung.
2.3 Wer Rheinwasser trinkt, handelt äußerst leichtsinnig.
2.4 Auch die näheren Umstände einer Handlung muss man beachten.
3. Erwartungen und Ansprüche bewertet (prüft) man auf ihr Recht [hier geht es um Forderungen und Anforderungen und ihre Berechtigung – nicht um Bewertung! Mai 2009]:
3.1 Was auf Tradition beruht, gilt zunächst als berechtigt:
Der Lehrer kann erwarten, dass ein Schüler ihn grüßt.
3.2 Was auf Gegenseitigkeit beruht, gilt als zumutbar:
Wenn ich dir in Mathe helfe, darf ich erwarten…
3.3 Tun, was gegen die Menschenwürde verstößt, ist unzumutbar:
jemand in einem Käfig öffentlich dem Spott aussetzen.
3.4 Mit anerkannten allgemeinsten Normen wird gern argumentiert („Du sollst nicht morden!“), doch ist dies im Einzelfall oft problematisch.
3.5 Was aus einer Abmachung (Vertrag) oder gesetzlichen Rechten folgt, gilt als berechtigt. (Eigentumsanspruch aus Kaufvertrag)
3.6 Wer überlegene Erkenntnis (Autorität) besitzt (Arzt) oder als legitime Instanz anordnet (Richter), darf auf Gehör rechnen.
3.7 Wenn eine Forderung zu beachten der Allgemeinheit oder dem, der sie erfüllt, nützt, gilt sie als berechtigt: Lerne zeitig, damit du für die Klausur vorbereitet bist!
3.8 Wenn sie bloß auf Macht beruht, einen inneren Widerspruch enthält oder vom Fordernden selbst nicht beachtet wird (Vater, der raucht, aber seiner Tochter das Rauchen verbietet), gilt sie eher als unberechtigt.
4. Es gibt viele andere Kriterien der Bewertung: Was einem gefällt, was einem wichtig ist, worauf man Lust hat… Das sind in der Regel subjektive Kriterien, die man nicht verallgemeinern kann – oder doch (was ist „natürlich“?)?
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D: E r ö r t e r n 1 : Jemanden umstimmen
„Jemanden umstimmen können“ ist eine Fähigkeit, die man als Subjekt beherrschen und deren Stragien man kennen sollte. Salopper könnte man auch von „beschwatzen“ oder, etwas seriöser, von „überzeugen“ sprechen. Soll in der Schule derart unrational operierendes sprachliches Handeln eingeübt werden?
Der erste, praktische Grund, warum jemanden umzustimmen geübt werden soll, ist dieser: Die Schüler sollen vor Überredungskünstlern geschützt werden. Der zweite, theoretische Grund erwächst aus der Einsicht, dass das Leben und vor allem die Zeit fürs Argumentieren begrenzt ist und dass man praktisch ziemlich schnell auf Prämissen zurückgreift, die einem selber einleuchten, anderen jedoch fragwürdig sind. An der unbegrenzten Möglichkeit des rationalen Diskurses hatte Hans Blumenberg bereits 1971 geweifelt („Anthropologische Annäherung an die Rhetorik“. In: Wirklichkeiten, in denen wir leben. RUB 7715, 1981). Und Michael Landmann hat 1976 „Anklage gegen die Vernunft“ (Edition Alpha. Ernst Klett Verlag) erhoben. Was in den Aufsätzen Blumenbergs und Landmanns theoretisch entfaltet wird, kann man praktisch erleben; man muss nicht erst mit „Fundamentalisten“ diskutieren, sondern braucht sich nur an einem Gespräch (etwa in http://www.philtalk.de) zu beteiligen – die elementarsten Prämissen des Sprechens und Denkens gelten, vorsichtig formuliert, nicht für alle gleichermaßen. Die Sophisten hatten nicht nur Unrecht, obwohl wir das unter der zweitausendjährigen Dominanz Platons gelernt haben.
Die Unterrichtsreihe „Jemand umstimmen“ gibt es bei mir, wenn ich viel Zeit habe, d.h. wenn ich bereits in Klasse 8 mit der „Gliederung“ anfangen und das Erklären folgen lassen kann, in Klasse 9 dann das Bewerten eingeübt habe und auch eine Satire habe schreiben lassen; dann nehme ich mir oft in Klasse 10 die Zeit für die im Wesentlichen produktive Arbeit: jemand umstimmen. Dieser Jemand ist uns in einem Text präsent, in dem er darlegt, wie er vor einer Entscheidung steht, eine bestimmte Entscheidung einfordert oder sich für etwas entschieden hat.
Die produktive Arbeit beruht auf einer kurzen argumentativen Analyse der Position des Autors, deren Ergebnis schriftlich festgehalten werden sollte:
Welche Auffassung vertritt der Autor?
Welche Gründe führt er dafür an?
Welche Einwände berücksichtigt er?
Ist er irgendwo unsicher, äußert er Zweifel?
Die letzte Frage leitet zu den strategischen Überlegungen des Umstimmens über:
Bei welchen Zweifeln kann ich (diese verstärkend) ansetzen?
Welche Gegengründe hat er nicht berücksichtigt?
Wie kann ich seine Wertvorstellungen für mich nutzen, Gemeinsamkeit betonen?
Welche Bedenken müssen heruntergespielt, welche hochgehalten werden?
Die folgenden AB unter der Nummer „Erörtern 1“ zeigen einmal rhetorische Aspekte und außerdem das Modell des menschlichen Handelns, das auch dem Bewerten und der sachlichen Erörterung zu Grunde liegt. Normalerweise wird man die Regeln und Möglichkeiten des Erklärens und Bewertens wiederholen müssen, wenn man diese Unterrichtsreihe(n) in Kl. 10 durchführt.

