Sprachkritik und Stilistik (Eduard Engel, Ludwig Reiners)

Thomas Steinfeld hat in einem Aufsatz („Wie man Leser vor Schwindel schützt“, 28. April 2015) in der SZ über den Streit um die „Stilkunst“ von Ludwig Reiners berichtet. Es gibt seit gut zehn Jahren den Vorwurf Stefan Stirnemanns, Reiners’ Buch sei ein Plagiat von Eduard Engels „Deutsche Stilkunst“. Dazu gibt es jetzt eine Dissertation von Heidi Reuschel („Tradition oder Plagiat?“), von der der Vorwurf des Plagiats bestritten, aber die Tatsache überaus starker Anlehnung an Engels Buch nachgewiesen wird.

Steinfelds Aufsatz regt nicht nur dazu an, über die Wirksamkeit stilistischer Ratgeber und Korrekturen nachzudenken, sondern bringt mit den Autoren Engel, Wustmann, Sanders auch Namen ins Spiel, die man normalerweise kaum kennt und die teilweise für bedeutende Werke der Linguistik im 19. Jahrhundert stehen: Ich jedenfalls bin neugierig geworden, was diese Leute geschaffen haben und was davon heute im Internet greifbar ist.

Reiners’ Buch habe ich übrigens als junger Mann ganz unwissenschaftlich mit Freude und (hoffentlich) Gewinn gelesen; was ich langfristig davon gelernt habe, weiß ich natürlich nicht [doch, ich weiß, dass der Nominalstil nicht gut ist, dass die deutsche Sprache also den (Neben)Satz liebt].

http://www.sueddeutsche.de/kultur/linguistik-wie-man-leser-vor-schwindel-schuetzt-1.2454563 Aufsatz Steinfelds

http://www.kritische-ausgabe.de/hefte/reich/stirnemann.pdf (Stirnemann: Vorwurf des Plagiats)

http://opus4.kobv.de/opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/25559 (Dissertation Heidi Reuschels: Tradition oder Plagiat?, Bamberg 2014)

http://gutenberg.spiegel.de/buch/sprich-deutsch-2914/1 (Eduard Engel: Sprich Deutsch)

https://archive.org/details/DeutscheStilkunst (Engel: Deutsche Stilkunst, 30. Auflage 1922; er schimpft S. 52 ff. über „Vorgänger“, s. dort deren Namen und Buchtitel)

http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb11023730.html (Engel: Gutes Deutsch, 1918)

http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/seklit/kmjb/engel/Aufsaetze-Engel.pdf (seine Aufsätze in den Karl-May-Jahrbüchern)

http://de.wikisource.org/wiki/Eduard_Engel (seine Werke)

http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Engel (Biografie)

http://de.wikisource.org/wiki/Gustav_Wustmann (Werke Gustav Wustmanns)

https://archive.org/details/allerhandsprach02wustgoog (Wustmann: Allerhand Sprachdummheiten, 4. A. 1908)

http://de.wikisource.org/wiki/Daniel_Sanders (Werke Daniel Sanders’)

Wenn ich es richtig sehe, hat die Bemühung um guten deutschen Stil um 1800 eingesetzt – Kronzeuge ist J. C. Adelung:

https://archive.org/stream/ueberdendeutsch00adelgoog#page/n5/mode/2up Adelung: Über den Deutschen Styl, Bd. 1, 1800, 4. A.

https://archive.org/stream/bub_gb_h2QTAAAAQAAJ#page/n3/mode/2up dito, 1787, 2. A.

https://archive.org/stream/ueberdendeutsch02adelgoog#page/n10/mode/2up Adelung: Über den Deutschen Styl, Bd. 2, 1800 4. A.

https://archive.org/stream/ueberdendeutsch03adelgoog#page/n6/mode/2up dito, 1787, 2. A.

https://archive.org/stream/berdendeutschen00heingoog#page/n4/mode/2up Auszug aus Adelung, 1822; hier ist am Ende auch Literatur vermerkt, die zeigt, wie verbreitet die Bemühung um eine Verbesserung des Stils (und das hieß damals: Befreiung aus ungehobeltem Sprachgebrauch wie aus lateinischem Stil) war.

P.S. Das Buch Eduard Engels ist 2016 in Die Andere Bibliothek neu herausgegeben worden.