Erörtern 1.1 – jemand für eine Entscheidung gewinnen
Gert Ueding: Rhetorik des Schreibens. Ein Einführung. Königstein 1985, bietet viele Anregungen dafür, wie man jemand für etwas gewinnen kann.
Es geht darum, in Alternativen zu denken: Wie kann ich jemandem
* etwas schmackhaft machen? * etwas madig machen?
* etwas vorschlagen? * von etwas abraten?
* Neigungen verstärken? * Abneigung hervorrufen?
* Bedenken zerstreuen? * Einwände machen?
Zunächst musst du darauf achten, dass du die Aufmerksamkeit deines Gesprächspartners gewinnst; dann geht es darum, ihn nicht vor den Kopf zu stoßen. Du solltest auch darauf achten, bestimmte rhetorische Figuren zu verwenden, damit deine Äußerungen besser wirken:
– die Wiederholung (etwas eindringlich sagen);´
– das Beispiel (anschaulich und glaubhaft, da real vorhanden);
– der Vergleich (eine Verbindung herstellen zu etwas anderem);
– die Metapher (etwas bildhaft ausdrücken, wie beim Vergleich);
– die Allegorie (Metaphern und Vergleiche entfalten und so ein plausibles Gesamtbild herstellen);
– die Steigerung bzw. die Abschwächung von Kontrasten (an den Maßstäben arbeiten);
– die Vergrößerung – die Verkleinerung der Betrachtungsweise (wo man selber stark ist, walzt man das aus; wo man schwach ist, hält man sich eher zurück);
– die Autorität von Zitat oder Sprichwort (gibt einem eindrucksvoll Recht);
– die Evidenz (Wer kann schon gegen das, was sonnenklar auf der Hand liegt, Einwände erheben?);
– die rhetorische Frage (wodurch man sich des Einverständnisses, der Gemeinschaft mit dem Adressaten versichert);
– den Einschluss des Adressaten („wir alle“);
– die Ironie (eine starke Waffe).
Schau dir noch einmal das alte AB „Aufwerten / abwerten – sprachliche Mittel“ an!
Wenn du selber noch weiterforschen willst, kannst du die Artikel „Rhetorik“ und „rhetorische Mittel/Figuren“ im Schülerduden „Die Literatur“ oder in literaturwissenschaftlichen Wörterbüchern nachschlagen: eine Übung für die Sek. II und das Studium!

Erörtern 1.2 – jemand für eine Entscheidung gewinnen
Schema:
Etwas tun, also handeln, heißt:

Mittel einsetzen       –>                           um Ziele zu erreichen / werden oft nicht erreicht

Helfer finden            –>                           um etwas bewirken / ist oft nicht das Geplante.

Wenn ich jemand für eine Entscheidung gewinnen will, kann ich
1. seine Ziele (auch Motive) ins Auge fassen:
Sind sie für ihn wirklich erstrebenswert?
Sind das überhaupt seine Ziele? Macht er sich etwas vor?
Sind meine Ziele besser, erstrebenswerter für ihn (für uns)?
2. die Folgen des Handelns bedenken:
Wird das erstrebte Ziel tatsächlich erreicht werden?
Welche weiteren (nicht bedachten Neben-)Folgen werden eintreten?
Werden andere davon profitieren, ohne etwas dafür zu leisten?
3. die Mittel des Handelns (d.h. die möglichen Wege zum Ziel) prüfen:
Sind die Mittel geeignet, das Ziel herbeizuführen?
Gibt es andere Mittel, die einfacher zu handhaben, „billiger“ zu beschaffen sind oder keine Nebenwirkungen haben; Mittel, die sicherer zum Ziel führen?
4. die Helfer überprüfen:
Hat man die nötigen und die richtigen Helfer?
Welche Zugeständnisse muss man den Helfern machen (-> Kosten)?
Dies sind Gesichtspunkte, die man bedenken kann oder sollte, wenn man jemand für eine Entscheidung gewinnen will.

Die Frage ist dann, w i e  man es ihm sagen soll, um ihn zu gewinnen.
Die erste Regel dafür ist, dass man verständlich (klar) spricht:
– etwas einfach, übersichtlich und anschaulich erklären (Beispiele!);
– etwas klar, entschieden bewerten.
Die zweite Regel lautet, dass man verbindlich spricht:
– den andern gelten lassen, ihn anerkennen;
– Gemeinsamkeiten herausstellen;
– verbindlich statt verletzend sprechen.
Die dritte Regel dafür ist, dass man interessant spricht:
– etwas lebendig (spritzig, nicht langweilig) vortragen.

Wie macht man das alles zugleich? Mit dieser Frage haben sich die Menschen seit der Antike beschäftigt (Stichwort „Rhetorik“: Kunst des Redens und Überzeugens). Bei ruhiger Betrachtung wird man sicher dem zustimmen können, dass man Menschen für eigene Überzeugungen und Ziele zu gewinnen suchen darf, dass man „unmündige“ Menschen aber nicht einfach beschwatzen sollte.
Was wir im Unterricht tun sollten, ist: die eigene Fähigkeit, andere zu überzeugen, üben; das fremde Bemühen, uns zu überzeugen, begreifen.
Was wir hier nicht tun können, ist: den Charakter so formen, dass man mit den erlernten Fähigkeiten andere nicht ausnutzt.

Hier soll auch das neue NRW-Format der Erörterung genannt werden, das nach dem gleichen Strickmuster angelegt ist und eigentlich heißen müsste: Vorschläge durchsetzen. (20.05.09)
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E r ö r t e r n 2 : Vorschläge erörtern

Ich verzichte seit einigen Jahren auf eine Pro-und-Contra-Diskussion eines freien Themas („Erörtere die Frage, was dafür und dagegen spricht, Haustiere in einer Etagenwohnung zu halten.“ oder „Erörtere die Frage, ob es gerechte Kriege geben kann.“); diese Art der Erörterung ist mir schon vor vierzig Jahren als nicht ehrlich erschienen, weil wir oft politische oder kulturelle Themen vorgesetzt bekamen, bei denen wir sachlich nicht kompetent waren. Heute ziehe ich es vor, mich mit einer Position auseinanderzusetzen, die „von einem normalen Menschen“ vertreten wird oder worden ist.
Hier muss zunächst theoretisch geprüft werden, wie der Autor argumentiert, und dabei müssen Schemata des Argumentierens erkannt werden. Ich verzichte also auf eine den ganzen Gedankengang sukzessive beschreibende Textanalyse und begnüge mich mit einer den Kern der Argumentation erfassenden Analyse. Ich orientiere mich hierbei an dem Schema, das St. Toulmin entwickelt hat und das man in der linguistischen Literatur (Wunderlich, Dieter: Grundlagen der Linguistik. Rowohlt 1974, S. 70 ff.) ebenso wie in Schulbüchern findet (Wernicke, Uta: Sprachgestalten. Bd. 1. Handwerk und Technik 1983, S. 136 ff., speziell S. 147), vgl. http://www.teachsam.de/deutsch/d_rhetorik/argu/arg_mod_toul_6htm.
Der Begriff „Argument“ ist zweideutig; manchmal bezeichnet er eine geschlossene Argumentation, manchmal der beiden Vordersätze vor der Schlussfolgerung. Von Toulmin kann man lernen, dass eine Tatsachen-Aussage mit einer Regel verbunden werden muss, damit eine gültige Schlussfolgerung zustande kommt; ebenso lernt man, dass es für die Tatsachenaussage und die Regel weitere stützende Aussagen geben kann. Wenn man dann noch sieht, dass es Einwände gibt, die ebenfalls wieder gestützt werden können, hat man das theoretische Vokabular zusammen, um eine normale Argumentation darstellen zu können. – Manchmal wird die Regel auch durch einen Schluss a minore ad maius oder durch eine Analogie ersetzt.
Den Zusammenhang der drei Sätze Prämisse 1, Prämisse 2 und Folgerung kann man am besten so begreifen: Es wird versucht, aus zwei unstrittigen Aussagen (P1 und P2) eine dritte, bislang strittige Aussage (F) logisch herzuleiten. Wenn die Sätze P1 und P2 nicht ganz unstrittig sind, versucht man sie durch Zusätze (Z) zu erhärten. [Mit den Bezeichnungen P1, P2 und F weiche ich von Toulmins Nummerierung ab; eine Zuordnung sähe so aus: Toulmin/Tholen: Es gilt (1=P1), deshalb gilt (2=F) wegen (3=P2).
Die Prüfung der Argumentation erfolgt in drei Schritten oder Fragen: 1. Stimmt der erste Satz? 2. Stimmt der zweite Satz? 3. Ist die Schlussfolgerung logisch sauber? Das Ergebnis kann dann lauten, dass die Argumentation richtig ist; dass sie teilweise oder in Grenzen richtig ist; dass sie falsch ist; dass die Argumentation als solche zwar falsch ist, aber die Schlussfolgerung anders und besser begründet werden kann. – Die Schüler sollen also lernen, über gegebene Positionen hinaus zu denken und auch die heuristischen Möglichkeiten oder Anregungen bestimmter Schemata (wie bei der Gliederung) zu erkennen und selber zu nutzen.
Damit, dass Vorschläge erörtert werden, kann der Unterricht etwas zur politischen Erziehung der Schüler beitragen, aber auch die Prüfung theoretischer Argumente in der Sekundarstufe II vorbereiten. Man muss sich bemühen Texte zu finden, die sowohl von allgemeinem Interesse sind oder die Schüler unmittelbar berühren (Schuluniform oder soziales Jahr einführen; Ziffernnoten abschaffen; Jugenschutzgesetze verändern; Frauenförderung beenden) und sprachlich eine angemessene Komplexität besitzen.

Erörtern 2.0: Was ist ein Argument? Wie prüft man es?
Am Beispiel des Aufsatzes von F. Mahlmann soll gezeigt werden, was ein Argument ist und wie man es prüft. Mahlmann fordert, man solle aufhören, die Schüler (vor allem der Sekundarstufe II) zu bevormunden und ihnen in der Schule Pflichten aufzuerlegen.
Das erste vollständige Argument für seine Forderung entwickelt er in Absatz (7), und zwar folgendermaßen:
P1 Sechzehnjährige dürfen schon an Kommunalwahlen teilnehmen.
P2 Wer an solchen gesellschaftlichen Grundentscheidungen teilnehmen darf,
muss auch in Schulfragen selbst entscheiden dürfen, was er tut und unterlässt.
(Z zu P2: Wahlen sind wichtige Entscheidungen.)
F Daher soll man Sechzehnjährige nicht zwingen, am Unterricht teilzunehmen.
Ein Argument ist ein Gedankengang, in dem in mehreren Schritten versucht wird, (hier) eine Forderung sachlich zu begründen. Das Argument hier ist folgendermaßen aufgebaut:
* Der Autor geht von einem Recht als einer Tatsache aus,
* bewertet dieses Recht im Vergleich zu einem anderen Recht
* und folgert aus dieser Bewertung, dass auch das „geringere“ oder geringer wertige Recht gewährt werden muss.

Aufgabe: Erörtere die Forderung Friedrich Mahlmanns, man solle aufhören, die Schüler (vor allem der Sekundarstufe II) zu bevormunden und ihnen in der Schule Pflichten aufzuerlegen!
Wie ist das Argument zu beurteilen? Hat es eine Schwachstelle:
– Besteht das Wahlrecht für Sechzehnjährige tatsächlich? Ist das Wahlrecht zu Recht (oder aus Gründen der politischen Anbiederung an „die Jugend“) gewährt worden?
– Ist das eine Recht wirklich geringer als das andere? Sind die beiden Rechte überhaupt miteinander vergleichbar?
– Stimmt die Schlussfolgerung?
-> Wenn ein Satz oder die Folgerung nicht haltbar ist, ist das ganze Argument hinfällig; trotzdem kann die falsch begründete Idee richtig, die Forderung (ganz oder) teilweise berechtigt sein!

Logische Analyse von Vorschlägen Vorschläge kann man (ich meine, mich hier an Gedanken Max Webers zu erinnern) unter drei Aspekten betrachten.
Schema eines Vorschlags:

Ich will // durch ein Mittel // ein Ziel erreichen.

a) Die technische Erörterung:
Hierbei prüfe ich die beiden letzten Aspekte, eher isolisert:
* Wird das Ziel so tatsächlich erreicht?
* Welche Nebenwirkungen treten ein?
* Ist das vorgeschlagene Mittel das wirksamste?
* Welche Kosten entstehen bei Anwendung dieses Mittels (und für wen entstehen sie)?
* Die beiden letzten Fragen führen zur Frage: Gibt es andere (wirksamere, billigere) Mittel?
b) Die grundsätzliche Erörterung:
* Ist dieses Ziel überhaupt erstrebenswert oder legitim?
* Ist das agierende Subjekt berechtigt, dieses Ziel zu erstreben?

Erörtern 2.1: Entscheidungen vernünftig diskutieren
1. Es wird vorausgesetzt, man könnte Entscheidungen vernünftig diskutieren. Dazu gehört, dass man die Argumente prüft, die zur Begründung genannt werden (Beispiel: Mahlmanns Forderung).
2. Zunächst sind bei einer Erörterung Ziel, Ergebnis und Kosten der vorgesehenen Handlung (Maßnahme) zu prüfen. Wenn zum Beispiel die Frage zu erörtern ist, ob ein Lehrer mit einer 10. Klasse während der Schulzeit ins BIZ fahren soll, ist zu fragen : a) Wozu soll das gut sein? (Was ist das Ziel?) b) Was wird voraussichtlich tatsächlich mit der Fahrt erreicht? (Was ist der Erfolg? Wer profitiert in Wahrheit davon?) c) Was „kostet“ die Fahrt an Zeit (Vorbereitung; Unterrichtsausfall), Arbeit und Geld? (Was sind die Kosten? Und wer trägt die Kosten?) d) Lässt sich das Ziel (die Ziele, ein Teil der Ziele) anders (einfacher, billiger, besser, bequemer – für wen?) erreichen? (Gibt es Alternativen?)
Natürlich ist auch zu prüfen, ob die Logik der Maßnahme und ihrer Begründung stimmt.
3. Wenn man also Leistung und Kosten des Plans, mit der Klasse ins BIZ zu fahren, geprüft hat, kann man dazu (im Hinblick auf die vier genannten Fragen) mögliche Alternativen ins Auge fassen:
– Er fährt nicht mit der Klasse ins BIZ, alles bleibt wie immer.
– Er fährt außerhalb der Schulzeit mit der Klasse ins BIZ.
– Er holt den Berufsberater in die Schule.
– Er fährt stattdessen anderswo hin, z.B. nach Schloss Rheydt.
(Hierzu gibt es wieder mehrere differenzierte Lösungen: Er
schickt einen anderen Kollegen mit der Klasse ins BIZ usw.)
4. Diese Diskussion steht unter den Voraussetzungen,
a) dass die Mittel und die Zeit des Handelns begrenzt sind;
b) dass es meist mehrere Wege gibt, um ein Ziel zu erreichen;
c) dass also über das, was vordringlich zu tun ist und auf welche Weise es getan werden soll, eine Entscheidung zu treffen ist;
d) dass diese Entscheidung möglichst viele („alle“) Gesichtspunkte berücksichtigen soll, die vernünftige Menschen mit unterschiedlichen Interessen ins Spiel bringen werden;
e) dass die Diskussion nicht nur tatsächlich im Plenum, sondern grundsätzlich von jedem (in Grenzen) denkend geführt werden kann;
f) dass diese Diskussion sodann geordnet dargestellt werden kann, was man eine dialektische (Gründe und Gegengründe berücksichtigende) Erörterung nennt.
Eine Liste von Gründen „pro und contra“ ist keine Erörterung!
Hilfsmittel: die AB zur Gliederung, zu den Konjunktionen (und sachlichen Verhältnissen), zum Erklären, zum Bewerten, zum Erörtern (1).
Zur ganzen Frage ist folgender Artikel lesenswert: http://de.wikipedia.org/wiki/Argument

Erörtern 2.2: Praktische Fragen
1. Zunächst muss man die Argumentation im vorliegenden Text verstehen. Dabei kann man, falls der Text kopiert vorliegt, die wesentlichen Aspekte unterstreichen: Argumente/Einwände unterscheiden, evtl. nummerieren; ihnen die Beispiele zuordnen; Gedankenschritte beachten… Man könnte diese Stichworte auch eigens notieren. [Bei einer freien Erörterung musst du selbst Argumente suchen!]
2. Danach sollst du selbst die Argumente des Autors ordnen: nach Wichtigkeit; nach Qualität (die starken zuerst); nach Art oder Thema (auf die Schule bezogen, auf die Familie bezogen…) oder nach einem anderen sachlichen Gesichtspunkt (Argumente – Einwände o.a.). – Bei einem systematisch geschriebenen Text folgst du dem Gedankengang. Journalisten „springen“ oft in ihrer Argumentation, um lebendiger zu schreiben; Zwischenüberschriften in ihren Texten sagen sachlich oft nicht viel, sollen eher Interesse wecken – ebenso wie der Titel. Im Untertitel ist meistens genauer gesagt, worum es geht.
3. Danach musst du entscheiden: Stelle ich die Argumente zuerst insgesamt dar und prüfe sie dann, oder stelle ich die Argumente einzeln dar und prüfe (erörtere) sie jeweils sogleich? Vielleicht probierst du einmal beide Möglichkeiten aus? Einfacher ist vermutlich die erste Lösung, souveräner wirkt evtl. die zweite.
Dass die Erörterung sachlich ist, versteht sich von selbst: „Ich persönlich meine…“ gehört nicht in eine Erörterung! Die Meinung des Autors, den du bitte als sprachlich handelnde Größe (!) bei seiner Argumentation behandelst, musst du von deiner (oder von dem, was du behauptest) unterscheiden: Konjunktiv I (oder Konjunktiv II, falls Konj. I nicht erkennbar ist). Stichwort: indirekte Rede!
4. Zum Schluss formulierst du ein Ergebnis, indem du festhältst, wie weit die Argumentation des Autors richtig ist.
Falls du seine Forderung ablehnst, solltest du das Ziel seiner Argumentation würdigen und eine Alternative vorschlagen, wie man das Ziel günstiger (einfacher – sicherer – billiger: AB Erörtern 2.1) erreichen kann. Oder ist seine Forderung völlig unsinnig?
5. Du selbst bist in deinem Aufsatz die sprachlich handelnde Größe. Mache dies deutlich, auch wenn du das Personalpronomen der 1. Person Singular („ich“) vermeidest. – Ansonsten gilt alles, was immer gilt: Ein Aufsatz ist gegliedert; vorher denken und Notizen machen; bitte mit dem Füller und leserlich schreiben; Datum angeben; richtige Auslassungszeichen benutzen!
Bitte Ziffern, private Abkürzungen und Pfeile (->) vermeiden!Mehr...